Thormann-Speicher in Wismar
Sanierung eines denkmalgeschützten Speichergebäudes aus dem 19. Jahrhundert
Noch heute erinnern zahlreiche, zum Teil gut erhaltene, historische Gebäude an die einstige Blütezeit der Hansestadt Wismar an der Ostseeküste im Nordwesten Mecklenburgs. Auf der kleinen Halbinsel Alter Hafen im Norden der Stadt befindet sich der Thormann-Speicher, ein frei stehendes, vergleichsweise kleines Backsteingebäude im neogotischen Stil. 1862 vom Kaufmann und Reeder Johann Christian Thomann erbaut, diente der siebengeschossige Bau mit einer Nutzfläche von knapp 4.000 m² seinerzeit der Lagerung von Getreide. Nahezu dreißig Jahre später kaufte die Getreidehandelsfirma Loewe das Gebäude und modernisierte es 1907 durch den Einbau von Hebewerken, der Verstärkung der Tragkonstruktion und der Errichtung einer Ladebrücke am Kai.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging das denkmalgeschützte Gebäude in das Volkseigentum der DDR über und verlor seine eigentliche Funktion. Schließlich erwarb 2004 die Stadt Wismar den leer stehenden, zunehmend vom Verfall bedrohten Speicher und ließ eine Vorplanung für eine mögliche Umnutzung erstellen. Unabhängig von der zukünftigen, bisher nicht definierten, Nutzung wurden im ersten Bauabschnitt Fassade und Dach saniert. Geplant wurden die Maßnahmen unter denkmalpflegerischen Aspekten vom Lübecker Büro Mai Stadtplaner + Architekt.
Sanierung und Modernisierung
Die roten
Backsteinfassaden des imposanten, etwa 22 Meter hohen Speichers,
die durch umlaufende Gesimse horizontal gegliedert werden, weisen
eine zurückhaltende Gestaltung auf. Die zur Kaimauer gerichtete
Fassade besitzt als besonderen Schmuck zwei parallel angeordnete
Giebel, im Dachgeschoss finden sich umlaufende, plastisch wirkende
Fensterblenden. Die historischen Maueranker der Hauptfassade haben
noch heute die Form der drei Buchstaben J C T, die in
Verbindung mit der Jahreszahl auf den einstigen Bauherrn
hinweisen.
Jeder einzelne Ziegelstein wurde restauriert, weitere
17.000 in Dänemark handgefertigte Ziegel ergänzen die zu
ersetzenden Steine. Auch die Verfugung wurde weitgehend erneuert.
Sämtliche Fenster- und Türöffnungen blieben in ihrer Form erhalten.
In die ehemaligen Ladeluken setzten die Architekten Metallfenster
in einem zarten Türkiston ein. Lediglich an der Nordost- und an der
Südostfassade dienen neue, zum Teil bodentiefe Öffnungen zur
besseren Belichtung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss, zudem stehen
sie als zusätzlicher Rettungsweg zur Verfügung. Ehemalige
Schwingluken wurden durch leicht geneigt eingebaute
Metall-Schwingfenster ersetzt. Im Dachgeschoss optimiert ein großes
Oberlicht mit RWA-Flügeln die Tageslichtversorgung und
gewährleistet den notwendigen Brandschutz für die künftige Nutzung.
Auch die Speicherböden wurden zum Teil geöffnet, um das einfallende
Tageslicht zusätzlich für die darunterliegenden Räume nutzbar zu
machen.
Die innere Holzkonstruktion wies Holzschädlinge auf und war gemäß der statischen
Anforderungen zu verbessern. Neben der Durchführung einer
Schwammsanierung mussten außerdem Spuren von
Schädlingsbekämpfungsmitteln zu beseitigen. Insbesondere im
Dachgeschoss mussten Tragteile sowohl wegen des Schädlingsbefalls
als auch wegen der Schadstoffbelastung erneuert und ergänzt werden.
Die beiden leicht geneigten Traufseiten des Daches erhielten eine
Schiefer-Rechteck-Doppeldeckung, eine Dämmung des ist erst im
zweiten Bauabschnitt geplant. Erschlossen wird das Gebäudeinnere
über zwei neue Aufzugsanlagen und zwei durchgehende Treppenräume.
Die ehemaligen technischen Ausstattungen, wie z. B. die
Förderanlagen, sollen zur musealen Anschauung erhalten
bleiben.
Bautafel
Architekten: Mai Stadtplanung + Architekten BDA, Lübeck
Projektbeteiligte: Ingenieurbüro Cornelius Back, Lübeck (Statik); Ingenieurbüro Barkowski, Wismar (Haustechnik); Dr.-Ing. Günther Patzig, Wismar (Holzschutz); Zurow Bau, Krassow (Malerarbeiten); Zimmerei & Holzbau René Fenske, Martensdorf (Zimmererarbeiten); Bruno Dorroch, Gägelow (Tischlerarbeiten); Plau Metall, Plau am See (Fensterarbeiten)
Bauherr: Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft (DSK), Wiesbaden und Sanierungsträger der Hansestadt Wismar
Fertigstellung: 2011
Standort: Am Alten Hafen, Wismar
Bildnachweis: Doris Haas-Arndt, Hannover