Umbau eines Hochbunkers in Hannover

Vom Schutzraum zum Wohndomizil

Ihr ursprünglicher Zweck lässt Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg nicht unbedingt als begehrenswerte Wohndomizile erscheinen. Die großen Wandquerschnitte und die wenigen, kleinen Lüftungsöffnungen in der Fassade haben mit einer lichtdurchfluteten, modernen Wohnstätte wenig gemein. Ihr Vorteil, der sie heute trotzdem wieder für Wohnzwecke attraktiv macht, ist ihre meist günstige städtische Lage.

An der Fassadengestaltung ist deutlich erkennbar, dass sich die Wohnräume über die beiden oberen Etagen erstrecken - darunter befinden sich u.a. Lagerräume
Die Fassade des Staffelgeschoss ist, im Gegensatz zur Betonfassade des restlichen Bunkers, farbig gestaltet
Im dritten Obergeschoss wurden große Öffnungen aus den 1,10 Meter dicken Betonwänden herausgeschnitten

Auch der Bunker am Trageweg im Nordosten von Hannover erfuhr eine Nutzungsänderung. Einst war das 1940 erbaute Gebäude mit einer Fläche von 375 Quadratmetern als Schutzraum für rund 750 Personen gedacht, bis es nach dem Krieg rund 20 Jahre als Möbelhaus diente. Nach jahrelangem Leerstand erwarb eine vierköpfige Familie die ehemalige militärische Schutzanlage und ließ sie nach Plänen der Bremer Architekten Rainer Mielke und Claus Freudenberg zu ihrem neuen Zuhause umbauen.

Sanierung und Modernisierung
Bei dem hannoverschen Hochbunker konnten baurechtliche Bedenken mit mehreren Vorgesprächen im Bauamt bald ausgeräumt und die Genehmigung für die Nutzungsänderung und den Umbau erteilt werden. Ursprünglich gehörte das viergeschossige Gebäude zur Schutzklasse III. Das bedeutet, dass lediglich sieben Belüftungsmaschinen für den Handbetrieb, ansonsten jedoch keine sonstigen technischen Anlagen vorhanden und umfassende Neuinstallationen notwendig waren.

Am schwierigsten gestaltete sich das Ausschneiden der Fenster aus den etwa 1,10 Meter dicken Betonwänden, die mit besonders harten Splintsteinen und Stahlstäben durchsetzt waren. Um die Fassadenöffnung herzustellen, wurden eine obere und eine untere Öffnung gebohrt, durch die ein diamantbesetztes Metallseil zu führen war. Durch einen Motorantrieb fraß sich das fahrradkettenähnliche Seil innerhalb von etwa zwei Tagen durch den Beton. Nach allseitigem Abschluss des Vorgangs wurden die leicht konisch ausgesägten Betonklötze nach außen geschoben und mit einem Kran nach unten transportiert.

Da Bunker keine tragenden Innenwände besitzen und die Decken einen Querschnitt von etwa 1,40 Metern aufweisen, ließen sich die Räume frei aufteilen. So werden die ersten drei Geschosse heute als Lagerflächen und Garage genutzt. Die Wohnräume befinden sich im dritten Obergeschoss und in dem neu errichteten Staffelgeschoss. Erschlossen wird die Wohnung durch eine zwei bis drei Meter breite Betontreppe, welche bis zum dritten Obergeschoss in ihrer ursprünglichen Form belassen werden konnte. Lediglich die begrenzende Wand musste aus Brandschutzgründen neu hergestellt werden. Das Staffelgeschoss erreichen die Bewohner über eine neue Holztreppe. Während die erste Wohnebene u.a. ein großes Bad und ein Schlafzimmer mit jeweils eigenem Balkon sowie einen Garderobenbereich beherbergt, befindet sich im neuen, vierten Obergeschoss die offene Küche mit großem Wohnraum, ein zweites Bad sowie weitere Schlafräume.

Zwei diagonal gegenüberliegende Terrassen, ein umlaufender Balkon und zahlreiche bodentiefe Fenster sorgen für viel Helligkeit und erlauben einen weiten Blick über die Dächer der Umgebung. Über ein mittig über dem Wohnraum angeordnetes großes Oberlicht fällt zusätzliches Tageslicht herein. Das Dach des Staffelgeschosses kragt weit aus und nimmt die Kontur des Bunkers auf. Oberhalb der Terrassen sorgen in das Dach eingeschnittene, kreisrunde Öffnungen für eine bessere Belichtung.

Die erste Wohnebene, die noch im Bunkerbereich liegt, erhielt eine Innendämmung, um die Oberflächentemperaturen der massiven Außenwände etwas anzuheben und damit eine verbesserte Behaglichkeit in den Innenräumen herzustellen. Die Gebäudehülle des oberen Wohngeschosses besteht aus Leichtmetallfenstern und gedämmtem Kalksandsteinmauerwerk. Mit farbigen Eternitplatten verkleidet, stellen das Staffelgeschoss sowie die zum Teil farbig gestalteten Innenwände einen Kontrast zur grauen Betonfassade des Bunkers her, die in ihrem Ursprungszustand belassen wurde.

Insgesamt bewirkt die große Speichermasse der Bunkerwände ein phasenverschobenes Raumklima. Wenn in üblichen Gebäuden die Heizperiode beginnt, sorgen die im Lauf des Sommers aufgeheizten Wände noch für ausreichende Temperaturen in den Innenräumen. Dafür muss im Frühjahr länger geheizt werden, da die Bunkerwände sich im Winter abkühlen und entsprechend viel Zeit zur erneuten Erwärmung benötigen. Beheizt wird der Wohnbereich mit einem Gas-Brennwertkessel, für die Warmwasserbereitung sorgt eine Solaranlage auf dem Dach.

Bautafel

Architekten: Rainer Mielke und Claus Freudenberg, Bremen
Projektbeteiligte:
Hans-Jürgen Lukanz, Hannover (Bauleitung); J. & F. Schmitt, Bremen (Betonbohr- und Sägetechnik); Dachdeckerei Peter Knoop, Burgwedel (Dachdeckerarbeiten); Metallbau Andreas Kaletta, Burgdorf (Leichtmetallfenster)
Bauherr: privat
Fertigstellung: 2013
Standort: Trageweg 3, 30163 Hannover
Bildnachweis: Olaf Mahlstedt, Doris Haas-Arndt und Guido Janthor, Hannover

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