Upcycle Studios in Kopenhagen

Bauen aus wiederverwendeten Materialien

Rund die Hälfte der gesamten CO2-Emissionen eines Gebäudes fallen während des Bauprozesses und der Herstellung der Materialien an. Während bei der Energieeffizienz von Gebäuden ein großer Fortschritt zu verzeichnen ist, sind die Emissionen beim Bauprozess etwa gleich geblieben. Das dänische Architekturbüro Lendager nimmt hier eine Vorreiterrolle ein, indem es sich auf die Wiederverwendung von Baumaterialien und deren Upcycling spezialisiert hat. Durch den Einsatz umfunktionierter Materialien und solchen aus Abbruch arbeiten sie CO2-arm und ressourcenschonend. Auf diese Weise entstand die Reihenhausanlage Upcycle Studios in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen.

Die Wohnhäuser sind aus wiederverwendeten Materialien gebaut.
Die Wände wurden aus Betonresten vom Bau der Kopenhagener U-Bahn hergestellt.
Mit dem Verschnittholz eines Bodenherstellers haben die Architekten die Innenräume und die Fassaden gestaltet.

Abgewinkelter Grundriss, versetzte Eingänge
Die Reihenhäuser nehmen ein langes und schmales Grundstück im trendigen Ørestad Süd ein, zwischen dreigeschossigen Stadthäusern zur einen und kommerziellen Bauten mit bis zu elf Geschossen zur anderen Seite. Die einzelnen Studios weisen keine klare Vorder- und Rückseite auf, sie öffnen sich zu den Straßen auf beiden Seiten. Die zweieinhalbgeschossigen Einheiten haben Flachdächer und eine Dachterrasse. Die Grundrisse sind zur Straße abgewinkelt, die Hauseingänge untereinander versetzt und durch eine Betonwand separiert.

Untermiete, Werkstatt, Büro? Kein Problem!
Neben der Kreislaufwirtschaft, die das Büro mit den Baumaterialien verfolgt, bietet es den Mieterinnen und Mietern der Upcycle Studios ein Leben im Sinne der Sharing Economy an. Die 20 Reihenhäuser bestehen nicht nur aus privaten Wohnbereichen, es gibt auch Räume, die zusätzlich gemietet oder geteilt werden können. Die Flexibilität kommt den verschiedenen Phasen des Lebens entgegen: Nach Bedarf lässt sich ein Raum fürs Homeoffice anmieten oder eine Werkstatt einrichten. Größere Familien können ihren Wohnraum erweitern oder teilen. Eltern von erwachsenen Kindern können ihr Haus in zwei Apartments teilen und eines davon weitervermieten. Ein Konzept, das insbesondere nach Corona zeitgemäß und sinnvoll erscheint.

Betonreste vom U-Bahn-Bau
Die verantwortlichen Planerinnen und Planer der Lendager Group entschieden sich, die ressourcenintensivsten Bauteile aus zweitverwendeten Materialien zu gestalten – das Tragwerk, die Verkleidung und die Verglasung. Tragwerk und Gebäudehülle bestehen aus 1.400 Tonnen Beton, aufbereitet aus qualitativ hochwertigen Betonresten der Kopenhagener U-Bahn. Für die Produktentwicklung wurde die Tochtergesellschaft Lendager UP gegründet, die auch für die Materiallieferungen sorgt. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit einem Hersteller von Bodenbelägen, der Verarbeitungsabfälle und überschüssiges Material abgibt, anstatt es – wie üblich – zu verbrennen. Die Reste des Holzverarbeiters finden in Fußböden, Wänden und Fassaden Verwendung. Auch drei Viertel der Fenster sind wiederverwendete Produkte. Sie stammen aus leerstehenden Gebäuden in Nordjütland und bilden heute die Patchwork-Fassade der Häuser in Kopenhagen. Um trotzdem die nötige Wärmedämmung zu erreichen, sind die Rahmen mit recycelten Doppelverglasungen ausgestattet. Bis zu 95 Prozent der üblichen CO2-Emissionen der Fensterherstellung ließen sich so einsparen.

Herangehensweise mit Zukunft
Dass Upcycling nicht nur eine schöne Idee, sondern auch markttauglich und vor allem klimafreundlich ist – das wollen die Architekten mit den Upcycle Studios beweisen. Sie sollen zeigen, dass diese Art des Entwerfens übertragbar ist und sich auch im großen Maßstab umsetzen lässt. Selbstverständlich spielen die Kosten und die Umsetzbarkeit eine wichtige Rolle, um solche Projekte wirtschaftlich attraktiv zu machen. Mit der Wiederverwertung geht zugleich eine neue Ästhetik einher, denn das Gebäude hat von Beginn an eine Geschichte und speziellen Charakter. -sh

Bautafel

Architektur: Lendager Group, Kopenhagen
Projektbeteiligte: AG Gruppen, Kopenhagen S (Bauleitung); MOE, Søborg (Tragwerk); Lendager UP, Nordhavn (Materiallieferant); Dinesen, Kopenhagen (Materialreste); Bogl, Kopenhagen (Landschaftsplanung)
Bauherrschaft: NREP, Nordhavn und AG Gruppen, Kopenhagen S
Fertigstellung: 2018
Standort: Robert Jacobsens Vej, 2300 Kopenhagen, Dänemark
Bildnachweis: Rasmus Hjortshøj – COAST Studio, Kopenhagen

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