Wohnhaus in St. Vigil

Holzhaus aus lokalen Materialien

Am Ortsrand von St. Vigil im Südtiroler Gadertal, umgeben vom malerischen Dolomitengebirge und in direkter Nachbarschaft zu einer Thermalquelle, fällt ein Haus in massiver Holzbauweise auf. Den Bau mit bemerkenswertem Dach und markanten Fenstern, der auf dem Gelände eines Hotels errichtet wurde, entwarfen Pedevilla Architekten. Mit seinen überhöhten Gauben und Giebeln in Trapezform sowie mit der Hülle aus handgefertigten Holzschindeln, die Dach und Fassade gleichermaßen bedecken, wirkt das Wohnhaus Ciasa Aqua Bad Cortina wie eine Neuinterpretation seiner traditionellen Nachbarbauten. Weitere Besonderheiten sind neben der Formensprache das gewählte lokale Holz und der Verzicht auf synthetische Materialien.

Den in massiver Holzbauweise errichteten Bau mit bemerkenswertem Dach und markanten Fenstern entwarfen Pedevilla Architekten.
Durch die überhöhten Giebel streckt sich das Gebäude optisch stark in die Höhe, wirkt aufgrund seiner sehr tief liegenden Trauflinie gleichzeitig zurückhaltend und schützend.
Die Außen- und Innenwände aus massivem Fichtenholz konnten mithilfe einer speziellen Fügetechnik ohne den Einsatz von Klebern oder Harzen montiert und verbunden werden.

Trapezform als Gestaltungselement
Auf einem annähernd quadratischen Grundriss erheben sich drei Geschosse. Durch die überhöhten Giebel streckt sich das Gebäude optisch stark in die Höhe, wirkt aufgrund seiner sehr tief liegenden Trauflinie zugleich zurückhaltend und schützend. Dabei ist das ungewöhnliche Verhältnis von Dach zu Fassade auffallend, was durch die durchgehende Bekleidung aus Holzschindeln verstärkt wird. Wiederkehrend ist bei der Gestaltung das Motiv des Trapezes: Giebel, Gauben sowie einige Fenster und Öffnungen sind in dieser Form ausgeführt. Eine leicht vorgesetzte Ausbuchtung in der Fassade markiert den Eingang.

Holz aus unwettergeschädigten Wäldern der Umgebung

Die drei oberirdischen Geschosse sind vollständig aus lokalem Holz gefertigt. Besonders ist hierbei, dass lediglich das Holz von Bäumen genutzt wurde, die während eines Unwetters im Oktober 2018 in den angrenzenden Wäldern umstürzten. Die Außen- und Innenwände aus massivem Fichtenholz sind mithilfe einer speziellen Fügetechnik ohne den Einsatz von Klebern oder Harzen montiert und verbunden. Die insgesamt 36 cm dicken Außenwände wurden werkseitig aus 6 cm starken Holzdielen vorgefertigt, wobei die innere Schicht aus Zirbenholz mit handgehobelter Oberfläche besteht. Zusammen mit der äußeren Fassadenschicht aus Lärchenschindeln, die in lokaler Handarbeit gespalten wurden, erreicht die Wand eine so niedrige Wärmeleitfähigkeit, sodass eine zusätzliche Dämmung nicht notwendig ist. Insgesamt konnte also weitestgehend auf die Verwendung von synthetischen Materialien und Kunststoffen verzichtet werden.

Monochrome Innenräume

Nicht nur die von Hand gehobelten Oberflächen der Innenwände zeigen die stark gemaserte und mit Astlöchern gespickte Optik vom Holz der Zirbelkiefer: Sämtliche Möbel, Türen, Fensterrahmen, wie auch die Wendeltreppe und sogar die Griffe der Schranktüren sind aus Zirbenholz gefertigt. Wegen ihres warmen Farbtons und des charakteristischen Geruchs, der dem Raum Wohlgefühl und Wärme verleiht, wird die Zirbe in der lokalen Tradition bereits seit Jahrhunderten für die Innenverkleidung der Stube verwendet. Für eine einfache Montage der Fenster und Türen wurden bereits im Vorfeld die entsprechenden Anschlüsse in die Außenwände eingefalzt.

Das Untergeschoss wurde aus Beton hergestellt, der Zusätze aus lokal verfügbarem Dolomitgestein aufweist und mit dem Thermalwasser der anliegenden Quelle angereichert wurde. Für Böden und Bäder wurde auf Gestein von Dolomitfindlingen des umliegenden Gebirges zurückgegriffen.

Nachhaltigkeit durch lokale Materialien und Expertise

Die eingesetzten Materialien sind nicht nur lokal verfügbar, es wurde außerdem bei deren Wahl auf Robustheit, Konsistenz und Langlebigkeit geachtet. So ist etwa Lärchenholz, das als Schindeln für die Verkleidung von Fassade und Dach verwendet wurde, bereits ohne Behandlung witterungsbeständig und entwickelt im Lauf der Zeit eine ganz eigene, gräuliche Patina. Der Lebenszyklus der verwendeten Ressourcen verlängert sich durch ihre Verwendung in dem Gebäude, wodurch die Umweltbelastung und Kosten langfristig gesenkt werden. Soziale wie kulturelle Aspekte der Nachhaltigkeit dachte man ebenfalls mit: Für die Bauarbeiten wurde ausschließlich auf die Erfahrung und Expertise von Gadertaler Handwerkern gesetzt, wodurch das Fachwissen um die lokale Bauweise einfließen konnte und sich so dem Trend der Standardisierung von Neubauten entgegenwirken ließ. -si

Bautafel

Architektur: Pedevilla Architekten, Bruneck
Projektbeteiligte: Holzius, Prad am Stilfserjoch (Holzbau); Hubert Palfrader, St. Vigil (Fassade); Tischlerei NAGÀ, Wengen (Fenster und Türen); Tischlerei MAMP, Wengen (Holzböden); Eugenio Della Gaspera, Bozen (Dolomitsteinböden); Egon Pescollderungg, Marebbe (Statik); Paolo Orru, Schlanders (Energie)
Bauherrschaft: Aqua Bad Cortina, Familie Alberti Mutschlechner, St. Vigil
Standort: St. Vigil in Enneberg, Südtirol
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Gustav Willeit, Corvara/ Zürich

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