UN-Verwaltungsgebäude in Genf

Gebäudekühlung durch Tiefenwasser

Seit die Vereinten Nationen im Jahr 1966 ihren europäischen Hauptsitz am Place des Nations in Genf bezogen haben, sind in unmittelbarer Nähe Bauten für verschiedene UN-Institutionen entstanden. Eines ist das 1978 errichtete Hauptgebäude der Weltorganisation zum Schutz des geistigen Eigentums (englisch: WIPO = World Intellectual Property Organization) nach Plänen des Schweizer Architekten Pierre Braillard. 2011 erhielt das 14-geschossige, konkav geschwungene Hochhaus mit der blauen Spiegelglas-Fassade einen quaderförmigen Erweiterungsbau, der von Behnisch Architekten entworfen wurde.

Vorne ist der Neubau zu sehen, dahinter das Bestandsgebäude aus den 1970er Jahren
Im Inneren bestimmen helle Farben die Atmosphäre
Drei überdachte Innenhöfe gliedern den Baukörper

Der sechsgeschossige Neubau befindet sich im Nordwesten des Hochhauses und besitzt wie dieses vier Untergeschosse. Über einen Verbindungsgang im ersten Untergeschoss sind Alt- und Neubau miteinander verbunden. In den darunterliegenden Geschossen ist eine große Tiefgarage untergebracht, die von den Mitarbeitern beider Gebäude genutzt wird. Der Erweiterungsbau bietet auf einer Fläche von 47.000 m² Platz für insgesamt 500 Mitarbeiter und ein großes Restaurant. Strukturell gliedert sich der Baukörper um drei gebäudehohe überdachte Innenhöfe, die der Belichtung und Klimatisierung dienen.

Der Haupteingang ist auf der dem Hochhaus zugewandten Schmalseite im Südosten des Gebäudes angeordnet, wo durch das Zurückversetzen des Erdgeschosses ein geschützter Außenbereich entstand. Im Inneren bildet ein lichtdurchflutetes, gläsernes Entrée – der erste Innenhof – den Empfangsbereich mit hellem Terrazzoboden, zwei Bäumen und einem flachen Wasserbecken. Von hier gelangt man über eine seitliche Empore in die Bibliothek mit angeschlossener Lesezone. Seitlich befindet sich das Mitarbeiterrestaurant mit 300 Plätzen, dahinter ein zweiter Innenhof, der für Ausstellungen genutzt wird. Der dritte Hof ist um ein Geschoss versetzt nach oben angeordnet (siehe Schnitt, Bild 12). Er ist zu allen Seiten geschlossen und mit einem mosaikartigen Bodenbelag in verschiedenen Grün-, Gelb- und Violetttönen ausgestattet. Um die Innenhöfe liegen in den oberen fünf Geschossen die Büros.

Die Innenhöfe sind mit Glas überdacht; ihre Fassaden unterschiedlich ausgeführt: Sie bestehen entweder aus Glas mit Holzrahmen oder sind mit Schlagmetall-Platten verkleidet, die in ihrer Farbgebung leicht changieren. Andere sind mit Laubengängen versehen, die zur internen Erschließung der Büroetagen über verschiedene Treppen miteinander verbunden sind. In diesem Bereich sind die gläsernen Flurwände mit einem floralen Dekordruck versehen, gläserne Brüstungen verstärken die Transparenz. So können die dahinterliegenden, mit versetzbaren Trennwänden ausgestatteten Büroräume zweiseitig natürlich belichtet werden. Hier und da durchbrechen zweigeschossige Volumen die Büroetagen. Sie sind begrünt ausgeführt und dienen den Angestellten mit vielen Sitzgelegenheiten als gemeinschaftlicher Aufenthaltsort in den Pausen.

Die Gebäudehülle wurde gestalterisch dem historischen, bläulich schimmernden Bestandsbau aus den 1970er Jahren angepasst. Ein strenges, vertikales Raster aus gefärbten Metallbändern gliedert die Fassade. Diese sind Bezug nehmend zur Flagge der Vereinten Nationen in zehn verschiedenen Blaunuancen ausgeführt und verleihen dem Baukörper eine gewisse Dynamik. Dort, wo im Inneren die zweigeschossigen, begrünten Bereiche angeordnet sind, wird das Raster durch Loggien gebrochen.

Gebäudetechnik
Aus Sicherheitsgründen dürfen die Fenster des Erweiterungsbaus nicht geöffnet werden. Deshalb ist gerade in den Sommermonaten eine ständige Klimatisierung der Büroräume notwendig, um einer Überhitzung entgegenzuwirken. Für das Ableiten der warmen Luft machten sich die Planer den Kamineffekt zunutze: Die warme, verbrauchte Luft steigt in den drei Innenhöfen nach oben und entweicht über Öffnungen in den gläsernen Dächern.

Die Gebäudekühlung erfolgt über das Tiefenwasser des nahegelegenen Genfer Sees. Hierbei wird das hydrothermische Leitungsnetz der Stadt Genf genutzt: Eine unterirdische Station pumpt stündlich rund 700 m³ Seewasser mit einer Temperatur von 8°C in die Geschossdecken des Neubaus. Das kühle Wasser zirkuliert in den Decken und entzieht der Raumtemperatur thermische Energie, wodurch sich die Lufttemperatur in den einzelnen Büroetagen abkühlt. Anschließend wird das auf 13°C erwärmte Wasser wieder zurück in den Genfer See geleitet, wo es sich mit der Zeit wieder abgekühlt.

Licht lenkende Sonnenschutzlamellen auf den Glasdächern der Hallen sorgen einerseits für eine gleichmäßige Verteilung des einfallenden Lichts, zum anderen verhindern sie eine zu starke Erhitzung. Die Büros lassen sich über textile Rollos individuell verschatten. Auf diese Weise werden unerwünschte Effekte wie Blendung und Überhitzung ausgeschlossen bzw. gemindert.

Bautafel

Architekten: Behnisch Architekten, Stuttgart
Projektbeteiligte: Schlaich, Bergermann und Partner, Stuttgart (Tragwerksplanung); Emmer Pfenniger, Münchenstein (Fassade); Transsolar, Stuttgart und Sorane SA, Ecublens (Energietechnik); Werner Isolation, Genf (Haustechnik)
Bauherr: Organisation mondiale de la proprieté interlectuelle OMPI, Genf
Standort: Chemin des Colombettes 34, Genf
Fertigstellung: 2011
Bildnachweis: David Matthiessen, Stuttgart und Stephen Mettler, Stuttgart

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