Umbau: Tierkrematorium bei Prag

Fliesenspiegel wortwörtlich

Mit 200.000 Mann war die tschechoslowakische Volksarmee (bei 15 Millionen Einwohnern) die drittstärkste Armee des Ostblocks. Nach Ende des Kalten Krieges, Teilung in Tschechische und Slowakische Republik und Nato-Beitritt wurden die Streitkräfte reduziert und mehrere Militärstandorte geschlossen. So auch der Flugabwehr-Stützpunkt Drnov gut 30 Kilometer nordwestlich von Prag: Der große unterirdische Komplex sollte der Hauptstadtverteidigung dienen und ist heute ein militärhistorisches Museum. Einer von mehreren kleineren Servicebunkern des Standorts wurde nach Plänen von Petr Hájek Architekti aus Prag zu einen Tierkrematorium umgebaut.

Die kleine Anlage ist unter einem aufgeschütteten, eingewachsenen Erdhügel versteckt.
Die Architekturschaffenden haben eine sechs Meter hohe Spiegelfläche vor den Bunker gesetzt.
Die Spiegelfläche ist aus sechseckigen Fliesen zusammengesetzt.

Scheinbar unberührte Natur

Die nur 250 Quadratmeter große Anlage besteht aus ursprünglich drei unter einem angeschütteten, eingewachsenen Erdhügel verborgenen Räumen. Zwei größere von ihnen waren frontal über zwei nebeneinanderliegende Tore erschlossen, ein dritter, kleinerer über einen rechts gelegenen Seiteneingang. Als solcher erkennbar war der Militärbunker nur über die konkave Zugangssituation mit dem Doppelportal, flankiert von zwei der Geländeaufschüttung folgenden, abgestaffelten Stützwänden. Die Architekturschaffenden wollten den Charakter einer scheinbar „unberührten Natur“ des ehemaligen Militärgeländes beibehalten und kaschierten die Hauptfront hinter einer Spiegelfläche, die jetzt von den seitlichen Stützwänden gehalten zu sein scheint. 

Versteckt in dieser Wand ist eine ebenfalls verspiegelte Tür, die zur Abgabe der Tierkörper direkt in den westlich gelegenen Kremationsraum mit dem Verbrennungsofen führt. Die beiden anderen Räume wurden durch Einziehen von Zwischenwänden der neuen Nutzung angepasst: Der östliche größere Raum ist von vorn nach hinten in Foyer, Abschiedsraum und einen mit dem Kremationsraum verbundenen Personalbereich unterteilt. Im kleineren Seitenraum befinden sich WCs und ein minimiertes Büro. Die Trauergäste betreten das Krematorium durch den Seiteneingang und gelangen über einen Flur in das Foyer. Ein und Ausbauten sind reduziert gehalten, Sitzflächen bestehen aus Eichenplanken, Türen und Möbel aus Schichtholzplatten. Die Böden sind mit einem Estrich versehen, die Wände weiß getüncht.

Fassade: Wabenförmige Spiegelfliesen
Die mehr als sechs Meter hohe und elf Meter breite Spiegelfläche zwischen den Stützwänden reflektiert den Himmel und die Vegetation. Erst auf den zweiten Blick offenbart sie das feine Netz der wabenförmigen Fliesen. In der Nähe beginnt sich das Spiegelbild durch leichte Schrägstellungen der Fliesen und kleine Unebenheiten aufzulösen. Damit greift die Architektur auf zurückhaltende Weise das Thema von An- und Abwesenheit auf und soll – so die Entwurfsabsicht – wie ein Tor in eine andere Dimension wirken.

Realisiert wurde die scheinbare Entmaterialisierung der Bunkerfront über eine im Abstand vorgemauerte Wand aus 30 Zentimeter starken Betonsteinen, auf die zunächst fünf Zentimeter Polystyrol und darauf die zwölf Zentimeter großen Wabenfliesen aufgeklebt sind. Letztere wurden per Wasserstrahl aus drei Millimeter starken Aluminium-Verbundplatten geschnitten und mit weißer Butylmasse verfugt. Zwischen alter Bunker- und neuer Außenwand ist ein schlitzförmiges Oberlicht eingebaut, das aus einer 20 Millimeter starken Polycarbonatplatte besteht.

Bautafel

Architekten: Petr Hájek Architekti, Prag
Projektbeteiligte: Petr Hájek, Martin Stoss, Cornelia Klien (Projektteam Architekten), 1PS, Prag (Konstruktion)
Bauherr: Věčná loviště, Drnov
Fertigstellung: 2021
Standort: Drnov 61, Žižice 274 01, Tschechische Republik
Bildnachweis: Benedikt Markel, Prag / Radek Úlehla, Prag / Petr Hájek Architekti, Prag

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Die nach dem Kaufhaus benannte Hortenkachel wurde um 1961 von Helmut Rhode entworfen, hier am heutigen Galeria Kaufhof in Osnabrück

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Materialien

Keramik

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