Universitätsbibliothek Edgar Morin in Villetaneuse

Perforierte Lamellen aus poliertem Edelstahl

Infolge der Studentenunruhen von 1968 erfuhr die Universität Paris eine Einteilung in dreizehn unabhängige, staatlich finanzierte Universitäten, die zum Teil weit über das Stadtgebiet hinaus verstreut liegen. Nummer 13 ist die Universität Paris-Nord mit rund 24.000 Studierenden, deren Fachgebiete auf fünf Campusse verteilt sind. Zentral ist der Campus Villetaneuse nördlich von Saint-Denis mit den Geistes- und Wirtschaftswissenschaften. Die hier bestehende Universitätsbibliothek wurde nach Plänen von Ropa & Associés Architekten auf mehr als doppelte Größe erweitert. Neben einer deutlichen Verbesserung der Lern- und Lektürebedingungen soll die neu benannte Bibliothèque Universitaire Edgar Morin – deren namensgebender Philosoph zur offiziellen Eröffnungsfeier im Frühjahr 2018 persönlich anwesend war – auch das Image der Hochschule aufpolieren. Mit monumentalen Lettern, die gen Osten weisen, präsentiert sich der Neubau selbstbewusst an einem Verkehrsknotenpunkt. Die in der Höhe ansteigende, elegant geschwungene Fassade mit vertikalen Lamellen aus Edelstahl reflektiert das Sonnenlicht und zieht die Blicke auf sich.  

Die in der Höhe ansteigende, elegant geschwungene Fassade mit vertikalen Lamellen aus Edelstahl reflektiert das Sonnenlicht und zieht die Blicke auf sich
Die Gebäudehöhe steigt um mehr als ein Vollgeschoss an, bis sich das flache, um etwa zehn Meter auskragende Obergeschoss dem westlichen Campus zuwendet
Die Lamellen aus poliertem Edelstahl sind in regelmäßigen Abständen vor die Pfosten-Riegel-Fassade montiert; ihr Stellungswinkel lässt sich je nach Tageszeit verändern

An den winkelförmigen Bestand schließt die bandartig gewundene Erweiterung im Norden und Osten so an, dass ein begrünter Innenhof entsteht. Die Gebäudetiefe variiert: Im Anschluss an den Altbau eröffnen sich weite Lesesäle, dazwischen jedoch knickt das Volumen gegenüber dem Verlauf der Straßenbahn ein und verschmälert sich deutlich. Die Gebäudehöhe steigt von zunächst drei Etagen im Osten um mehr als ein Vollgeschoss an, bis sich das flache, um etwa zehn Meter auskragende Obergeschoss mit einer großen Verglasung dem westlichen Campus zuwendet. Die Besucher genießen von dort beste Aussicht über das Universitätsgelände. Insgesamt beherbergt der Neubau knapp 6.500 Quadratmeter Geschossfläche. Der Innenraum ist geprägt durch viel Weiß; farbige Akzente setzen Bücherregale und Mobiliar. Lufträume und Galerien eröffnen Blickbezüge zwischen den Lese- und Arbeitsplätzen, die überwiegend entlang der Fenster an den Außenseiten angeordnet sind. Die Treppen sind offen in einem Luftraum bzw. Atrium platziert oder entlang der Hofseiten, wo auch die Nebenräume liegen.

Der Campus Université Paris XIII Villetaneuse wurde in den 1960er-Jahren auf freiem Feld entworfen und ist mittlerweile dicht umbaut. Die eher introvertierte Konzeption der 1960er-Jahre ließ ein organisches Zusammenwachsen von Stadt und Campus nicht zu. Diesem Missverhältnis sollten die Planer mit ihrem Entwurf entgegenwirken. Trotz der Randlage verfügt die Bibliothek jedoch nicht über stadtseitige Zugänge und bleibt weiterhin nur über das Bestandsgebäude und den Campus begehbar. Die Fassade zum neu angelegten Platz François Mitterrand bleibt physisch verschlossen; unbebaute, angrenzende Grünflächen sind gar durch Zäune vom Stadtraum getrennt. Die Öffnung vollzieht sich ausschließlich visuell – anhand überdimensionierter Versalien aus Beton in der Sockelzone, die von der Funktion des Gebäudes künden. Und eine überwiegend verglaste Fassade, die das Innenleben jedenfalls in der Dämmerung äußerlich wahrnehmbar macht als eine Art Campus-Schaufenster im öffentlichen Raum.

Sonnenschutz

Der silbermetallisch glänzende Sonnenschutz entlang der zur Stadt gerichteten Fassade hat Signalwirkung. Die geschosshohen, perforierten Lamellen aus poliertem Edelstahl sind in regelmäßigen Abständen vor die großen Verglasungen der Pfosten-Riegel-Fassade montiert. Ihr Stellungswinkel lässt sich je nach Tageszeit verändern. Sie mindern den Sonneneintrag und erzeugen im Inneren ein Wechselspiel aus Licht und Schatten. Der in der Höhe ansteigende Baukörper erhält durch die strenge Ordnung der Elemente eine skulpturale Wirkung, die schwungvolle Biegung der Fassade wird durch die dichte Reihung betont. Vor den regelmäßig innerhalb der Fassade platzierten Notausstiegen wurde je eine Lamelle ausgespart, flankierende Lamellen bleiben stets im rechten Winkel zur Fassade. Vor dem Erdgeschoss hingegen zeigt sich der Sonnenschutz annähernd geschlossen und evoziert einen massiven Stahlsockel.

Bautafel

Architekten: Ropa & Associés Architectes, Montreuil
Projektbeteiligte:
Laurent Blondel (Projektmanagement); Françoise Sogno (Projektmanagement Inneneinrichtung); Saerp, Pantin (Tiefbau); Mizrahi, Garches (Bauökonomie); Tribu Énergie, Paris (Technische Beratung)
Bauherr:
Region Île-de-France
Fertigstellung:
2017
Standort:
99 avenue Jean-Baptiste Clément, Rue de l'Université, 93430 Villetaneuse, Frankreich
Bildnachweis: Luc Boegly, Paris

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