Umnutzung eines Büroriegels zum Wohnhaus in Brüssel

Bleibendes Betontragwerk

500 Lastkraftwagen wären erforderlich, um den Bauschutt des zwölf Geschosse aufragenden Hochhauses in Brüssel abzuführen. Dank der Umnutzungsstrategie von Bogdan & Van Broeck wurden nur halb so viele Lkw benötigt. Das Architekturbüro hat das Potenzial der robusten Betonstruktur des Turms aus den 1960er-Jahren erkannt und zu einem Wohnhaus umgenutzt.

Die neue Fassade mit weißen, perforierten Sonnenschutzelementen gehört bereits zum Wiedererkennungsmerkmal des Turms in Brüssel.
Das Gebäude steht in einem gut angebundenen Quartier Brüssels, das jedoch seit dem Bauboom der Nachkriegszeit vernachlässigt wurde.
Die Architekturschaffenden möchten zeigen, dass es sinnvoll ist, Nachkriegsbauten umzunutzen, da gegenüber einem Neubau viel Kohlenstoffdioxid eingespart werden kann.

Das massive Volumen steht in der Nähe von Brüssels Kanalzone sowie dem nördlichen Bahnhof und gehört zu einem Distrikt, der in den 1960er-Jahren transformiert wurde. Aus der Zeit stammt der von Charles Verhelle und Henry Profiter entworfene Turm, in dessen ersten beiden Geschossen sich medizinische Räume und darüber Büros der Versicherungsgesellschaft Assubel befanden. Bis zur Umnutzung stand das Gebäude mehrere Jahre größtenteils leer. Die zentrale Lage gab den Ausschlag, das Hochhaus in ein Wohnhaus mit 130 Wohneinheiten von kompakten Studios zu großzügigen Wohnlandschaften umzuwandeln. Die südöstliche Ecke des Grundstücks besetzten Bogdan & Van Broeck mit einem Neubau von 26 Appartements, der die volumetrische Verbindung zwischen dem Hochhaus und den umliegenden Reihenhäusern darstellt. Die beiden Bauten sind über die Tiefgarage verbunden, die wenige Autoparkplätze und viele Fahrradstellplätze beinhaltet.

Es war einmal modern
Der Entwurf basiert auf einer kritischen Betrachtung des modernistischen Turms, der keinen direkten Zugang zur Straße besaß, sowie auf der Analyse des Tragwerks. Die ursprünglich graue Fassade haben die Architekturschaffenden entfernt, um das Betonskelett freizulegen. Auch die Einbauten wurden entfernt, wohingegen die Haupterschließungskerne erhalten blieben. Anschließend wurde die Struktur verstärkt und um drei Etagen ergänzt, die das nun 15-geschossige Hochhaus schlanker erscheinen lassen. Das originale Tragwerk mit Fassadenstützen im Abstand von 1,20 m und einer einer Stützenreihe in der Mitte bietet Deckenhöhen von mehr als drei Metern in allen Geschossen. Die Beibehaltung der Struktur verringerte die Menge an zusätzlich benötigtem Beton und somit von Ressourcen wie Sand und Kies.

Die Ausrichtung und der Grundriss des Gebäudes ermöglichten Wohnungen mit viel Tageslicht, obwohl diese einseitig orientiert sind. An der West- und Ostfassade wurde zudem je eine leichte Stahlstruktur mit großen Balkonen installiert. Weiße, perforierte Schiebepaneele dienen als Sonnen- und Windschutz und führen zu einem wechselnden Licht-und-Schattenspiel, das die Fassade, die bereits als Landmarke von Brüssel gilt, animiert.


Die doppelgeschossige Eingangshalle wirkt als visuelle Erweiterung des Außenraums. Zwei Arkadenreihen definieren den Fußgängerweg, der das Grundstück quert. Damit befindet sich der Eingang des Gebäudes auf Straßenniveau und das Hochhaus wird im urbanen Gefüge verankert. The Cosmopolitan, wie das Wohnhaus heute genannt wird, ist ein Vorreiter der urbanen Transformation eines vernachlässigten Gebiets von Brüssel. Es zeigt, dass man mit innovativen Strategien und zielorientierten Anpassungen Nachkriegsgebäuden ein zweites Leben ermöglichen und dadurch die Lebensqualität in einer dichten, diversen Stadt erhöhen kann.

Umnutzung ist lehrreich
Bogdan & Van Broeck Architekten teilen in einem Punkteplan, was sie beim Transformationsprojekt gelernt haben:

  •  Großzügige Deckenhöhen vereinfachen die flexible Umnutzung von Gebäuden.
  • Nachhaltigkeit im Bausektor bedeutet vor allem die Erhaltung von robusten Tragwerken. Damit lässt sich viel CO2 einsparen.
  • Umbau führt zu mehr Kreativität.
  • Mit der Umnutzung von existierenden Gebäuden kann man bessere Isolationsstandards erreichen.
  • Die Gebäudestruktur und Bautechniken stehen einer sinnvollen Umnutzung oft im Weg.
  • Solange das Verursacherprinzip nicht angewendet wird, bleibt Umnutzung teurer als Abbruch und Neubau und die Kreislaufwirtschaft nicht marktfähig.
  • Stockwerkeigentum erschwert die zukünftige Umnutzung, während ein Eigentümer oder Kollektive geeigneter erscheinen.
  • Der architektonische Entwurf sollte sich weniger nach dem Programm richten und sich mehr darauf konzentrieren, robuste und flexible Gebäude zu gestalten und umzunutzen. -sh

Bautafel

Architektur Umnutzung: Bogdan & Van Broeck, Brüssel
Projektbeteiligte: UTIL Structuurstudies, Schaarbeek (Tragwerk); Concept Control, Brüssel (Haustechnik); ASM Acoustics, Schaarbeek (Akustik); Cetim, Brüssel (Projektmanagement) 
Bauherr/in Besix RED, Woluwe-Saint-Lambert
Fertigstellung: 2019
Standort:  Quai aux Pierres de Taille 16 und Rue du Canal 28, 1000 Brüssel, Belgien
Bildnachweis: Bogdan & Van Broeck, Brüssel / Laurian Ghinitoiu, Berlin / Jeroen Verrecht, Brüssel

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