Wohnhaus Casa di Confine in Polverigi

Abstraktion eines Bauernhauses

In der Mitte Italiens zwischen Apennin und Adriaküste befindet sich die Landschaft der Marken (auf Italienisch: marche). Wenige Kilometer südwestlich von Ancona liegt die kleine Gemeinde Polverigi mit etwas mehr als 5.600 Einwohnern. Hier haben Simone Subissati Architects ein auffälliges Wohngebäude mit roter Fassade und weißem Dach realisiert. Inspiriert ist es durch Bauernhäuser der Region und deren funktionales Formenrepertoire wie etwa das Steildach oder die sogenannte tote Tür. Diese Elemente übersetzte das Entwurfsteam abstrahiert in eine von Transparenz und Licht geprägte Architektur.

Keine Mauern oder Zäune grenzen das Grundstück von den Feldern ab.
Die seitlichen Fassaden geben sich geschlossen, die Längsseiten verfügen über viele Öffnungen.
Die Farbgebung in Weiß und Rot hebt das Haus von der Umgebung ab.

Umgeben von sanft hügeligen Getreidefeldern, Wiesen und Hainen, steht der Neubau auf einer Anhöhe, von der aus der Blick in die Weite und bis nach Polverigi reicht. In seiner Kubatur bezieht sich das 33 Meter lange und 8,40 Meter breite Wohnhaus auf die alten langgestreckten und mehrgeschossigen Landhäuser der Region. Diese zeichneten sich laut Subissati durch eine „Essentialität aus, die sich von der heute im Trend liegenden Poesie des Minimalismus unterscheidet“.

Hinter der toten Tür

Der Neubau Casa di Confine verfügt über eine solch regional typische „porta morta” (tote Tür). Diese große, mittig im Baukörper angeordnete, zweiflügelige Tür öffnet sich bei gut erhaltenen historischen Bauernhäusern zu einem Durchgang quer durch das Haus, der von der Straße zu den Feldern führte. Gleichzeitig diente die porta morta dazu, die Bauernhöfe in den Wohnbereich und in die Wirtschaftsräume wie Stall und Scheune zu unterteilen. Auch bei Subissati unterteilt dieser Durchgang das Gebäude von einer Seite zur anderen. Allerdings verbindet er nicht die Straße, sondern den privaten Swimmingpool mit den Feldern.

Dass trotz aller Bezüge zu traditionellen Bauweisen eine moderne Architektursprache zum Tragen kommt, zeigt sich dem Betrachter auf den ersten Blick und schon aus der Ferne. So sticht nicht nur das Fehlen einer optischen Grundstücksgrenze – etwa Zäune oder Mauern – ins Auge. Auch die Materialität und die weithin sichtbare Farbgebung des Wohnhauses lassen auf eine zeitgenössische Interpretation schließen. Die gesamte Außenhaut des Erdgeschosses ist mit Metall verkleidet, dessen Rostschutzanstrich in einem warmen Rotton gehalten ist.

Das Obergeschoss mit seinen beiden Satteldächern erstrahlt in Weiß, das von roten Einsprengseln in Form kleiner quadratischer Fenster durchbrochen wird. Teilweise ausgestattet mit Spiegelglas, sorgen diese als „Diaphragmen“ bezeichneten Fenster für unerwartete optische Effekte. In diesem Teil des Obergeschosses, zu dem man über eine hölzerne Treppe gelangt, befinden sich Schlafräume sowie  Ankleidezimmer und Bad. Von hier führt ein Balkon durch den Luftraum über der porta morta zum gegenüberliegenden Teil des Obergeschosses. Nicht nur die fehlende Überdachung, auch der Kaninchendraht als Absturzsicherung geben dieser Galerie einen provisorischen Charakter. Einmal überwunden, erreicht man einen Wintergarten mit transluzenter Hülle. Dieser Bereich des Obergeschosses wurde in Holzbauweise errichtet.

Übergangslos von Innen nach Außen

Für das Erdgeschoss entwarf das Architekturbüro Möbel aus Eschenholz. Neben dem üppig dimensionierten Wohnzimmer, der Küche und einem Schlafraum befindet sich hier, getrennt durch den offenen Durchgang, ein kleiner Wellnessbereich. Die Räume sind in einer Reihe angeordnet. Erschlossen werden sie über einen Gang, der das Gebäude auf der nördlichen Längsseite durchzieht und das Treppenhaus aufnimmt. Im Erdgeschoss verbindet er das Wohnzimmer mit der porta morta und setzt sich in den Wintergarten fort. Im Obergeschoss wird er im Bereich der porta morta und des Wohnzimmers zur offenen Galerie.

Während sich die Schmalseiten des Hauses komplett geschlossen zeigen, können einige Bereiche der Metallfassaden an den Längsseiten geöffnet werden. Die bodentiefen Fenster lassen sich nach außen öffnen und tragen zur Auflösung der Schwelle zwischen Innen- und Außenraum bei. Die Öffnungen des Erdgeschosses ermöglichen die Durchsicht in nord-südlicher Richtung. Verstärkt wird dieser lichte Eindruck durch den rechtwinklig zum Langbau angeordneten von Rasen umgebenen Pool. Auch er hält einen historischen Vorläufer bereit: Das Bassin soll an Wassertanks erinnern, in denen auf vielen Höfen früher das Trinkwasser gesammelt wurde.

Dach: Doppeltes Satteldach aus Holz und Beton

Das Gebäude verfügt über zwei asymmetrische Satteldächer, die einander gegenüberliegen. Während ein Dachteil aus verputzten Leichtbetonplatten errichtet wurde, das von Dachflächenfenstern durchbrochen wird, besteht das andere aus Schichtholzrahmen, die mit einer mikroperforierten Membran gleicher Farbe versehen sind. Diese Membran ermöglicht das gefilterte Eindringen des Tageslichts. Bei Beleuchtung in der Nacht lässt sie das Haus weithin in einem sanften Licht erleuchten. Den sommerlichen Hitzeschutz im Dachgeschoss gewährleistet ein natürliches Lüftungs- und Kühlsystem: Durch die zahlreichen Öffnungen in der Gebäudehülle wird sowohl die Querlüftung als auch der Kamineffekt begünstigt. 

Dachaufbau (von außen nach innen):

  • Selbstreinigende Putzoberfläche
  • Deckenplatten aus Leichtbeton
  • Sandwichplatten mit einem Kern aus Polyurethan-Schaum (PUR / PIR) als Trapez-Dachprofil
  • Profil IPE 160
  • Mineralwolle 10 cm
  • Deckenverkleidung mit Gipskartonplatten 1,3 cm

Bautafel

Architektur: Simone Subissati Architects, Ancona
Projekbeteiligte: Domenico Lamura, Matteo Virgulti (Tragwerksplanung), Montagna costruzioni (Baunternehmer)
Bauherrschaft: privat
Standort: Polverigi, Ancona, Italien
Fertigstellung: 2019
Bildnachweis: Alessandro Magi Galluzzi; Simone Subissati Architects, Ancona


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