Tischlerei in St. Johann in der Haide

Viel Transparenz, kaum Stützen

Wer als Tischler keine Affinität zum Material Holz hat, sollte wohl den Beruf wechseln. Das trifft ganz sicher nicht auf die Möbelmanufaktur Faustmann im steiermärkischen St. Johann in der Haide zu. Als Ein-Personen-Betrieb von Erwin Faustmann gegründet, wuchs die Tischlerei innerhalb von gut 25 Jahren rasant und hat kürzlich eine neue, ausreichend große Produktionsstätte bezogen. Der Neubau vereint unter einem Dach die Planung, Logistik und Produktion, die sich zuvor an zwei Standorten befanden. Der Wunsch des Firmengründers und Bauherrn war es, das Gebäude mitsamt Büros fast vollständig aus Holz errichten zu lassen. Entworfen haben den funktionalen Bau die Planer des Büros Kreiner Architektur.

Die neue Produktionsstätte der Tischlerei ist eine reine Holzkonstruktion und bietet auf 8.591 m² Geschossfläche 120 Mitarbeitern Platz.
Alle vier Fassaden verfügen über große Glasflächen, um viel Licht einfallen zu lassen sowie Ein- und Ausblicke zu gewähren.
Der Raum ist tagsüber von natürlichem Tageslicht durchflutet. Aufgrund der umfangreichen Maschinerie des Tischlereiunternehmens war eine weitgehend stützenfreie Halle gefordert.

Die Tischlerei fertigt Möbel für Hotels, für Gastronomiebetriebe und für den privaten Bereich. Rund 1.500 Küchen liefert die Firma jährlich aus. Die neue Halle bietet auf 8.591 Quadratmetern Geschossfläche 120 Mitarbeitern Platz, davon 90 Tischler. Das 23.441 Quadratmeter große Grundstück, auf dem sich neben dem Neubau noch ein älteres Bestandsgebäude befindet, ist logistisch günstig gelegen an einer Autobahnabfahrt auf der Achse zwischen Wien und Graz.

Blickbeziehungen

Die Form und das Volumen des Baukörpers auf L-förmigem Grundriss entstanden nach Abwägung des städtebaulichen Umfeldes sowie unter Berücksichtigung optimierter Betriebsabläufe. Das Ergebnis ist ein flacher Zweigeschosser, der sich in die Landschaft einfügt. Die Büros befinden sich im Obergeschoss und sind als eine in sich geschlossene Einheit in die Halle eingestellt. Platziert an der Außenwand verfügen sie sowohl über Fensteröffnungen, die Blicke in die Umgebung gewähren, als auch über ein großes, umlaufendes Fensterband zur Produktionshalle. So können Gestalter während der Arbeit die Produktion der eigenen Entwürfe sehen.

Alle vier Fassaden verfügen über große Glasflächen, um viel Transparenz zu schaffen. Nicht nur sollen die Mitarbeiter die Möglichkeit haben, während der Arbeit den Blick in die Weite schweifen zu lassen. Das entspannt die Augen sowohl an Computerarbeitsplätzen als auch bei kleinteiligen Handwerksarbeiten. Ebenso sollen die Kunden und Interessierte die Möglichkeit zu haben, die Arbeit von draußen zu beobachten. Der Raum ist tagsüber von natürlichem Tageslicht durchflutet. Dazu tragen auch zahlreiche Lichtkuppeln der RWA-Anlage bei.

Holz: Vorgefertigtes Deckensystem in Kielform

Das Gebäude ist eine reine Holzkonstruktion, bei der alle tragenden Elemente aus dem Rohstoff gefertigt sind. Lediglich die Lackierhalle verfügt funktionsbedingt über eine Hülle aus Stahlbeton. Als das maßgebliche Material des Tischlereihandwerks, lag Holz für den Neubau auf der Hand. Dabei war dem Bauherrn nicht nur die Nachhaltigkeit der nachwachsenden Ressource wichtig, sondern auch die angenehme Atmosphäre, die naturbelassenes Holz verströmt.

Aufgrund der zahlreichen Maschinen der Tischlerei war eine weitgehend stützenfreie Halle gefordert. Um die großen Spannweiten zu überwinden, wurde auf ein Bauelement zurückgegriffen, das in Zusammenarbeit mit der Universität Graz entwickelt worden war und seit 2006 in der Steiermark produziert wird. Das flächenbildende und lastabtragende Bauelement basiert auf einer internen Wabenstruktur, die im Querschnitt an Wellpappe erinnert. Mit seiner charakteristischen Krümmung, die an einen Bootskiel erinnert, kann es Spannweiten bis zu 23 Meter überwinden. Hier wurden Elemente mit einer Gesamtlänge von 16 Metern auf einer Fläche von insgesamt 3.569 Quadratmetern in Sichtqualität verbaut.

Die Bauzeit von nur knapp sieben Monaten war möglich, weil die Holzkomponenten des Tragwerks und des Ausbaus über einen hohen Grad an Vorfertigung verfügten – ein Vorteil gegenüber dem konventionellen Bauen mit Beton. Die leichte Bauweise aus Holz eignete sich auch aufgrund des ungünstigen Baugrunds gut. Die Holzkonstruktion steht auf Stelzen, welche in den sandigen Untergrund getrieben wurden.

Bautafel

Architektur: Kreiner Architektur, Gröbming
Projektbeteiligte: Franz Feirer, Graz / Wilhelm Lerch, Hartberg (Tragwerksplanung); Kulmer Bau (Holzbau) Hochegger Dächer, Hartberg (Dachdecker); Indu Light, Halle an der Saale (Tageslicht und Brandschutz); Licht Loidl, Lafnitz (Elektro); Markus Königshofer / Helmut Stelzer, Mitterberg (Bauaufsicht); HKLS Haustechnik, Frankfurt am Main (HLS-Planung); TGA Dorner, Hartberg (Gebäudetechnik); Kielsteg, Graz (Flächentragsystem Decke)
Bauherrschaft: Erwin Faustmann
Fertigstellung: 2017
Standort: Rotleitenstraße 2, 8295 St. Johann in der Haide / Österreich
Bildnachweis: Jorj Konstantinov, Graz

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Die Grundrissstruktur ist im Holzbau stark geprägt durch die Deckenkonstruktion (im Bild: Wohnblock Wylerpark in Bern; Architekt: Rolf Mühlethaler)

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