Wohn- und Geschäftshäuser in Stuttgart

Kalkstein, Glas und eine vielfach gestufte Dachlandschaft

Der Wettbewerbsentwurf, den das Büro Behnisch Architekten 2010 zur Neugestaltung des Stuttgarter Dorotheenquartiers vorgelegt hatte, sah zwei große Blöcke zwischen dem Karlsplatz im Norden und dem südlich angrenzenden Warenhaus Breuninger vor. Während aber das einstige Finanzministerium – ein eleganter Nachkriegsbau nach Plänen von Claudius Coulin und Karl Schwaderer – plangemäß abgebrochen wurde, fiel die Entscheidung, das frühere Hotel Silber zu erhalten. Das Gebäude, das in der Vergangenheit unter anderem die Gestapo-Zentrale für Württemberg und Hohenzollern beherbergte, wird mittlerweile als Gedenkstätte genutzt. In der Folge wurde eine umfangreiche Revision der Planungen erforderlich, sodass auf dem Areal schließlich drei Neubauten entstanden sind. Das neu erschaffene Ensemble bietet nicht nur Einkaufsgelegenheiten, Büroräume für gewerbliche Nutzung und öffentiche Verwaltung sowie Wohnungen, sondern trägt auch zu einer Neuordnung der östlichen Stuttgarter Innenstadt bei.

Formgebung und Materialität sollen sowohl den Zusammenhang des Ensembles unterstreichen als auch Bezug auf die Nachbarbauten nehmen.
Zur Dorotheenstraße sorgen die Positionierung der Baukörper wie auch deren Verkleidung aus Kalkstein für ein homogenes Erscheinungsbild.
Die Architektur der Stuttgarter Schule stand bei der Fassadengestaltung Pate.

Neue Nachbarn

So wurde im Norden des Grundstücks, vis-à-vis des Karlsplatzes, eine homogene Straßenfront geschaffen. Dazu wurde das westliche der drei Gebäude so positioniert, dass es der der Flucht der historischen Markthalle folgt; hingegen stoßen die Kolonnaden des mittleren Volumens noch weiter zur Dorotheenstraße vor und schließen bündig mit dem Hotel Silber ab, hinter dem, zurückgestaffelt, der dritte Baukörper liegt. Gekleidet sind die Bauten in diesem Bereich in einen Kalkstein, der, dem Farbton der Bestandsbauten entsprechend, bis zur Traufkante geführt wurde. Statt die unterschiedlichen Nutzungen in der Fassade exakt abzubilden, hüllt die steinerne Verkleidung die Ladenflächen auf den untersten Etagen ebenso wie die darüberliegenden Bürogeschosse. Diese wiederum setzen sich in die obersten verglasten Geschosse fort, unter deren Dach – von außen ebensowenig abzulesen – neunzehn Wohneinheiten zu finden sind.

Gehüllt in Kalkstein als Stuttgarter Tradition

Die Gestaltung der Fassaden bewirkt aber nicht allein den Schulterschluss mit den benachbarten Bauten, sondern sorgt auch für einen Zusammenhang zwischen den neuen Gebäuden, die nach dem Willen der Architekten als Mitglieder einer Familie in Erscheinung treten sollen. Zugleich kann die steinerne Gebäudehülle als Hommage an die lokale Tradition, namentlich die Stuttgarter Schule gelesen werden – die Gestalt der Stützen wie auch der Zuschnitt der Laibungen soll Bezug auf das konservativ-expressive Werk von Architekten wie Paul Bonatz oder Paul Schmitthener nehmen, die insbesondere in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im deutschen Südwesten wirkten. Schließlich führt das Planungsteam auch das nahegelegene Neue Schloss als Referenz an.

Gr0ßflächige Verglasung auf der anderen Seite

Ganz anders muten die Bauten auf der Südseite an: Beiderseits der Sporerstraße, die im Zuge des Eingriffs aufgeweitet wurde und nun mit Sporer- und Dorotheenplatz zwei Stadträume birgt, ist eine hochexklusive Einkaufsmeile entstanden – was umso erstaunlicher anmutet, als die Rückseite des Kaufhauses Breuninger zuvor vor allem der Warenanlieferung diente. Hier schließt an eine volfflächige, über zwei Geschosse reichende Verglasung der Ladengeschäfte eine Aluminiumfassade an, in der sich die Geometrien der Nordfassade aufgegriffen und in veränderter Weise fortgeführt finden.

Vielfach gestufte Dachlandschaft mit Öffnungen

Dadurch, dass sich die Geschosse oberhalb der Traufkante über alle Bauteile erstrecken, wird der gestalterische Zusammenhang noch unterstrichen – zumal die vielfach gestufte Dachlandschaft trotz der wechselnden Firsthöhen selbst äußerst homogen anmutet. Um auch von den umliegenden Hängen einen angenehmen Anblick zu bieten, sind sogar die haustechnischen Gerätschaften in die Gebäudehülle integriert worden. Nahezu nathlos verglast, sorgt eine achtzigprozentige Bedruckung für den erforderlichen Sonnenschutz. Anteil am homogenen Erscheinungsbild haben indessen auch die Senk-Klapp-Beschläge, die außergewöhnlich große Flügelmaße gestatten. Zugleich hält eine neuartige Kontrollschere den geöffneten Flügel bei seitlichem Wind stabil und macht eine natürliche Lüftung auch in den obersten Geschossen möglich. -ar

Bautafel

Architektur: Behnisch Architekten, Stuttgart/München/Los Angeles/Boston
Projektbeteiligte: Knippers Helbig, Stuttgart; Mayer-Vorfelder und Dinkelacker, Sindelfingen (Tragwerksplanung); PBI Entwicklung innovativer Fassaden, Wertingen (Fassadenplanung); Smoltczyk & Partner, Stuttgart (Bodengutachten); Bohne Ingenieure, Düsseldorf (Haustechnik- und Elektroplanung); Transsolar Energietechnik, Stuttgart (Energie- und Umwelttechnik); DSPlan, Stuttgart (Bauphysik); WSS, Heiligenhaus (Senk-Klapp-Beschläge); Bartenbach LichtLabor, Aldrans (Lichttechnik)
Bauherrschaft: EKZ Grundstücksverwaltung, Stuttgart
Fertigstellung: 2017
Standort: Dorotheenstraße, 70173 Stuttgart
Bildnachweis: David Matthiesen, Stuttgart

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