Vorarlberg Museum in Bregenz

Betonblüten aus Plastikflaschenböden

Mit dem Ziel, die Verschleppung und Vernichtung von Kulturgut zu verhindern, gründete sich 1857 das Landesmuseum Vorarlberg in Bregenz. Knapp fünfzig Jahre später bezog es einen von Georg Baumeister errichteten Prunkbau am Kornmarktplatz zwischen Innenstadt und Bodensee, wo es auch heute noch seinen Sitz hat. Ab Mitte der 1950er Jahren erfuhr der Bau einige Umbauten, bei denen die historische Fassade entfernt und das Gebäude um ein zusätzliches Geschoss erhöht wurden; die Dachkuppel ersetzte man durch ein kantiges Mansardendach. Danach fiel das Museum lange Zeit in einen Dornröschenschlaf, bis man sich 2007 für eine architektonische Erneuerung und Erweiterung entschied. Deren Planung erfolgte durch das Büro Cukrowicz Nachbaur Architekten, die den zuvor ausgelobten Wettbewerb gewonnen hatten. Mit seiner Wiedereröffnung als Vorarlberg Museum bildet es heute den westlichen Abschluss der Bregenzer Kulturmeile mit Festpielhaus, Landestheater und Kunsthaus entlang der Uferpromenade.

Die doppelgeschossige Aufstockung und der fünfgeschossige Neubau sorgen für eine deutliche Vergrößerung der Ausstellungsfläche
Vom Bodensee aus ist der schlichte Aufbau mit doppelgeschossiger Aufstockung und großem Panoramafenster sichtbar
Das Vorarlberg Museum bildet den westlichen Abschluss der Bregenzer Kulturmeile entlang der Uferpromenade

Im Zuge der Baumaßnahmen erhielt der denkmalgeschützte Altbau eine schlichte, doppelgeschossige Aufstockung und eine fünfgeschossige, quaderförmige Erweiterung. Die zwei zusätzlich aufgesetzten Geschosse sollten sich möglichst unauffällig in den Bestand einfügen. In ihrer Fassade aus weiß lasiertem Beton befindet sich als einzige Öffnung ein großes, fünfgeteiltes Panoramafenster, das den Blick auf den im Norden gelegenen Bodensee freigibt. Auf der gegenüberliegenden Seite schließt der im Grundriss 16,80 x 36,60 Meter messende Erweiterungsbau an den Bestand an. Dessen leicht asymmetrische U-Form lässt auf der Westseite einen Knick im Gebäudeblock entstehen, der die Trennung zwischen Alt und Neu betont. Im Vergleich zur eher zurückhaltend gestalteten Seeseite ist die Neubaufassade zur Innenstadt hin weitaus aufwendiger und dekorativer gestaltet. Von einem Meer champagnerkreideweißer Betonblüten überzogen, ist sie das eigentliche Kunstwerk des Museums. Die aus Plastikflaschenböden geformten Blüten verleihen der nahtlos gegossenen Gebäudehülle eine lebhaft dynamische Struktur, die von fünf großen, unregelmäßig angeordneten Fenstern noch unterstrichen wird.

Der Haupteingang befindet sich im Neubauteil auf der Südseite des Museums, von außen erkennbar an dem auskragenden Vordach. Er geht direkt über in eine raumhohe Übereck-Verglasung, die einen Großteil der Erdgeschossfassade einnimmt. Innen ist alles offen gestaltet. Hinter dem Eingang liegen links die Garderoben, rechts die Kassen; Foyer und Café sind im südlichen Teil des Neubaus angeordnet. Mittig geht es weiter ins 24 Meter hohe Atrium, das im Blockinneren zwischen Altbau und Erweiterung entstanden ist. Um das Atrium herum legen sich sämtliche Funktionsbereiche nebst Erschließung. Im ersten Obergeschoss befinden sich zwei Veranstaltungsräume, die flexibel den Ausstellungsflächen zugeschaltet werden können. Im Norden, also im Altbau, erstrecken sich über die ersten zwei Etagen Verwaltungsräume. Ihre Erschließung erfolgt über den Bestandseingang im Norden. Die oberen drei Geschosse sind der Ausstellung vorbehalten.

Die Perfektion der Fassade setzt sich ohne Qualitätsverlust in den Innenräumen fort. Die Besucher bewegen sich auf Böden aus sägerauer Eiche und Bitumenterrazzo mit Steineinschlüssen des Bodenseeraums. Die den Lichthof umschließenden Wände sind mit Dreilagenputz aus Lehm bedeckt, ein Veranstaltungsraum im vierten Obergeschoss ist komplett mit massiver Räuchereiche verkleidet. Auf dieser Etage erwartet die Besucher ein weiteres Highlight: Am Ende ihres Rundgangs gelangen sie in einen geradezu sakral wirkenden, vom Wiener Künstler Florian Pumhösl mit schwarzem Filz ausgekleideten Panoramasaal, dessen 14 Meter breite Glasfront den Bodensee zum Exponat werden lässt.

Beton
Das beeindruckende Fassadenrelief mit den ein wenig an gotische Rosetten erinnernden Betonblüten entstand nach einem Konzept, das der Bozener Künstler Manfred Alois Mayr in enger Zusammenarbeit mit den Architekten Andreas Cukrowicz und Anton Nachbaur entwickelte. Es besteht aus 16.656 Einzelblüten, die bis zu 45 Millimeter aus der fugenlosen Sichtbetonfläche von rund 1.300 Quadratmetern herauswachsen. Dank des exakten Verteilschemas von Geometrie-Ingenieur Urs B. Roth kommt es nicht zu sich wiederholenden Mustern. Die Blüten selbst bestehen aus Abdrücken von Böden handelsüblicher PET-Flaschen. Bei der Entscheidung für deren Verwendung ließen sich die Planer von Tongefäßen aus der Museumssammlung inspirieren, die von den Römern in Massenproduktion hergestellt wurden und sich damit von der heutigen Massenware aus Kunststoff nur wenig unterscheiden.

Für das wie zufällig wirkende Streumuster entwickelte Roth anhand eines Punktegitters eine Grundordnung für die Lage der insgesamt 13 verschiedenen Flaschenbodenmotive, die auf den Bausteinen des Domino-Brettspiels basiert. Anhand dieser Ordnung wurden dann die Schalungsmatrizen hergestellt. Um die gesamte Fassade mit dem unregelmäßigen Muster zu gestalten, waren pro Geschoss nur drei miteinander kombinierbare Hauptmatrizen sowie die für Ecken und Fensterlaibungen notwendigen Zusatzmatrizen anzufertigen. Wegen der starken Erhebungen der Flaschenbödenabdrücke aus der Fassade fiel die übliche Vorgehensweise jedoch von vornherein aus. Statt wie sonst die Negativabdrücke der Matrizen mit der CNC-Maschine aus MDF-Platten zu fräsen, bevor sie mit Elastomeren gegossen werden, stellte man Positivabdrücke durch Ausgießen der abgeschnittenen Böden ausgewählter PET-Flaschen her, die anschließend auf einer MDF-Platte montiert wurde.

Die nächste Herausforderung bestand darin, die vorgehängte Fassade fugenlos zu erstellen, weshalb eine Fertigteilbauweise ausschied. So mussten die 17 cm starke Betonscheibe mit den ausgestülpten Blüten vor Ort und stehend vor 25 cm Wärmedämmung und 30 cm Stahlbetonwänden gegossen werden. Verwendet wurde ein selbstverdichtender Beton mit einer extrem hohen Viskosität und einem maximierten Anteil an weißen Pigmenten, um der Farbgebung des Gesamtkomplexes entsprechen zu können. Dieser wurde blasenfrei und mit größter Vorsicht in die hochdruckfesten und perfekt dichten Schalungen gefüllt, die dem enormen Innendruck in den sechs Meter hohen Schalungselementen standhalten mussten.

Trotz aller aufwendigen Arbeiten und qualitativ hochwertigen Ausstattung sind die Architekten mit Baukosten von 34 Millionen Euro unter den Budget von 35,2 Millionen Euro geblieben.

Bautafel

Architekten: Cukrowicz Nachbaur Architekten, Bregenz
Projektbeteiligte: Manfred Alois Mayr, Bozen (Kunstkonzept Fassade); Urs Roth - Atelier für Konkrete Kunst, Zürich (Geometrie-Ingenieur, Fassade); Kuß Fassadentechnik, Schwarzach (Fassadenplanung); Reckli, Herne (Schalungsmatrizen); Arbeitsgemeinschaft Landesmuseum Bregenz: Schertler-Alge, Lauterach, Hilti & Jehle, Feldkirch, Rhomberg Bau, Bregenz und Jäger Bau, Schruns (Ausführung Fassade); Express Beton, Lauterach (Beton); Holcim, Wien (Zement)
Bauherr: Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abteilung Hochbau und Gebäudewirtschaft VIIc, Bregenz
Standort: Kornmarktplatz 1, 6900 Bregenz
Fertigstellung: 2013
Bildnachweis: Adolf Bereuter, Lauterach und Hanspeter Schiess, Trogen

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