Umbau eines Vierseithofes in Obing

Kulturdenkmal wird Wohnquartier

Der malerische Ort Obing mit knapp 4.500 Einwohnern liegt im bayerischen Chiemgau. Neben dem Hauptort am Obinger See findet man dort, verstreut in der Umgebung, einzelne Weiler und Höfe. Einer von ihnen sticht besonders hervor. Nicht nur beeindruckt der großzügig dimensionierte Ortner-Hof durch seine palastartige Fassade direkt am Ufer des Sees. Im Zuge einer umfassenden Sanierung wurde er durch Robert Ketterer Architekten aus München sowie das Leipziger Büro Arbeitsgruppe Architekten und Ingenieure in ein Wohnquartier mit zeitgemäßem Komfort umgewandelt. Seither verfügt der sogenannte Vierseithof neben seinen klassizierenden, streng symmetrisch gegliederten Außenfassaden über eine schimmernde Dacheindeckung aus Titan-Zinkblech. Darunter verbirgt sich der ausgezeichnet erhaltene Dachstuhl aus der Erbauungszeit zwischen 1880 und 1886.

Zu einem Wohnquartier umgebaut haben das Kulturdenkmal Robert Ketterer Architekten aus München sowie das Leipziger Büro Rossmanit & Partner Architekten.
Die kürzlich erfolgte Sanierung ist nicht zuletzt an der neuen Dacheindeckung aus schimmerndem Titan-Zinkblech zu erkennen.
Unter der neuen Deckung verbirgt sich das sehr gut erhaltene Dach von 1886.

„Vierseithof“ bezeichnet einen Hoftypus, bei dem Wohnhaus und landwirtschaftliche Nutzgebäude (Scheune, Getreidespeicher, Stallungen) sowie die Toranlage einen Innenhof von vier Seiten umschließen. Diese landwirtschaftlichen Anwesen haben in einigen Regionen Deutschlands, unter anderem Mitteldeutschland und Bayern, Verbreitung gefunden.

Bayerischer Landwirtschafts-Palazzo

Als offizielles Kulturdenkmal im Sinne des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes geführt, spiegeln der Baukörper und die Fassaden im Stil eines venezianischen Palazzos bis heute die Einflüsse italienischer Baukunst in der süddeutschen Architektur wider. Mit seinem herrschaftlichen Erscheinungsbild und Freiflächen von mehr als 13.600 Quadratmetern gilt der Gebäudekomplex als einer der größten und schönsten, noch dazu vollständig erhaltenen Vierseithöfe in Bayern. Einen ganz anderen, jedoch nicht minder reizvollen Eindruck erhält, wer den Innenhof betritt. Hier dominieren unverputzte Backsteinfassaden, die landwirtschaftliche Nutzungsgeschichte wird sichtbar. Aufgesetzte Wintergärten aus Stahl kontrastieren mit der historischen Substanz und erhöhen den Wohnkomfort.

Umgesetzt wurde das Projekt in enger Abstimmung mit der bayerischen Denkmalbehörde.
Eine besondere Herausforderung für die Planer lag darin, Wohnraum zu schaffen, der heutigen Anforderungen an Komfort und Energieeffizienz entspricht, bei dem aber dennoch die historische Bausubstanz weiterhin optisch prägend bleibt. Insgesamt entstanden auf den drei Geschossen 37 Eigentumswohnungen, deren Wohnflächen zwischen 57 und 172 Quadratmetern liegen. Dabei tragen vor allem die freiliegenden alten Balken im Dachgeschoss zu einer gelungenen Verbindung von alt und neu bei.

Dach: Von außen glänzend, von innen dämmend

Nach der Sanierung wirkt das rund 1.800 Quadratmeter große Steildach mit einer Eindeckung aus Titan-Zinkblech optisch wie das modernste Bauteil des Gutshofes. Dabei ist nur die Eindeckung des mit einem Neigungswinkel von 20º relativ flachen Daches neu. Der historische Dachstuhl darunter konnte dank seines sehr guten Zustandes erhalten bleiben. Für eine energetisch hochwertige Dachkonstruktion wurden die Sparren mit seitlichen Hölzern verstärkt bzw. aufgedoppelt und bekamen eine Zwischensparrendämmung sowie eine Innendämmung.

Da das Dach aus Denkmalschutzgründen nicht wesentlich an Höhe gewinnen durfte, musste die gesamte Dämmung von innen erfolgen. Das stellte angesichts der Dacheindeckung aus Titan-Zinkblech eine Herausforderung dar, denn das Material ist mit einem Diffusionswert (sd) von rund 1.500 m schlichtweg diffusionsdicht. Um dennoch für eine bauphysikalisch dauerhaft sichere Konstruktion zu sorgen, bedurfte es einer anderen Lösung. Die besteht aus der Kombination einer Hinterlüftungsebene mit einer hochleistungsfähigen Klimamembran zwischen den verschiedenen Dämmlagen.

Hierzu verlegte man die Zinkblecheindeckung auf einer neuen Massivholzschalung, die mittels einer Traglattung in einem Abstand von 40 mm auf der bestehenden 25 mm dicken Massivholzschalung montiert ist. Vorher hatte man auf deren Oberseite eine diffusionsoffene Schalungsbahn verlegt. Für die 180 mm starke Zwischensparrendämmung, die später von einer zusätzlichen Untersparrendämmung ergänzt wurde, mussten die Sparren lediglich mit einer 60 mm starken Aufdopplung von 120 mm auf die erforderlichen 180 mm gebracht werden. Einige Sparren erhielten zudem an den Flanken eine statische Ertüchtigung aus 6 x 18 cm Kanthölzern.

Die meisten Komponenten für die Dachsanierung lieferte der Hersteller Isover. Für eine zuverlässige Rücktrocknung des Steildachaufbaus nach innen führten Anwendungstechniker der Firma eine dynamische feuchteschutztechnische Bewertung gemäß WUFI (Wärme und Feuchte instationär) durch. Auf deren Basis wurde dann der konkrete Dachaufbau geplant und umgesetzt.

Bautafel

Architekten: Robert Ketterer Architekten, München; Arbeitsgruppe Architekten und Ingenieure, Leipzig
Bauherr: LS Denkmal Gut Obing, Mühldorf
Projektbeteiligte: Arbeitsgruppe Architekten | Ingenieure, Leipzig (Ausführungsplanung / Bauüberwachung); Rossmanit & Partner Architekten, Leipzig (Subunternehmen Ausführungsplanung); Alpha Project, Erding (Dämmung und Trockenbau); Hans Ritt / Andreas Grübler, Saint-Gobain Isover (Fachberatung Isolierung); Saint-Gobain Isover, Ludwigshafen (Dachsanierungskomponenten, darunter u. a. Ultimate Klemmfilz-035, Vario Xtrasafe, Vario Bond)
Fertigstellung: 2019
Standort: Seestraße 2, 83119 Obing
Bildnachweis: Sascha Kletzsch, München; Saint-Gobain Isover, Ludwigshafen; Gillhuber Immobilien, München

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