Tate Modern Switch House in London

Vorgehängte perforierte Ziegelfassade

Seit der Eröffnung im Mai 2000 zählt ein Besuch der Tate Gallery of Modern Art, kurz Tate Modern genannt, zum Pflichtprogramm eines jeden Londonaufenthalts. Das nach Plänen von Herzog & de Meuron zum Museum für zeitgenössische Kunst umgestaltete ehemalige Kraftwerk, Bankside Power Station, ist ein Publikumsmagnet, an die fünf Millionen Kunstinteressierte aus aller Welt besuchen es jährlich. Mit dem Tate Modern Switch House wurde es nun um 23.600 Quadratmeter Nutzfläche erweitert. Der an den Bestand angrenzende Neubau stammt abermals von Herzog & de Meuron, deren Entwurf im Wettbewerb 2005 überzeugte.

Der Anbau Switch House dockt an der flussabgewandten Seite an die Tate Modern an
Schlitzartige, horizontale Fensterbänder gliedern die Fassade
64 Meter ragt der Anbau von Herzog & de Meuron in die Höhe

Die Tate Modern mit ihrem markanten fast 100 Meter hohen Schornstein liegt am südlichen Ufer der Themse. Ihr Erweiterungsbau dockt an die vom Fluss abgewandte Südwestecke des Museums an. Hier befand sich einst das namengebende Umspannwerk, englisch: switch house. Mit seiner Form erinnert der Neubau an eine in sich verdrehte und oben gekappte Pyramide. Schlitzartige, horizontale Fensterbänder gliedern den knapp 65 Meter hohen Baukörper. Im Schnittpunkt von Neu- und Altbau ordneten die Architekten den Eingangsbereich an, von dem aus die Besucher in beide Gebäudeteile gelangen.

Insgesamt verfügt der Anbau über elf Geschosse, deren Grundrisse allesamt unterschiedlich sind und die auch in der Höhe variieren. Als statisches Fundament und als Referenz an die Geschichte des Kraftwerks wurden die über drei Meter dicken Stahlbetonmauern der drei kleeblattförmig angeordneten Öltanks im Untergeschoss erhalten. Zwei sind mit ihren über 30 Metern Durchmesser nach wie vor erlebbar und werden als Säle für Veranstaltungen wie Tanz-, Musik oder Videoperformance genutzt. Neu eingezogene Stützen sind schräg angeordnet, um sich deutlich von der Bestandssubstanz abzuheben. Da die Öltanks und die Turbinenhalle des Altbaus auf einer Ebene liegen, können die Besucher auch hier zwischen beiden Häusern wechseln.

Das Erdgeschoss beherbergt ein Café sowie einen Museumsshop. Auf der ersten bis dritten Etage entstanden 3.500 Quadratmeter zusätzliche Ausstellungsfläche. Das entspricht einem Zugewinn von 60 Prozent. Über einen Brückensteg im Parterre und eine weitere Brücke im dritten Stock sind die beiden Bauten über den Luftraum der Turbinenhalle hinweg miteinander verbunden. Die vierte bis siebte Etage ist den so genannten Member-Rooms, dem Clubraum, einer Bar für die Mitglieder des Museums sowie der Personalkantine und den Veranstaltungsräumen vorbehalten. Die beiden obersten Stockwerke sind dann wieder für alle Besucher zugänglich. Im achten Geschoss befindet sich das Restaurant und im neunten, dem obersten, schließlich die Dachterrasse mit unverstelltem 360-Grad-Rundumblick über London.

Mauerwerk

Das Tate Modern Switch House ist als Stahlbetonbau mit Vorhangfassade konzipiert. Während die Architekten im ursprünglichen Wettbewerbsentwurf von 2005 für den Museumsanbau noch eine Glashülle vorsahen, entschied man sich 2008 im Rahmen der Überarbeitung des Konzepts für eine vorgehängte perforierte Ziegelfassade. Mit dieser Entscheidung knüpfen die Architekten Herzog & de Meuron formal an das Sichtmauerwerk der Tate Modern an; gemeinsam mit den Fachplanern von Ramboll entwickelten sie die Verkleidung aus circa 336.000 Backsteinen.

Die verwendeten Ziegel haben ein spezielles Format mit einer quadratischen Grundfläche von 21,5 x 21,5 cm und einer Höhe von 6,9 cm. Jeweils zwei davon wurden übereinander zu einem Block von 21,5 x 21,5 x 14,5 vermörtelt, anschließend auf Lücke gesetzt und über Edelstahlstifte miteinander verbunden (siehe Abb. 20). So entstand ein Lochmuster und das massive Material Ziegel wird zu einer halbtransparenten, luftigen Hülle für das Museum. Zudem springen die Steinschichten alternierend vor bzw. zurück, sodass anstelle einer glatten Oberfläche eine reliefartige Textur entsteht, auf der sich das Licht je nach Sonnenstand unterschiedlich bricht. Bei Nacht hingegen bringt das perforierte Mauerwerk das Gebäude zum Leuchten.

Über Konsolen und Anker ist die Vorhangfassade punktuell mit dem Stahlbetontragwerk verbunden. Die Perforation sorgt dabei für eine statische Entlastung der windoffenen Konstruktion. Die Verbindungsstücke konnten dank geringerer Druck- und Sogkräfte und aufgrund des geringeren Gewichts der Verkleidung sparsamer dimensioniert werden als bei einer vergleichbaren, durchgängig geschlossenen Ziegelfassade.

Bautafel

Architekten: Herzog & de Meuron, London
Projektbeteiligte: Gardiner & Theobald Management Services, London (Projektmanager); Arup, London; Ramboll UK, London (Tragwerksplanung); Ramboll UK, London; Billings Design Associates, Dublin (Fassadenplanung); Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich (Landschaftsarchitektur); Jasper Morrison, London (Möblierung); Arup Lighting, London (Lichtplanung); Max Fordham Consulting Engineers, London; Arup, London (HLS); Aecom, London (Kostencontrolling); Mace, London (Bauleitung); Swift Brickwork Contractors, Chelmsford (Ausführung Mauerwerk)
Bauherr: Tate Gallery of Modern Art, London
Fertigstellung: 2016
Standort:
Bankside, London SE1 9TG, Großbritannien
Bildnachweis: Iwan Baan; Herzog & de Meuron, Basel; Ramboll UK, London

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