Umbau und Sanierung: Villa Heike in Berlin

Einer der ältesten Stahlbeton-Skelettbauten Berlins

Wurstbefüllmaschinen, Gefängniszellen und NS-Akten – die Geschichte der Villa Heike im Berliner Stadtteil Alt-Hohenschönhausen ist abwechslungsreich. Vor über einhundert Jahren errichtet, ist sie einer der ältesten Stahlbetonskelettbauten der Stadt. Nach Sanierungs- und Umbauarbeiten unter Federführung von Christof Schubert Architekten beherbergt die Villa heute hauptsächlich Künstlerateliers, eine Ausstellungshalle, Werkstätten und Büros.

Ursprünglich als Fabrikantenvilla errichtet, wurde das Gebäude lange vom Ministerium für Staatssicherheit genutzt und stand nach dem Mauerfall über viele Jahre leer.
2015 erwarb eine gewerbliche Baugruppe, zu der auch der Architekt selbst gehörte, die Villa.
Die Baugruppe entschied sich dafür, das Gebäude mit wenigen Eingriffen herzurichten. Ergänzungen wie das Eingangsportal entwickelte der Architekt in Anlehnung an das bauzeitliche Vorbild.

Früher ein Teil Ost-Berlins, ist Hohenschönhausen vor allem für das einstige Gefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) bekannt. Fassaden, Mauern und Kopfsteinpflaster lassen den Ort an vielen Tagen im Jahr vor allem graubraun erscheinen. Da fällt auch die imposante Villa zunächst kaum auf, die nur wenige Schritte von der heutigen Gedenkstätte entfernt ist: Vier hohe Geschosse, ein Hochparterre mit riesigen Schaufenstern und ein breites Krüppelmansarddach lassen geräumige Innenräume erahnen. Elemente des Jugendstils und des Art Decó vermischen sich im Fassadenbild.

Zwischen Showroom und Sperrzone
Der repräsentative Bau wurde von 1910 bis 1911 errichtet. In Auftrag gab ihn Richard Heike, der damals viel Geld mit Fleischverarbeitungsmaschinen verdiente, unter anderem Handlakespritzen, Pökelsärge, Eisschränke und Schlachthauswinden. Die Architekten Wilhelm Verhülsdonk und Richard Lotts hatten für ihn ein multifunktionales Gebäude entworfen mit Ausstellungsflächen für Maschinen, Büros und einer Wohnung. Im Hinterhof standen die Fabrikhallen mit ihren Schloten. Angrenzend gab es einen Park, in dem Palmen wuchsen. Nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich zunächst das Quartier des sowjetischen Geheimdienstes NKWD in dem Gebäude; ab den 1960er-Jahre versteckte das MfS ein Geheimarchiv in der Villa, die Teil des Sperrgebiets um das Gefängnis war. Nach dem Ende der DDR stand das Gebäude viele Jahre leer und drohte zu verfallen. Es blieb dennoch erhalten – dem Denkmalschutz sei Dank – und 2015 bekam schließlich der Architekt Christof Schubert die Chance, das Haus zu kaufen. Gemeinsam mit vier Mitstreitern erwarb er das Gebäude; die gewerbliche Baugruppe nutzt die Räume heute teils selbst und vermietet die weiteren Ateliers und Büros.

Stahlbetonskelett mit Mauerwerksausfachung
Hervorspringende Stützen und Fensterstürze machen die Stahlbeton-Skelettkonstruktion bereits in der Fassade ablesbar. Die 1910 eigens angereisten Wiener Betonexperten stellten auch die Deckenplatten und die Betonschale der Mansarde her. Wo keine Kastenfenster zwischen den Stützen eingesetzt wurden, finden sich Mauerwerksausfachungen. Auch die seitlichen Treppenhäuser sind gemauert.

So eindrucksvoll wie die Fassade ist auch der Eingangsbereich: Acht antik anmutende Säulen, Kassettendecken aus Beton und mächtige Treppenstufen empfangen die Gäste im Vestibül. Von hier aus gelangen sie in das auch heute wieder als Ausstellungsraum genutzte Hochparterre. Über zwei an den beiden Giebelseiten angeordnete Treppenhäuser werden das Souterrain und die oberen Geschosse erschlossen. Hofseitig angebaut wurde ein gläserner Aufzugsturm. Die Räume in den Obergeschossen orientieren sich fast alle zu den großen Fassadenöffnungen und werden in der Regel über innenliegende Korridore erschlossen. Jeweils sechs Räume pro Geschoss befinden sich im Mittelbau der Villa. An den Seiten variieren Aufteilung und Raumgrößen: Während sich im ersten und zweiten Obergeschoss jeweils drei Räume auf jeder Seite befinden, verfügt das Wohngeschoss an dieser Stelle über einen großen Hauptraum und einen Nebenraum. Der Grundriss der ehemaligen Fabrikantenwohnung wurde im Zuge der Sanierung verdichtet mit zusätzlichen Sanitärräumen. Heute ist er für vier Parteien aufgeteilt. Zusätzlich führen drei neue Treppen in das neu ausgebaute, nun ebenfalls bewohnte Dachgeschoss. 

Annäherung an den bauzeitlichen Zustand
Die Baugruppe wollte das Gebäude künftig so nutzen, dass möglichst wenig umgebaut werden musste. Sie verzichteten auf Eingriffe in die tragende Struktur. Lediglich in den oberen Geschossen durchbrechen vereinzelt Treppen die Decken. Ergänzt wurden zum Beispiel Zwischenwände, um Arbeits- oder Sanitärbereiche abzutrennen. Zum einen sanken so die Kosten für die Herrichtung der Räume, zum anderen lenkte das den Blick auf die Spuren der wechselvollen Geschichte des Gebäudes. Einige von ihnen blieben erhalten, etwa Graffitis und die Leuchte aus den 1980er-Jahren. 

Ein Rückbau der Eingriffe der Nachkriegszeit war besonders im Hochparterre und im Vestibül notwendig, um Schaufenster, Raumzusammenhänge und Oberflächen wieder dem bauzeitlichen Zustand anzunähern. Entfernt wurden Sperrholzverschalungen, Lackschichten, Tapeten und PVC-Beläge in den Innenräumen. Dahinter kamen Kastenfenster, Stuckdecken, Steinputzoberflächen oder Magnesiaestrich- und Terrazzoböden zum Vorschein. Sie wurden größtenteils aufgearbeitet, genauso wie die Treppengeländer und Türen und die prägnanten Kastenfenster – der Fassadenputz dagegen wurde lediglich gesichert. Schäden wurden im gleichen Material, aber in vereinfachter Ausführung ausgebessert. Prägende, jedoch nicht mehr vorhandene Elemente wie zum Beispiel der Balkon im dritten Obergeschoss oder auch notwendige Ergänzungen wie das Eingangsportal entwickelte der Architekt in Anlehnung an das bauzeitliche Vorbild.

Beton: Freigelegt und saniert
Um die vielfältigen Oberflächeneffekte im eklektizistisch gestalteten Vestibül zu erzeugen, verwendeten die Betontechniker Anfang des 20. Jahrhunderts keine speziellen Schalungen. Stattdessen modellierten sie die Kanneluren, Kapitelle, Bossierungen, Zahnschnitte und Mauerwerksfugen mit Steinputz. Die Stahlbetonstützen sind also komplett ummantelt. Als die Restauratoren Isenee und Schauss den Gebäudezustand aufnahmen, waren diese außerdem mit zahlreichen Lackschichten überzogen. Im Vestibül wurden die Oberflächen zunächst freigelegt und Abplatzungen repariert. In den übrigen Räumen sind die Stahlbetonoberflächen in der Regel mit Putz überdeckt. Betonsanierungen waren an den Fensterstürzen nötig sowie an der Betonschale des Mansarddachs und der Geschossdecke über dem Souterrain. Die an der Fassade materialsichtigen Stürze erhielten eine ausreichende Mindestüberdeckung aus Sanierbeton, aufgetragen als Spritzbeton. -ml

Bautafel

Architektur Bestandsbau: Wilhelm Verhülsdonk, Richard Lotts
Architektur Sanierung und Umbau: Christof Schubert Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: Isenee und Schauss (Oberflächenrestauration)
Bauherr/in: das Archiv (Christof Schubert u.a.)
Fertigstellung Bestandsbau: 1911
Fertigstellung Sanierung und Umbau: 2019
Standort: Freienwalder Str. 17, 13055 Berlin Alt-Hohenschönhausen
Bildnachweis: Enric Duch, Berlin; Christof Schubert Architekten, Berlin

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