Umbau und Sanierung eines Wohnhauses in Beijiaocun

Tonnengewölbe aus Sichtbeton

Beijiaocun ist ein kleiner Fischerort an einer Engstelle am südöstlichen Ende der Halbinsel Huangqi in der chinesischen Provinz Fujian. Umgeben von zerklüfteten Felsen und dem offenen Meer auf der einen Seite und einem kleinen Hafen auf der anderen, herrscht ein raues Klima, das nicht zuletzt den Gebäuden stark zusetzt.

Ein neues Tonnengewölbe erweitert den Bestandsbau um ein drittes Geschoss mit Galerie
Die Fenster ragen aus der Fassade zum Schutz vor Schlagregen
Seitliche Ansicht der dem Meer zugewandten Häuserseite

So erging es auch dem Wohnhaus eines Kapitäns, das er für sich und seine Familie vor zwanzig Jahren an exponierter Stelle als Ziegelbau errichten ließ. Der zweigeschossige Baukörper mit Flachdach und Betontragwerk verfügte über große Terrassen, von denen trotz der sehr dichten Wohnbebauung weite Ausblicke auf das Ostchinesische Meer möglich waren. Im Gebäude selbst hatten Wind und Wetter jedoch zu großflächigen Wassereintritten geführt und damit die gesamte Ziegelkonstruktion in Mitleidenschaft gezogen. Eine Sanierung der Bausubstanz war unumgänglich geworden. Sie bot aber auch die Möglichkeit, die Wohnfläche zu erweitern, was sich der Bauherr seit längerem gewünscht hatte. Vector Architects aus Peking wurden mit dem Vorhaben beauftragt. Sie unterzogen den festungsartigen Bestandsbau einer Radikalüberholung und stockten ihn um eine dritte Etage auf. Die neue Überdachung mit einem Tonnengewölbe aus Beton verleiht dem Haus fortan Prägung.

Auf Grundlage der zu Beginn vorgenommenen Untersuchung der Statik entschied das Architektenteam, das ursprüngliche Ziegelmauerwerk mit einer zwölf Zentimeter starken Betonschicht zu verstärken. So wurde das Mauerwerk bauphysikalisch ertüchtigt und die notwendige Stabilität für das zusätzliche Geschoss erreicht, mit dem sich die Wohnfläche auf nun 470 Quadratmeter vergrößert hat. Durch die Verstärkung der Wände konnte zudem die Raumaufteilung den aktuellen Bedürfnissen der Bewohner angepasst werden. Wohnzimmer, Esszimmer und Schlafräume verfügen jetzt über spektakuläre Ausblicke auf das Meer und zusätzliches natürliches Licht. Die Bäder im Erd- und ersten Obergeschoss wurden von der Meerseite auf die dem Nachbarhaus zugewandte Seite versetzt. Unter dem Tonnengewölbe entstand ein multifunktionaler Wohnraum mit Galerie. Er dient den Kindern als Sport- und Spielraum, der Unterbringung von Gästen und der gesamten Kapitänsfamilie – praktizierende Christen – als Kapelle.

Terrassen und Balkone an den Schmalseiten, die sowohl in Richtung des Meeres als auch mit Blick auf den Ort ausgerichtet sind, erweitern den Wohnraum nach außen. Farblich ist das Äußere des Bauwerks an das von Erdtönen geprägte Umfeld angepasst. Während die Schmalseiten des Gebäudes nahezu vollverglast sind, sitzen die Fensteröffnungen der Längsseiten seit der Sanierung wie Terrarien auf der Fassade. Sie werden von farblich abgesetzten, plastisch hervortretenden Betonfaschen gerahmt. Diese sind nicht nur ein gestalterisches Element, sondern dienen auch dem Schutz vor Regenwasser, das von der Wandoberfläche in die Fensterrahmen eindringen könnte. Die speziell für dieses Gebäude entwickelten Holzrahmen verfügen fast alle über eine große, feststehende Verglasung und ein kleineres Fenster oder eine Tür, die sich zum Lüften beziehungsweise zum Betreten der Balkone und Terrassen öffnen lassen.

Im Gebäudeinneren finden diese Rahmungen ihre Entsprechung in tiefen Fensterlaibungen, die sich zu Sitzecken oder Tischen ausformen und sämtliche Räume bereichern. Als Mittler zwischen innen und außen kann von den Nischen der Ausblick genossen, ausgeruht, gelesen und gearbeitet werden. Sie sind mit Kirschholz ausgekleidet und gehen teils nahtlos in die ebenfalls neuen Einbauten aus dem gleichen Material über. Das Holz, das auch für die Treppe verwendet wurde, wählte das Architektenteam als Gegensatz zum rauen Beton, da es mit seinem dunklen Rotton für eine warme und behagliche Atmosphäre sorgt.

Dach

„Hauptdarsteller“ des Umbaus ist zweifelsfrei das Tonnendach aus rohem Sichtbeton über dem neuen Geschoss mitsamt Galerie. Innen wie außen zeichnet sich darauf deutlich die Struktur der verwendeten Holzschalung ab. Die Giebel sind im oberen Kreissegment mit Glasbausteinen ausgeführt. Tagsüber fällt durch sie diffuses Licht ins Gebäudeinnere, abends strahlt das Licht nach außen und setzt die in diesem Umfeld ungewöhnliche Dachform in Szene. Nach Süden öffnet sich die Betonkonstruktion auf Höhe der Galerie zu einer eigentümlich geformten, raumhoch verglasten Gaube, die über die Dächer der Nachbarbauten hinweg einen ungehinderten Blick auf die Umgebung erlaubt.

Mit dem Tonnendach hebt sich das Wohnhaus deutlich von der Nachbarbebauung ab, die von Flach- und Satteldächern geprägt ist. Dabei sitzt das Gewölbe nicht direkt auf dem Bestand, sondern wird von Betonpfeilern in einem leichtem Abstand zur obersten Geschossdecke gehalten. Am Abend bei eingeschalteter Beleuchtung wirkt es daher so, als schwebte das Dach über dem Haus. Die Gewölbeform wählten die Architekten aus zwei Gründen: Zum einen verringert sie die Gefahr eindringenden Wassers auf ein Minimum, da dieses nach beiden Seiten effizient abfließen kann. Zum anderen ist sie eine jahrtausendealte Dachform des christlichen Kirchenbaus.

Bautafel

Architekten: Vector Architects, Peking
Projektbeteiligte:  Dongping Sun (Bauleitung); Dan Zhao, Cunyu Jiang, Zhao Zhang (Design); Zhenqiang Chen, Liangliang Zhao (Standortarchitekt); China Academy of Building Research, Beijing Shi sowie Congzhen Xiao und Yixin Du (Statik)
Bauherr: Privat
Standort: Beijiaocun, Fuzhou, Fujian, China
Fertigstellung: 2017
Bildnachweis: Xia Zhi; Howard Chan; Chen Zhenqiang; Vector Architects; Peking

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