Wohnen 60 70 80

Wohnen 60 70 80

VDL - Vereinigung der Landesdenkmalpfleger (Hrsg.)

Junge Denkmäler in Deutschland
Deutscher Kunstverlag, Berlin 2021
1. Aufl., 224 Seiten, 315 Farbabbildungen, Format 280 x 210 mm, Hardcover

Preis: 39,90 EUR

ISBN 978-3-422-98154-6

Das „Wohnen im Denkmal“ wird viel eher mit Bauwerken aus der Gründerzeit, alten Bauernhäusern, Rat- oder Kontorhäusern assoziiert als mit solchen der Nachkriegszeit. Dass gerade die Epoche nach dem Zweiten Weltkrieg eine große Anzahl und Vielfalt an Baudenkmälern aus dem Wohnungsbau aufweist, ist wenig im Fokus.

Gerade die 1960er- bis 1980er Jahre zeigen eine vielfältige Palette an Wohngebäuden, die repräsentativ für die Entwicklung der Anforderungen an ein „zeitgemäßes“ Wohnen sind, wie das Fachbuch wohnen 60 70 80 – Junge Denkmäler in Deutschland aufzeigt. Herausgegeben von der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger, werden Baudenkmäler der jüngeren Architekturgeschichte porträtiert und hinsichtlich ihrer Bedeutung bzw. ihres Denkmalwertes analysiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Zuge des Wiederaufbaus Deutschlands, herrschte ein enormer Mangel an Wohnraum. Entsprechend standen die 1960er-Jahre verbreitet im Zeichen eines industrialisierten Massenwohnungsbaus. Ließen vereinzelt auch neue Baustoffe wie Glas, Stahl und Stahlbeton individualisiertes und experimentelles Bauen entstehen, so stand diese Dekade doch meist – sowohl in Ost-, als auch in Westdeutschland – im Zeichen der Großsiedlungen. Mit Beginn der Siebziger Jahre ist ein verstärkter Einfluss politischer und sozialer Dimensionen in der Architektur registrierbar, d.h. es wurden Utopien entwickelt und teilweise baulich umgesetzt. Aufgelockerte Siedlungen im Großformat wurden abgelöst durch städtische Verdichtung. In den Achtziger Jahren schließlich dominierten historische Zitate, baulich oft umgesetzt in Gebäuden der Postmoderne.

Das Wohnen vollzog sich in den betrachteten drei Dekaden in ganz unterschiedlichen Formen und Dimensionen. Das Buch ist dementsprechend nicht chronologisch, sondern typologisch aufgegliedert – in Einfamilien- und Hochhäuser, Terrassenhäuser, Wohnungstypen in Großsiedlungen, Häuser in Altstädten sowie gebaute Utopien und Visionen.

Geschildert werden die Historie, das architektonische Konzept und die Umsetzung jedes einzelnen Gebäudes. Optisch sehr ansprechend, mit hochwertigen Fotos und Originalplänen wird die Bedeutung für die Architekturgeschichte erläutert.

Hier endet aber auch die Beschäftigung mit den jeweiligen Bauwerken. Gerade heute, wo das Wohnen und Bauen in und mit historischer Bausubstanz eine zunehmend große Rolle spielt, stellt sich oft die Frage nach einem zeitgemäßen und zukunftsfähigen Umgang mit alten Bauwerken. Wie lassen sich bauphysikalische Anforderungen an Wärmeschutz, Schallschutz, Brandschutz umsetzen, ohne den Denkmalwert zu beeinträchtigen? Darum geht es hier nicht, es bleibt eine Dokumentation.

Damit eröffnet sich die naheliegende Möglichkeit eines Folgebandes, in dem beispielhaft eine moderne Nutzung mit entsprechenden baulichen Maßnahmen dargestellt wird, die konstruktiven und bauphysikalischen Defizite mit heutigen Erkenntnissen und Bautechniken kompensiert werden. Wie kann ein respektvoller Umgang mit historischer Bausubstanz aus diesen drei Dekaden aussehen? Das wäre eine spannende Fortsetzung des hochwertigen Fachbuchs.

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