Wohnhaus in Zirad

Ein Haus der Betonexperimente

Das in Mumbai verortete Büro Samira Rathod Design Atelier unter Projektverantwortung von Jay Shah schwärmt vom Mut des Bauherrn, für ihn das Haus der Betonexperimente realisiert haben zu dürfen. Gleich ein zweites Mal konnte das Planungsteam ein Wohnhaus für den privaten Auftraggeber konzipieren, der als „Mäzen“ für Architektur und als „fortschrittlich denkender Geist“ mit Studienhistorie am MIT, Massachusetts Institute of Technology beschrieben wird. Das Ergebnis dieser erneuten Zusammenarbeit steht in den Ausläufern des Deotalai in Zirad – rund 30 Kilometer südlich von Mumbai – inmitten eines Mango-Obstgartens.

Unterschiedliche Perspektiven und Ansichten bestimmen das Bild.
Das Wohnhaus mit Gästetrakt bettet sich in einen Obstgarten und eine rundum grüne Umgebung ein.
Weite Öffnungen sorgen für fließende Übergänge zwischen außen und innen.

Zum einen verfolgte das Konzept eine möglichst reiche Vielfalt an Materialien, die der Spielwiese für Experimente dienen und skulpturale Elemente hervorbringen sollte. Zum anderen stand von Anfang an der Aspekt der Umwelt – und damit allem voran des natürlichen Umfelds – bei diesem Wohnprojekt im Vordergrund. So entschieden sich die Beteiligten, wertvollen Baumbestand auf dem rund 465 Quadratmeter großen Areal zu erhalten und entsprechend die Form des Wohnhauses um die Bäume herum zu fragmentieren beziehungsweise mäandern zu lassen. Eine auf dem Grundstück vorhandene Grube bestimmte außerdem die Platzierung der Konstruktion. In der Senke entstand ein Hof, an dessen Rand das Haus verortet ist.

Dicke Wände mit Multifunktion

Das Haupthaus selbst besteht aus einem einzigen großen Atelierraum mit angrenzendem Schlafzimmer für das bewohnende Paar. Zwei weitere Gästezimmer finden sich in einem separaten Gebäudeteil, das an das Haupthaus grenzt und über offene Innenhöfe erreichbar ist. Eine luftige, offene Atmosphäre bestimmt das Bild. So ist das große Wohnatelier als stützenfreier Raum mit durchgängiger, flacher Betondecke und ohne Innenwände ausgeführt. Die Dicke der Außen- und wenigen Innenwände bewegt sich zwischen 450 und 1.000 Millimetern. So sind in die Raumbegrenzungen auch Stauflächen integriert. Gleichzeitig erlaubt die Konstruktion eine natürliche Klimatisierung und Ventilation: Hierfür sind kleinere Kanäle in die Wände eingebaut, die der Luftzirkulation und passiven Kühlung innerhalb der großen Raumvolumina dienen. Drei markante, schräge Auskragungen, die wie die gesamte Struktur in Ortbeton ausgeführt sind, fungieren als Sonnenschutz vor großflächigen Verglasungen und durchbrechen darüber hinaus die stringente Linearität des flächigen Baus.

Unterschiedliche Texturen, Farben und Materialzusammensetzungen

Unter den zahlreichen Materialausführungen finden sich diverse Mixturen. Die dicken Betonwände des Haupthauses beinhalten etwa auch Schutt vom Aushub der Baustelle, womit der Materialeinsatz reduziert werden konnte. Gleichzeitig sorgte die Beimischung von Bauschutt – zu dem Steinsplitter, gebrochener Ziegel oder sogar größere Steinbrocken gehörten – für eine raue, sehr individuelle Oberflächenstruktur. Unterschiedliche Schleifgrade, verschiedene Größen der Holzschalungen, teilweise versetzte Fugen oder alternierende Farbzuschläge sorgen für eine sehr variantenreiche Ausführung der verschiedenen Sichtbetonelemente. So ist der Gästetrakt etwa in rosafarbenen Beton gegossen, der durch die reichhaltige Zugabe von Ziegelmehl entstanden ist.

Die Raumhülle wird vom Fußboden komplettiert, der seinerseits aus Betonterrazzo mit Zugabe von recycelten Steinabfällen gegossen wurde. Dabei sind in unterschiedlichen Bereichen verschiedene Materialien beigefügt, so etwa schwarze, weiße, rosafarbene Steine oder zerbrochene Keramikfliesen. Ein wichtiger Beitrag zur Atmosphäre im Haus der Betonexperimente ist das Element Licht. Dafür sind zahlreiche Oberlichter in unregelmäßiger Position, Form und Größe sowie freie Übergänge zwischen den weit gefassten Raumzonen integriert worden. Diese erlauben es, das Wohnhaus seiner Klimazone entsprechend mit ausreichend Licht und Luft zu versorgen und dadurch – entgegen seiner konstruktiven Massivität – den Eindruck von Leichtigkeit entstehen zu lassen.
-sab

Bautafel

Architektur: Samira Rathod Design Atelier, Mumbai
Projektbeteiligte: Jog Infrastructure (ausführendes Unternehmen Hochbau); Mortar Construction (Innenausbau); Krishna Interiors und Sangia Interiors (Schreinerarbeiten) Studio Struct (Tragwerksplanung); Nova Initiative (HLS)
Bauherr/in: privat
Standort: Zirad, Maharashtra, Indien
Fertigstellung: 2022
Bildnachweise: Niveditaa Gupta

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Sichtbetonoberflächen lassen sich im Herstellungsprozess oder auch nach dem Ausschalen gestalten.

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Betonoberfläche bei Verwendung einer saugenden Brettschalung

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