Umbau einer Porzellanmanufaktur in Rehau

Filzbespannungen und Lichtdeckensegel

Die Porzellanmanufaktur entstand zum Teil in der Hochphase des Industriezeitalters. 1902 wurde der erste Teil im Stil der zeittypischen Industriearchitektur erbaut, um 1950 kamen zwei weitere Bauteile hinzu. Der Bauherr entschied sich bewusst für den Erhalt des Gebäudes, da die Bauten der Porzellanindustrie seit mehr als 100 Jahren den Ort und die Umgebung prägen.

Umbau einer Porzellanmanufaktur in Rehau
Umbau einer Porzellanmanufaktur in Rehau
Umbau einer Porzellanmanufaktur in Rehau

Auf 3.200 m² sollten dennoch geschlossene Abteilungsleiterbüros, Arbeitsplätze für 150 Mitarbeiter, Zonen für Drucker und Kopierer, Besprechungsbereiche und Ausweicharbeitsplätze, eine Pausen- und Ausstellungszone und vor allem viel Stauraum für die großen Musterteile des Herstellers von Automobil-Kunststoffbauteilen untergebracht werden. Gewünscht wurde ein Büro, das sowohl den modernsten ergonomischen als auch EDV-, Klima-, und Licht-Standards entspricht.

Die beauftragen Architekten Weber und Würschinger hatten sich schon früher mit dem Thema "New Work" oder auch neue Bürowelten beschäftigt. Ausgehend vom Ende der klassischen Erwerbsarbeit, entwickelten sie 2001 das "odo > on demand office", ein Büro für den entwurzelten Job-Nomaden und Mobil-Worker. Deren Motto könnte doch lauten: Wenn es Arbeit gibt, mietet man sich im odo ein. Und wenn nicht? Dann gilt: kein Auftrag, kein Büro!
Eins zu eins wurde das odo bisher noch nicht umgesetzt. Aber einzelne Elemente davon konnten beim Umbau der alten Fabrik im oberfränkischen Rehau realisiert werden.

Mit dem Wunsch, die Historie des Gebäudes zu würdigen, wurde ein Farb- und Materialkonzept entwickelt, in dem sich der Werkstoff Porzellan in seiner Beschaffenheit und Farbe reflektiert. Alle Materialien des bestehenden Gebäudes mit industriellem Charakter wie Mauern, Säulen, Unterzüge, erhielten eine raue Oberfläche und wurden schallabsorbierend, weitgehend offenporig und in grauer Farbgebung ausgeführt. Alle übrigen vom Gebäude losgelösten Elemente wie die Sonderfunktionen, Tischgruppen und die Lounge, erhielten glatte Oberflächen in gebrochenem Weiß. Diese verhaltene Farbstimmung wird ergänzt durch kräftige orangefarbene Filzflächen und das Grün von Pflanzenflächen. Große Aufmerksamkeit wird dem Erhalt der "natürlichen" Oberflächenbeschaffenheit gewidmet. Massive Eichendielen werden mit weißer Holzbodenseife gepflegt, vorhandene Betonbauteile sind sandgestrahlt und gebürstet.

Die Mitarbeiter können aus einer ganzen Palette von verschiedenen Arbeitsplätzen den jeweils geeigneten für eine Aufgabe wählen. Neben den standardisierten offenen Arbeits- und Besprechungs-Plätzen gibt es eine Reihe kleinerer, sparsam möblierter Einzelbüros, die für Arbeiten mit einem hohen Konzentrationsgrad zur Verfügung stehen, die 8-m² großen Cockpits. Für kurze, schnell einberufene Besprechungen gibt es offene und geschlossene Ad-hoc-Besprechungsbereiche.

Akustik
Vor dem Umbau wurden Nachhallzeiten von bis zu 3 Sekunden gemessen. Es galt diese Nachhallzeiten in allen Bereichen auf deutlich unter 1 Sekunde zu reduzieren. Ermöglicht wurde dies durch den Einsatz von schallabsorbierenden untergehängten Decken in den Bereichen der Gruppenarbeitsplätze und des Dachstuhls, sowie durch die Verwendung von filzbespannten Akustikplatten im Bereich der Schrankfronten. In Einzelbereichen (Videokonferenzräume) wurden darüber hinaus perforierte Lichtdeckensegel eingesetzt.

Der Umbau wurde - zusammen mit dem BMW-Werk in Leipzig - mit dem von der Orgatec und der Wirtschaftswoche verliehenen Preis "Best Office" ausgezeichnet. Die Juroren würdigten eine "mutige Lösung, die den Menschen im Büro bei größtmöglicher Transparenz einerseits einen permanenten Informationsfluss ermöglichen, die Kommunikation aber andererseits auch in geordnete Bahnen lenken."

Bautafel

Architekten: Weber + Würschinger Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
Projektbeteiligte: Schneider und Partner Ingenieur Consult GmbH, Kronach (Statik); Haye Bakker Innenarchitekt, Berlin (Raumbildender Ausbau); Rehau AG + Co, Rehau (Akustikelemente); Barrisol-Normalu S.A.S. Kembs/F (Deckensegel)
Bauherr: Rehau AG + Co, Rehau
Fertigstellung: 2004
Standort: Zehstraße 5, 95111 Rehau
Bildnachweis: Weber + Würschinger, Berlin

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de