Wohn- und Geschäftshaus in Tokio

Wie eingefroren

Innerhalb der Yamanote-Ringbahn gelegen, ist das Viertel Shirokane im Tokioter Bezirk Minato eine der nobelsten Wohngegenden der japanischen Hauptstadt. An ihrem nördlichen Rand, in der Nähe des Furukawa – wie viele Flüsse Tokios ein kanalisiertes Rinnsal, über dem eine Hochstraße verläuft – findet sich das Escenario Shirokane, ein Geschosswohnungsbau mit einem Restaurant auf Straßenniveau und Büroräumen unter dem Dach.

Das Gebäude wurde vom Büro Sasaki Architecture in Zusammenarbeit mit Rieko Okumura vom Büro Ytro Design Institute geplant.
Leichte Auskragungen beziehungsweise Versprünge in der Oberfläche schaffen eine lebendige Fassade.
Neben den zahlreichen Ankerlöchern der Trägerwandschalung prägen die Fassade die Kreuzfugen der Schaltafeln sowie kleine, punktförmige Vertiefungen, die anzeigen, wo die Schalhaut mit Nägeln auf den Trägerelementen befestigt wurde.

Das Gebäude, das nach Plänen von Sasaki Architecture in Zusammenarbeit mit Rieko Okumura vom Büro Ytro Design Institute entstand, ersetzt einen etwas niedrigeren, in die Jahre gekommenen Vorgängerbau. Die Straßen der Kreuzung, die das dazugehörige Eckgrundstück umgeben, sind nicht exakt rechtwinklig; eine davon läuft direkt auf das dort platzierte Bauwerk zu. Auf diese prominente Lage reagierte das Planungsteam mit einer hochwertigen Sichtbetonfassade, die durch leichte Auskragungen beziehungsweise Versprünge in der Oberfläche dynamische Effekte schafft: Es entsteht der Eindruck einer Fassade, die sich eben noch in Bewegung befand, nun aber wie eingefroren erscheint.

Klein, aber chic

Das fünfgeschossige Gebäude wartet im Erdgeschoss mit zwei Zugängen auf: Direkt an der Ecke liegt der Eingang zu einem Wagyu-Restaurant, zu einer schmalen Seitenstraße hin befindet sich die Tür zum Treppenhaus, das in die Wohnetagen und das Büro unter dem Dach führt. Auf einen Aufzug wurde verzichtet. Bei dem Bau handelt es sich um einen Zweispänner, wobei die zur Ecke hin orientierten Wohnungen mit einer Größe von etwa 30 m², separatem Schlafraum und WC aufwarten und die nach Westen orientierten Einraum-Einheiten circa 20 m² Fläche bieten – gängige Apartmentgrößen in Tokio.

Dass sich die Wohnungen trotz der geringen Größe dennoch nicht an Personen mit kleinem Geldbeutel richten, zeigt die Ausstattung: Das Treppenhaus ist ebenso wie Teile der Wohnungen in Sichtbeton gehalten, die strahlendweißen Einbauten sind maßgefertigt, die Leuchten in die Decken integriert und die großen Öffnungen erlauben weite Blicke.

Beton: Faltenrock mit Pünktchen
Die Sichtbetonfassade ist farblich homogen in einem hellen Grau gehalten und zeigt weitgehend regelmäßige Öffnungen. Aufgelockert wird sie durch geschossweise versetzte, schräge Vorsprünge in unterschiedlichen Breiten. Die Hülle des Eckbauwerks erscheint dadurch im Vorübergehen oder -fahren durch das Spiel von Licht und Schatten dynamisch bewegt.

Die Hülle wurde in Ortbeton erstellt und zeigt das Raster der eher kleinformatigen Schaltafeln, die man mit Kreuzfugen anordnen ließ. Aufgrund der sehr glatten, nicht-saugenden Beschaffenheit der Schalhaut wirkt der Sichtbeton stellenweise wie poliert. Daneben prägt die Fassade ein für die Verwendung von  Trägerwandschalungen typisches Ankerlochbild.

In Japan sind diese oft gezimmert: Die Schaltafeln werden auf simple Holzprofile von geringer Höhe aufgenagelt, als Gurtungen lassen sich Gerüstrohre verwenden, die durch die Schalungsanker gehalten werden. Bei genauerer Betrachtung nimmt man neben den zahlreichen Ankerlöchern auch noch die kleinen, regelmäßigen Vertiefungen der Nägel wahr, mit denen die Schalhaut auf den Hölzern befestigt wurde. Grund für diese Vorgehensweise sind wohl vor allem die beengten Verhältnisse auf innerstädtischen japanischen Baustellen: Dort ist selten genug Platz zur Lagerung von Materialien oder zum Aufstellen eines Krans gegeben.

Das Treppenhaus im Inneren ist ebenfalls in Sichtbeton gehalten und zeigt die gleiche Textur wie die Gebäudehülle. Zu den Wohnungen hin bleiben diese Wände ebenso wie der Großteil der Decke betonsichtig; die raumseitigen Oberflächen der Außenwände wurden hingegen gedämmt und bekleidet. –chi

Bautafel

Architektur: Sasaki Architecture, Tokio, mit Rieko Okumura, Ytro Design Institute, Tokio
Projektbeteiligte: Modelia /Escenario (Finanzierung); Tatsumi Terado Structural Studio (Tragwerksplanung); Magome Construction Company (Bauunternehmen); Lighting Sou (Lichtplanung); Shinko Stainless Polishing (Metallelemente)
Bauherr/in: Shukou Kensetsu
Standort: 5-6-7 Shirokane, Minato-ku, Tokio
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Takumi Ota Photography, Tokio

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