Umbau zum Wohnhaus in Reutlingen-Altenburg

Transformierte Kirche

Wie umgehen mit nicht mehr genutztem Bestand? Nach der Entwidmung der neuapostolischen Kirche im Reutlinger Stadtteil Altenburg stand diese Frage im Raum. Der 1961 erbaute und 1974 erweiterte Bau war zwar sehr solide konstruiert, jedoch gestalterisch wenig reizvoll. Mit dem Projekt Iller 21 ist es dem Architekturbüro Manderscheid gelungen, das ehemalige Kirchegebäude durch behutsame Sanierung und Erweiterung in ein atmosphärisch stimmiges Wohnhaus für eine Familie umzubauen, ohne dabei die Grundsubstanz abreißen zu müssen.

Vorher: Die 1961 erbaute und 1974 erweiterte neuapostolische Kirche war zwar solide konstruiert, aber gestalterisch wenig reizvoll.
Dem Architekturbüro Manderscheid ist es gelungen, den Altbau zu erhalten und mit nur wenigen Anpassungen im Grundriss zum Wohnhaus umzubauen.
Die Fassade wurde mit Zellulose und Holzweichfaser gedämmt und mit einer neuen Holzfassade aus unbehandelter wintergesägter Kiefer versehen.

Großzügiger Wohnraum, schlichte Materialwahl

Bereits im Zuge der ersten Überlegungen zum Projekt wurde klar, dass das bestehende Kirchengebäude aus den 1960er-Jahren erhalten werden und durch einige Eingriffe in den Grundriss um einen vorgelagerten Flachbau sinnvoll in ein Wohnsetting umgestaltet werden sollte. Der eingeschossige Anbau beherbergt auch die neue Eingangssituation. Bereits vom Eingang her kann man den Blick bis in den zum Wohnraum umfunktionierten Kirchensaal schweifen lassen. Der zehn Meter hohe Raum mit Zeltdach bildet heute den Lebensmittelpunkt der Familie.

Ein hölzerner Einbau beherbergt die Küche, die über eine Theke mit dem Wohnraum verbunden ist. Die obere Ebene dieses Einbaus ist über eine Regaltreppe und eine schlanke Brücke zugänglich und nutzbar. Bei der Konstruktion entschieden sich die Architekturschaffenden für eine simple und geradlinige Formensprache. Die verwendeten Materialien sind vorwiegend unbehandelt und möglichst frei von Kunststoffen. Die hölzernen Einbauten bieten der Familie integrierten Stauraum aber auch gemütliche Ecken, in denen zum Beispiel die Kinder ein Buch lesen können.

Ein frisches Aussehen
Um den Dämmwert des Altbaus zu verbessern, wurde eine hinterlüftete Holzfassade aus unbehandelter wintergesägter Kiefer gewählt. Zwischen der Bestandswand und der neuen Holzfassade ist eine zusätzliche Dämmung aus Zellulose und Holzweichfaser eingebracht. Als Referenz für die Holzfassade diente der landwirtschaftliche Schuppen neben dem Haus, welchen man durch die Fenster sehen kann. Das Zeltdach wurde ebenfalls mit Zellulose gedämmt und mit einer Dachhaut aus Titanzinkblech in Stehfalzdeckung gedeckt.

Die Innenwände sind mit einem roséfarbenen Kalkputz geschlämmt, sodass die darunterliegende Mauerwerksstruktur weiterhin sichtbar bleibt. Als Boden dient im Wohnraum ein geglätteter Zementestrich sowie in den Schlaf- und Kinderzimmern ein geöltes Industrieparkett. Die Türblätter sind aus unbehandelten Nadelholzplatten gefertigt, die von grau lackierten, stählernen Zargen mit sichtbaren Bändern gehalten werden.

Regeneratives Energiekonzept
Das Wohnhaus Iller 21 verfügt zudem über ein regeneratives und zum Großteil autarkes Energiekonzept. Eine im Garten befindliche Solewärmepumpe mit vier Bohrpfählen generiert Wärme für die Fußbodenheizung. Die Wärmepumpe wiederum wird über die Photovoltaikanlage auf dem Dach mit Strom versorgt. Die Pumpe ermöglicht es auch, die Räume im Sommer mit kühlem Wasser aus den Erdbohrungen leicht zu kühlen. Dies lädt zugleich den Erdspeicher für den Winter auf. Ein zusätzlicher, automatisch steuerbarer Pelletofen im Wohnraum sorgt an kühlen Abenden für eine gemütliche Atmosphäre.

Mit der gestalterischen und energetischen Umnutzung der Kirche zum Wohnhaus konnte das Architekturbüro auch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg überzeugen. Das Projekt Iller 21 hat beim Effizienzpreis Bauen und Modernisieren 2018 den zweiten Platz in der Kategorie Modernisierung Ein-/Zweifamilienhaus gewonnen. -sh

Bautafel

Architektur: Architekturbüro Manderscheid, Tübingen
Projektteam: Sabrina Münzer, Luise Sausgruber, Rong Shan, Yohanna Tesfaigzi-Bund, Michael Widmayer
Projektbeteiligte: Felix Mildner, Tübingen (Tragwerksplanung); Heiko Fischer, Ammerbuch (Bauphysik); Ruoff Energietechnik, Riederich (Konzeption und Ausführung Heizung und Photovoltaik)
Bauherrschaft: privat
Fertigstellung: 2017
Standort: 72768 Reutlingen-Altenburg
Bildnachweis: Johannes-Maria Schlorke, Saarbrücken

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