Wohn- und Geschäftshaus Nr. 1 in Mahallat

Innen- und Außenwände aus Travertin-Verschnitt

Die Steingewinnung und -bearbeitung ist ein wichtiger Wirtschaftszweig rund um die Stadt Mahallat im Zentraliran. Vorrangig Travertin wird dort mit hohem Energieaufwand geschnitten, später aber wegen der ineffizienten Schneidetechnik nur zur Hälfte verwendet. Diese Energie- und Materialverschwendung veranlasste den Architekten Ramin Mehdizadeh von Architecture by Collective Terrain (AbCT), ein Wohnhaus aus dem Verschnitt der Steine zu bauen. Auf diese Weise wollte er der Bevölkerung und der Baubranche zeigen, dass aus recycelten Abfallprodukten Bauwerke von hoher Qualität entstehen können.

Ausschnitt Südfassade: Weil Farbe, Größe und Form der Steine variieren, entsteht eine raue und lebendige Oberflächentextur
Ansicht Südwest mit Mauer zum Innenhof
Ansicht Ost: Falt-Schiebe-Elemente aus Holz ergänzen die Steinfassade auf angenehme Weise

Mit dem Wohn- und Geschäftshaus Nr. 1 in der Nähe des Zentrums von Mahallat ist ihm dies gelungen: Außen- und Innenwände des fünfgeschossigen, unterkellerten Gebäudes bestehen aus den Überresten von Steinhauer-Betrieben. Diese sind stets zwei oder vier Zentimeter hoch, weisen eine ebene Oberfläche auf und lassen sich deshalb horizontal stapeln. Weil Farbe, Größe und Form der Steine variieren, entsteht eine raue, lebendige Oberflächentextur, die durch die Gebäudeform noch unterstützt wird. Mit einem polygonalen Grundriss reagierte der Architekt auf das unregelmäßig geformte Grundstück, entwickelte diesen aber weiter. Weil die Größe der Innenräume bei einer solchen Form stark limitiert ist, erweiterte er einzelne davon durch unterschiedlich dimensionierte, dreieckige Flächen nach außen. Dadurch entstehen nicht nur innen bessere Proportionen, sondern zugleich eine bewegte Gebäudehülle, die inspiriert ist durch das scharfkantige Relief der Steinbrüche.

Während im Erdgeschoss mehrere Läden, der Zugang zu den Wohnungen sowie ein gemeinsam genutzter Innenhof untergebracht sind, beherbergen die vier Obergeschosse insgesamt acht Wohneinheiten. Hölzerne Falt-Schiebe-Elemente als Sonnen- und Sichtschutz ergänzen die Steinfassade auf angenehme Weise. Auf dem 420 m² großen Grundstück bietet das Haus insgesamt 1.780 m². Trotz seiner ungewöhnlichen Form fügt es sich harmonisch in die Umgebung. Dafür sorgt seine Materialität, aber auch Referenzen an traditionelle regionale Bauweisen, erkennbar an den kleinen Fenstern und der Detailausbildung der Sonnenschutzelemente.

Nachhaltig Bauen
Die Bauherren des Wohn- und Geschäftshauses sind der Architekt, ein Bauunternehmer und ein Grundstücksbesitzer. In einer solchen Konstellation konnte Ramin Mehdizadeh ein qualitativ hochwertiges Gebäude aus Reststoffen wirtschaftlich und umweltfreundlich realisieren: Nach Angaben des Architekten lagen die Materialkosten für den recycelten Verschnitt um 79% niedriger als die der üblicherweise verwendeten Werksteine.

In seinem Gebäude verbindet er zeitgenössische Formen mit Traditionen und Besonderheiten der Region. So kommen kleine Fenster zum Einsatz, wie sie aus Gründen des Sicht- und Sonnenschutzes in Mahallat schon lange üblich sind. Große Fensterflächen versieht er mit einem Sonnenschutz aus iranischem Hartholz, dessen Gestaltung sich an die von alten Türen in der Stadt anlehnt. Hier wurden vertikale Holzlatten durch einen Stahlrahmen zusammengefasst. Alle Materialien stammen aus der Region und wurden mit einfachen Techniken von ortsansässigen Handwerkern verarbeitet.

Laut Ramin Mehdizadeh wurde das Gebäude in der Bevölkerung ebenso wie bei Handwerkern und Bauunternehmern positiv aufgenommen. Seit der Fertigstellung steige außerdem die Zahl der Gebäude mit Wänden aus horizontal geschichtetem Travertin-Verschnitt. -cr

Bautafel

Architekt: Ramin Mehdizadeh (Architecture by Collective Terrain, AbCT), Seoul
Projektbeteiligte: Hyeoun Kim, Hanna Lee, Janghee Yoo, Namjoo Kim, Siyoung Kim (Entwurfsteam); Mehdi Mehdizadeh, Mahallat (Bauunternehmer); Reza Mehdizadeh, Seoul (Tragwerk); Ehsan Mehdizadeh, Mahallat (Gebäudetechnik);
Bauherr: Ramin Mehdizadeh, Mehdi Mehdizadeh, Hossein Sohrabpoor
Fertigstellung: 2010
Standort: Mahallat, Iran
Bildnachweis: Omid Khodapanahi, Seoul

Fachwissen zum Thema

Wer nachhaltig Bauen möchte, sollte Baustoffe wählen, die aus nachwachsenden, gut recyclebaren und lange verfügbaren Rohstoffen bestehen (Bild: Wasserstrichziegel).

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Das C2C-Prinzip bezeichnet einen idealisierten, geschlossenen Rohstoffkreislauf nach dem Vorbild der Natur, bei dem alle Rohstoffe eines Produkts nach dem Nutzungszeitraum zu 100% im Kreislauf bleiben und wiederverwendet werden können.

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Im Sinne des nachhaltigen Bauens soll beim Rückbau von Gebäuden und Gebäudeteilen ein möglichst hohes Maß an Recyclingfähigkeit sichergestellt werden.

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