Waldcampus Hochschule Aalen

Fakultätsgebäude und Mensa beispielhaft digital geplant

Über mehrere Jahrzehnte hinweg entwickelte sich die Hochschule Aalen parallel an zwei Standorten, dem Burren und der Beethovenstraße, die zwar nur 500 m voneinander entfernt, aber stadträumlich durch ein Waldstück getrennt sind. Als Bindeglied entsteht inmitten des Baumbestands der neue Waldcampus Aalen, der die beiden Bereiche vervollständigt und räumlich miteinander verbindet. Entworfen wurde der Campus vom Architekturbüro Broghammer.Jana.Wohlleber.

Die Perspektiven wurde aus herstellerneutralen IFC-Daten erstellt. Der Vorteil hierbei: Bauherrschaft und zukünftige Nutzer können mithilfe von VR das Gebäude zu jeder Zeit virtuell begehen. Hier zu sehen ist der Flurbereich im 1. Obergeschoss.
Ausschnitt aus dem virtualisierten Koordinationsmodell mitsamt den Teilmodellen Tragwerk und TGA. Die Doppelbodenstützen wurden von den Architekten modelliert, um eine Kollisionsprüfung mit der TGA-Installation durchführen zu können.
Koordinationsmodell bei der Kollisionsprüfung. Auch hier sieht man die Teilmodelle Architektur, Tragwerk und TGA.

Das Amt Schwäbisch Gmünd des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg hat 2017 in seiner Rolle als Bauherrenvertreter des Landes für die Gestaltung des rund 1,45 Hektar großen Areals einen offenen Planungswettbewerb ausgelobt. Im ersten Realisierungsabschnitt sollte der Neubau der Fakultät Wirtschaftswissenschaften entstehen, im zweiten die zentrale Hochschulmensa. Ergänzend sollten Ideen für ein Studierendenwohnheim mit Kindertagesstätte entwickelt werden. Der erste Preis ging an das Architekturbüro Broghammer.Jana.Wohlleber, das zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Planstatt Senner aus Überlingen an dem Wettbewerb teilnahm. Wesentlicher Punkt für den Wettbewerbsgewinn war, dass der Fakultätsbau mit seinen sechs zur Straße sichtbaren Geschossen als markanter, städtebaulicher Hochpunkt an der tangierenden Straßenkreuzung fungiert und so dem neuen Waldcampus Eigenständigkeit und Präsenz innerhalb des gesamten Hochschulcampus verleiht.

Neues Ensemble als zentrales Bindeglied

Großes Augenmerk legten Bauherr und Architekten auf die starke freiräumliche Entwurfsqualität im Zusammenspiel mit der Umgebung: Um den schützenswerten Baumbestand zu erhalten, wurden die neuen Baukörper in das natürliche Umfeld eingebettet. Dabei bildet das Fakultätsgebäude den baulichen Auftakt des neuen Campus. Ein großzügiger, breiter Weg führt von der Straße, die das nördlich liegende Burrenareal mit dem Beethovenareal im Südosten verbindet, zu den Campus-Gebäuden. Er mündet in einen Vorplatz, von dem aus die Mensa und das Hauptgebäude erschlossen werden.

Der Entwurf spielt mit pointierten Sichtbeziehungen. Durch die großzügigen Fensterflächen der Mensa weitet sich der Blick über den Vorplatz zum angrenzenden Wald und verknüpft Natur und Innenraum. Von der Waldterrasse, die um ein Geschoss nach unten versetzt ist, werden die Cafeteria, die Hörsaalterrasse und die Studierendenwohnungen erreicht. Darüber hinaus soll die Terrasse, die sich abgetreppt in Richtung Wald öffnet, in Zukunft von Studierenden, Mitarbeitern und Besuchern vielseitig genutzt werden.

Holzhybridbau in exponierter Lage

Durch die Lage an dem baumbewachsenen Hang und das für die Baumassen verhältnismäßig kleine Grundstück, mussten kompakte Entwürfe für Mensa und Fakultätsgebäude entwickelt werden. Die Gebäude sind als Holzhybridbau geplant: Auf die Stützen und Unterzüge aus Holz werden Betonfertigteildecken aufgelegt. Daneben bestehen auch die zwei Treppenhäuser, der Aufzugsschacht, der gesamte Sanitärkern sowie das Unter- und Hanggeschoss aus Beton. Für die Fassade der sechs sichtbaren Ebenen ist eine Holz-Aluminiumkonstruktion vorgesehen: Nach außen wird die Metalloberfläche sichtbar, innen soll Holz als prägendes Element in Fassade und Innenausbau die natürliche Anmutung und Umgebung unterstreichen.

Tageslichtführung prägt den Entwurf

Durch die Hanglage des Hochschulcampus befinden sich die zwei unteren Geschosse des Institutsgebäudes zum Teil unter der Erde, weshalb sie als Betonkonstruktion ausgeführt werden. Neben den Büros für Professoren, Dozenten und Bereichsverwaltung, beinhaltet der Neubau Seminarräume für die Lehre. Um genügend Tageslicht in die Räumlichkeiten der sechs oberen Geschosse zu bringen, ist neben den Fensteröffnungen in der Fassade ein zentrales, durchgehendes Atrium geplant. Das erste Untergeschoss, das durch die Hangsituation zu einer Seite hin oberhalb der Erde liegt, kann es über Öffnungen in dieser Fassade belichtet werden. Damit das Licht möglichst tief in den Raum hineinreichen kann und eine offene und helle Atmosphäre entsteht, planen die Architekten in diesen Geschossen mit großzügigen Foyers und Erschließungsflächen und wenigen geschlossenen Wänden.

BIM-Einsatz ist Bauherrenwunsch

Die Relevanz der BIM-Implementierung für die öffentliche Hand wächst; bei immer mehr Bauaufgaben ist sie inzwischen explizit gefordert. Das Land Baden-Württemberg möchte beim Einsatz von BIM eine Vorreiterrolle einnehmen und hat zahlreiche Pilotprojekte initiiert. Bei der Realisierung des Waldcampus wollte der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg die BIM-Methode erstmals im Planungs- und Baualltag testen. Die Beteiligten waren sich von vornherein einig, dass diese Planungsmethode positive Effekte auf das Projekt hat – insbesondere für die Projektziele Kosten, Termine und Qualität. Darüber hinaus sollen die Erkenntnisse aus Planung und Realisierung für Folgeprojekte der öffentlichen Hand genutzt werden.

Umfassende Begleitung des BIM-Projekts

JSB Architekten aus Stuttgart sind beim Projekt Waldcampus Aalen mit der zentralen BIM-Beratung, dem BIM-Management und der BIM-Gesamtkoordination betraut. Eine der Hauptaufgaben für das Büro bestand darin, die Planungsbeteiligten an die für sie neuen BIM-Prozesse heranzuführen. Darüber hinaus sind sie im BIM-Prozess die Mittler zwischen Auftraggeber und Fachplaner.

Im ersten Schritt erarbeiteten sie gemeinsam mit dem Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg Handlungsempfehlungen, Anforderungen an die BIM-Planung und Projektziele. Mit diesem ausformulierten Projektrahmen ließen sich Faktoren wie die Qualifikation der Projektpartner oder die vom Auftraggeber vorgegebenen Standards dokumentieren. Es folgten verschiedene Workshops und Webinare mit den Planungspartnern, in denen diese Ergebnisse aufgearbeitet und gemeinsam die Schnittstellen zwischen den Fachplanungen, die Standards und technischen Schnittstellen fixiert und für den Planungsprozess optimiert wurden.

Zusammenarbeit im definierten Open BIM-Workflow

Im weiteren Projektverlauf entwickelte das BIM-Management die Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA), aus denen die BIM-Architekten und Planungspartner konkrete Anwendungsfälle definierten. Bereits im Vorfeld zeigte sich, dass jeder Fachplaner mit seiner individuellen Softwarelösung arbeitet. Somit war ein Open-BIM-Workflow zu entwickeln, der die Zusammenarbeit im heterogenen Programmumfeld ermöglicht. Grundlage hierfür sind der Austausch von Modellinformationen via IFC und die Kommunikation in den interdisziplinären Teams über BCF. Beide Schnittstellen und Austauschformate unterstützen das Qualitätsmanagement, das in jedem Open-BIM-Projekt elementar ist. Hinzu kam die Einbindung von Virtual Reality (VR) ins Projekt Waldcampus: Sowohl das Gesamtmodell als auch die Fachmodelle der Fachplanungspartner konnten in eine VR-Umgebung eingebettet werden. Dies ermöglichte es sowohl dem Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg, den Planern und der Hochschule Aalen, den Entwurf bereits in einer frühen Planungsphase zu optimieren und auch den zukünftigen Nutzern einen realistischen Einblick in ihr späteres Arbeitsumfeld zu geben – und zwar lange vor dem tatsächlichen Baubeginn.

Um die verschiedenen Fachplanungen einzubinden, war darüber hinaus eine umfassende BIM-Koordination nötig. Hierzu gehörte beispielsweise die gemeinsame Festlegung auf einen absoluten Nullpunkt im Planungsmodell. Was auf den ersten Blick banal klingt, ist wesentlich für die Qualität einer BIM-Planung: Nur dann lassen sich alle in das Gebäudemodell eingebundenen Fachplanungen im Zuge der Clash-Detection verlässlich und über den Gesamtprozess hinweg prüfen. Zentrales Austauschformat war hier IFC. So konnten alle Planungspartner weiterhin ihre gewohnte Planungssoftware verwenden; gleichzeitig konnte die Bauherrschaft parallel Wünsche und Änderungen einbringen. -tw

Bautafel

Architektur: Broghammer.Jana.Wohlleber Architekten, Zimmern ob Rottweil
BIM-Gesamtkoordination und -Management:
JSB Architekten, Stuttgart
Projektbeteiligte:
Planstatt Senner, Überlingen (Freianlagenplanung); Merz, Kley und Partner, Dornbirn (Tragwerksplanung); Klett Ingenieur, Fellbach (Fachplanung HKLS); Röwaplan, Abtsgmünd (Elektroplanung); EGS-plan, Stuttgart (Technisches Monitoring TGA); RP von Rekowski u. Partner, Weinheim (Bauphysik); bauart, Lauterbach (Brandschutz); Stadtvermessungsamt Aalen (Vermessung); BFI Zeiser, Ellwangen (Baugrund); Bauordnungsamt, Feuerwehr, Stadtwerke Aalen, Tiefbauamt, (eingebundene Behörden Stadt Aalen); Landratsamt Ostalbkreis, Aalen (Umwelt- und Gewerbeaufsicht)
Bauherrschaft:
Land Baden-Württemberg, vertreten durch Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Schwäbisch Gmünd (Mensa und Institutsgebäude); Jugendwerk Aalen (KiTa und Studentisches Wohnen)
Fertigstellung:
geplant für Herbst 2022
Standort:
Rombacher Strasse, 73430 Aalen
Bildnachweis: JSB Architekten, Stuttgart; Broghammer.Jana.Wohlleber, Zimmern o. R.

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