Urban Mining

Wiederverwendung von Bauelementen im Bauwesen

Der Begriff Urban Mining wurde in den 1980er-Jahren von dem Japaner Hideo Nanjyo geprägt. Als Professor für Mineralogie und Metallurgie an der Tohoku Universität in Sendai hatte er erkannt, dass besorgniserregend große Mengen an wertvollen Metallen, darunter Gold, Tantal, Palladium und Kobalt, als Abfall aus Elektronikschrott verloren gingen, und zwar beim sogenannten E-Waste aus ausrangierten Computern, Telefonen, Radios, aber auch Waschmaschinen und Kühlschränken.

Statt Abriss: Urban Mining bezeichnet das Konzept, eine Stadt in Analogie an ein Bergwerk als eine Fundgrube von wertvollen und wiederverwertbaren Materialien zu betrachten,
Diese Großbaustelle im Märkischen Viertel, Berlin-Reinickendorf, weckt Assoziationen an einen Tagebau mitten in einem urbanen Umfeld. Das ehemalige Einkaufszentrum "Märkisches Zentrum" wird nachhaltig neugestaltet unter Einbeziehung zeitgemässer Nutzungen wie u.a. Kita-Plätzen und betreutem Wohnen. Der Prozess der Revitalisierung umfasst auch Asbestsanierungen und Rückbau von Bestandsbauten.
Eine Tür mit Beschlag auf dem Sperrmüll. Doch zuvor konnten wiederverwertbare Teile wie hier der Drücker als Urban Mining gerettet werden.

Das Konzept: Fundgrube für Materialien

Urban Mining bezeichnet das Konzept, eine Stadt in Analogie an ein Bergwerk als eine Fundgrube von wertvollen und wiederverwertbaren Materialien zu betrachten, also als eine Art städtisches Material-Bergwerk. In diesem Zusammenhang sind auch Begriffe wie upcycling, re-use oder das Motto des deutschen Pavillons auf der Architektur-Biennale in Venedig 2012 mit „Reduce Reuse Recycle – Ressource Architektur" entstanden. Urban Mining geht jedoch über konventionelles Recyceln und Altbausanierung hinaus. Nicht nur Materialien, sondern auch zusammenhängende größere Bauteile und transportable Bauelemente werden als abbaubarer, jedoch ohne Transformationsprozesse nutzbarer Rohstoff betrachtet, also insbesondere Fenster, Türen, Tore, Vordächer, Glasfelder und -anbauten, Fensterbänke, Laibungen, Stürze, Beschläge, Sonnen- und Blendschutz-Vorrichtungen, Vorhänge, Fensterläden, Rollos, Rolläden, Gitter, High-Tech-Textilien wie Mesh, Verkleidungen aller Art innen wie außen.

Second Hand

Second Hand wird schon lange praktiziert bei Kleidung, z. B. First-Class-Designer-Stücken, bei Möbeln im Antiquitätenhandel, auf Online-Plattformen für gebrauchte Konsumgüter oder bei Gebraucht-PKWs, nun auf die Weiternutzung von Bauelementen übertragen – im Sinne von reparieren, verbessern als Ertüchtigung, umnutzen, zwischennutzen, anpassen, ergänzen und auch weiterbearbeiten.

Ein Thema ist dabei in der aktuellen Forschung das wissenschaftliche, fachgerechte wie effiziente Erkennen der Ressourcen und die Logistik. Die in Frage kommenden Bauelemente müssen zunächst vor der drohenden Verschrottung erkannt und systematisch erfasst werden. Der Ausbau muss dann schonend und ohne zusätzliche sprich vermeidbare Schäden behutsam erfolgen.

Qualifiziertes Entfernen von Gift- und Schadstoffen

Der Prozess des Weiternutzens beinhaltet auch das qualifizierte Entfernen von Gift- und Schadstoffen. Diese Problematik betrifft insbesondere Dämmstoffe wie künstliche Mineralfasern oder mit HBCD, Abdichtungen mit PCB-Anteilen, Beschichtungen, Bedampfungen und Imprägnierungen mit als kritisch beurteilten Chemikalien. Einige dieser Stoffe sind seit dem Stockholmer Übereinkommen von 2001/2004 als krebserregend eingestuft und inzwischen als persistente organische Schadstoffe verboten. Derartiger Schutz geht über Architektur und Bauwesen hinaus und betrifft grundsätzliche Fragen der Gesundheit als Verbraucherschutz.

Sammeln, sortieren, katalogisieren, lagern

Die Elemente müssen gesammelt, sortiert, katalogisiert und auch entsprechend als Potential kommuniziert werden, sowie natürlich auch fachgerecht gelagert werden. Gerade bei Fenstern und Türen bieten sich hier Bauteilbörsen an, Händler historischer Bauelemente von Antiquitäten bis zu Brocante und Vintage sowie spezialisierte Recyclinghöfe.

Gezielte Wiederverwendung in der Baugeschichte

Der Gedanke, dass Gebäude keine Wegwerfartikel mit begrenzter Lebenszeit sind, ist nicht neu. Die gezielte Wiederverwendung einzelner Elemente aus älteren Bauten findet sich mehrfach in der Baugeschichte, beispielsweise in Form von Spolien, also dem zitathaften Einbau authentischer Teile älterer Gebäude. Bei den Spolien wurden einzelne repräsentative Steine aus Architraven, Reste von Supraporten oder Säulenstümpfe bevorzugt. Auch Ruinen größerer Bauten wurden bisweilen als regelrechte Steinbrüche genutzt, so z. B. das Kolosseum und das Forum Romanum in Rom.

Die Vorstellung, eine Stadt als eine große Collage aufzufassen, bei der die vorhandenen Teile die Grundlage für die kontinuierliche Weiterentwicklung mit neuen Teilen sind, wurde bereits 1978 von Colin Rowe und Fred Koetter, zwei britisch-amerikanischen Architektur-Professoren, in ihrem Buch Collage City (s. Surftipps) zur Diskussion gestellt, das Generationen von Architekten und Stadtplanern beeinflußte. -sj

Prof. Susanne Junker, Beuth Hochschule für Technik Berlin

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Das Vorbildprojekt Building D(emountable) ist ein vollständig zerlegbares Bürogebäude, inmitten eines historischen Gebäudekomplexes im Zentrum der niederländischen Stadt Delft.

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