Wassersportzentrum in Berlin-Niederschöneweide

Rohling aus Sichtbeton und Polycarbonat

Sportvereine gelten gemeinhin nicht als besonders experimentierfreudig, wenn es um den Bau ihrer Vereinshäuser oder Trainingsstätten geht. Da mutet es beinahe revolutionär an, was sich der älteste Sportverein Berlins für seine Kanu- und Rudersportabteilung hat bauen lassen. Für ein neues Bootshaus in Niederschöneweide, einem Ortsteil des Stadtbezirks Treptow-Köpenick, wollte der TiB 1848 etwas komplett Neues – und das hat er mit dem Entwurf von Oliver Mang auch bekommen. Statt des für solche Zweckbauten üblichen Holzes wählte der Berliner Architekt Sichtbeton und Kunststoffplatten. Mit seinen teils schrägen, teils gerundeten Wänden wirkt das neue Wassersportzentrum dynamisch, eigenwillig und vor allem gänzlich anders als seine Nachbarn: kleinere Gewerbebauten und Sportvereinsheime aus DDR-Zeiten.

Treppendetail
Eine gestalterische Besonderheit ist die in Form eines Betonbandes ausgebildete Fluchttreppe vor der Ostfassade
Wie eine Kommandobrücke wölbt sich das Obergeschoss auf der Wasserseite nach außen

An einem idyllischen Abschnitt der Spree gelegen, ist der Neubau dem funktionalen Ablauf der Wassersportler entsprechend konzipiert. Zur Straße hin zeigt er sich mit einer Fassade aus Sichtbeton komplett geschlossen. Die seitlichen Längswände und der untere Bereich der zum Wasser ausgerichteten Nordfassade hingegen bestehen aus transluzenten Polycarbonat-Paneelen, durch die sowohl die bunten Boote als auch die Betonstützen der Tragkonstruktion durchschimmern. Im Obergeschoss sind darin öffenbare Aluminiumfenster eingelassen. An den schmalen Stirnseiten gehen die Betonflächen der Wände nahtlos und nach oben abgerundet ins flache Dach über. Eine gestalterische Besonderheit ist die Fluchttreppe, die in Form eines seitlich offenen Betonbandes vor der Ostfassade verläuft.

Auch die innere Gliederung des Wassersportzentrums ist auf die Trainingsabläufe der Sportler ausgelegt: So sollte unter anderem das mit 18 Metern längste Boot einfach zu handhaben sein – man wollte es auf keinen Fall um Ecken herumtragen müssen. Im Erdgeschoss befinden sich deshalb hauptsächlich die Bootshalle mit Werkstatt, außerdem der Hausanschlussraum, ein WC sowie der Eingangsbereich mit Treppe. Die Größe der Halle resultiert aus den notwendigen Liegeplätzen für die Kanuten und Ruderer: insgesamt finden 180 Boote darin Platz. Sie werden durch die wasserseitigen Hallentore über einen Sattelplatz und die Steganlage zu Wasser gelassen.

Im Obergeschoss sind die Klub- und Fitnessräume mit den dazugehörigen Umkleiden und Sanitärräumen, eine Sauna und Übernachtungsmöglichkeiten angeordnet. Zwei kleine Innenhöfe tragen zur besseren Belichtung und Belüftung des tiefen Gebäudes bei. Leichte Trennwände sorgen für Flexibilität: sie lassen sich bei Bedarf ohne großen Aufwand versetzen oder gleich ganz entfernen. Die Bruttogeschossfläche des Gebäudes beträgt 1.350 Quadratmeter, der Bruttorauminhalt 6.100 Kubikmeter.

Beton

Die Tragkonstruktion des kompakten Baukörpers besteht aus v-förmigen Betonstützen entlang der beiden Längsfassaden sowie aus zwei Reihen gerader Betonstützen, die innerhalb des Gebäudes ebenfalls in Längsrichtung verlaufen. Die Betonelemente der Gebäudehülle (Dach und Wände) sind einschalig ausgebildet und 30 Zentimeter stark. Robust und unempfindlich halten sie den hohen Beanspruchungen der Gebäudenutzer stand.

Sämtliche Sichtbetonteile sind aus Ortbeton der Sichtbetonklassen SB 2 und SB 3 ausgeführt, also mit eher normalen Anforderungen an ihr Aussehen, um das charakteristische Erscheinungsbild des Baustoffs zu unterstreichen und einen Kontrast zur glatten Polycarbonatfassade zu schaffen. Außerdem nimmt der Beton Bezug zu den Industriebauten der unmittelbaren Nachbarschaft.

Bautafel

Architekt: Oliver Mang Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: GSE Ingenieurgesellschaft, Berlin (Tragwerksplanung, thermische Bauphysik, Brandschutz); Ingenieurbüro Zander, Berlin (Haustechnik); Anes Bauausführungen, Berlin (erweiterte Rohbauarbeiten)
Bauherr: TiB - Turngemeinde in Berlin 1848 e.V.
Standort: Bruno-Bürgel-Weg 127 - 131, 12439 Berlin
Fertigstellung: 2012
Bildnachweis: Kai Bienert, Berlin

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Eigenschaften

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Glatte Betonoberflächen entstehen durch eine nicht saugende Schalhaut. Beispiel: Mercedes-Benz -Museum in Stuttgart von Ben van Berkel und Carolin Bos (UN Studio)

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Glatte Oberflächen

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Stahlbetonstützen des Wissenschaftsmuseums Príncipe Felipe in Valencia, Architekten: Santiago Calatrava

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