Wohnhäuser Holz 5 1/4 in Hamburg

Innovativer Brandschutz für Holzmassivbau

Internationale Bauausstellungen sind nicht nur architektonische Leistungsschauen, sondern auch anerkannte Instrumente der Stadtentwicklung. Die 2013 eröffnete Hamburger IBA beispielsweise setzte es sich zum Ziel, das Leitbild vom „Sprung über die Elbe“ voranzutreiben und den wenig besiedelten und auch wenig beliebten, aber immerhin 35 Quadratkilometer großen Stadtteil Wilhelmsburg für die wachsende Hansestadt zu entwickeln. Zahlreiche konkrete Infrastruktur- und Hochbauprojekte sollten das Gebiet spürbar und sichtbar aufwerten. Ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt und für den ersten Eindruck des neu entstandenen Quartiers bestimmend ist der sogenannte Eingangskomplex am Inselpark an der S-Bahn-Station Wilhelmsburg. Mit seiner funktionalen Mischung aus Wohngebäuden, Gewerbe- und Veranstaltungsflächen, einem Ärztehaus und einem Seniorenzentrum soll dieser Ort vorbildlich zur Stabilisierung des neuen Stadtteils beitragen.

Zwei baugleiche Wohnhäuser mit insgesamt 28 Wohnungen entstanden nach Entwürfen der Berliner Architekten Kaden und Klingbeil
Die im Grundriss rechteckigen Baukörper sind durch offene Treppenhäuser jeweils in zwei Volumen unterschiedlicher Höhe gegliedert
Unregelmäßig angeordnete, teils liegende, teils stehende und auch um die Gebäudeecken greifende Fensteröffnungen und unterschiedlich über Eck auskragende Balkone sorgen für ein lebhaftes Fassadenbild

Zwei der zahlreichen Neubauten – zwei baugleiche Wohnhäuser mit insgesamt 28 Wohnungen – entstanden nach Entwürfen der Berliner Architekten Kaden und Klingbeil (heute: Kaden + Lager). Die Zwillingsbauten, die sich lediglich in der Farbe ihrer Putzfassaden unterscheiden, wurden zu einem großen Teil in Holzmassivbauweise errichtet und haben jeweils fünf Geschosse plus einem weiteren mit einem Viertel der Regelgeschossfläche. Hieraus leitet sich auch der eigenwillige Projektname Holz 5 1/4 ab. Die im Grundriss rechteckigen Baukörper sind durch offene Treppenhäuser jeweils in zwei Volumen unterschiedlicher Höhe gegliedert. Zudem sind beide Häuser zueinander um ein Geschoss höhenversetzt angeordnet. Hierdurch und durch die unregelmäßig angeordneten, teils liegenden, teils stehenden und auch um die Gebäudeecken greifenden Fensteröffnungen und die unterschiedlich über Eck auskragenden Balkone wird jedem Schematismus, den zwei strukturell gleiche Häuser zeitigen könnten, entgegen gearbeitet.

Beide Häuser haben ihre Eingänge an der nordöstlichen Gebäudeecke als offene, zweigeschossige Gebäudeeinschnitte. Im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss finden hier pro Haus jeweils zwei Dreizimmerwohnungen Platz. Im 2., 3. und 4. Obergeschoss wurden jeweils eine Drei- und zwei Zweizimmerwohnungen angeordnet und ganz oben je eine Dreizimmerwohnung. Die Grundrisse mit Größen zwischen 82 und 117 Quadratmetern haben offene und zusammenhängende Koch-, Ess- und Wohnbereiche, über die größtenteils auch die weiteren Zimmer erschlossen werden.

Bauphysik
Die Gebäude entstanden in hybrider Bauweise aus Stahlbeton und Brettschichtholz (BSH) mit Wärmedämmverbundsystem (WDVS). Die Untergeschosse, die Geschossdecken, die Treppenhäuser mit den Fahrstuhlschächten und die Innenwände der aussteifenden Kerne sowie einige Stützen wurden in Beton errichtet. Auch die Brettschichtholzstützen haben tragende Funktion.

Der weitaus größte Teil der Außenwände ist nicht tragend und aus großformatigen, vorgefertigten Elementen mit Abmessungen von etwa 3 x 5 Metern montiert. Diese 90 mm dicken BSH-Elemente wurden außen bauseits mit einem WDVS aus 200 mm starken Mineralwolle-Dämmplatten und einem mineralischen Putz mit einer Dicke von 10 mm versehen. Dasselbe gilt für die Wände zu den offenen Treppenhäusern, deren Brettschichtholzkern allerdings 160 mm dick ist. Außerdem wurde hier zwischen der Holz- und der Dämmschicht aus Brandschutzgründen eine 12,5-mm-Gipsfaserplatte eingefügt. Damit erreichen diese Bauteile sowohl F-90-BA-Qualität, als auch die in der Bauordnung geforderte Stabilität gegen zusätzliche mechanische Beanspruchung und gelten als Brandwandersatzwand. Wo die Stahlbetonkerne die Lastabtragung übernehmen, ist die 200 mm starke Betonwand mit 290 mm Mineralwolldämmung und 10 mm Putz verkleidet. Innenseitig zu den Wohnungen wurden die Betonoberflächen sichtbar belassen. Die BSH-Außenwände erhielten als inneren Bauteilabschluss entweder eine Beplankung aus 12,5-mm-Gipsfaserplatten oder aus 8- mm Birkenfurnier-Sperrholzplatten. 

Das besondere Brandschutzkonzept der Häuser ermöglichte es, dass die Holzbauteile hier teilweise sichtbar belassen werden konnten. Das Konzept setzt sich aus drei Teilen zusammen: aus dem verringerten Risiko durch die kleinen Nutzungseinheiten zu jeder Seite der offenen Vertikalerschließung (< 110 m²), der Ausbildung dieser Erschließung als Sicherheitstreppenhaus (offen und durch Brandwandersatzwände begrenzt) und einer Brandmeldeanlage.

Die Gebäude entsprechen dem KfW-Effizienzhaus-55-Standard, verbrauchen also nur 55% der Energie eines vergleichbaren und nach den Vorgaben der Energieeinsparverordnung (EnEV) errichteten Neubaus. Ihr Heiz- und Warmwasserbedarf wird ergänzend zum Nahwärmenetz über eine zentrale Heizungsanlage und Kraft-Wärme-Kopplung gedeckt. Zusätzlich ist eine Abluftanlage installiert. Die Flachdächer sind für die nachträgliche Aufrüstung mit einer Photovoltaikanlage vorbereitet.

Bautafel

Architekten: Kaden und Klingbeil, Berlin
Projektbeteiligte:
BKR Beratende Ingenieure, Kaltenkirchen (Tragwerksplanung); Dehne Kruse Brandschutzingenieure, Gifhorn (Brandschutz); Christiane Haberkorn, Lübeck (Freiraumplanung); Hegel Architektur, Hamburg (Bauleitung)
Bauherr:
Inselpark Immobilien Besitzgesellschaft II+III, Hamburg
Fertigstellung:
2013
Standort:
Kurt-Emmerich-Platz 4 und 6, 21109 Hamburg
Bildnachweis: Bernd Borchardt, Berlin

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