Stadtbahn in Karlsruhe

Lichtkunst für den Untergrund

Sieben Haltestellen in sieben Minuten –  so schnell lässt sich die Karlsruher Innenstadt seit Ende 2021 erschließen. Grund dafür ist ein neuer, unterirdischer Stadtbahntunnel, der nach zwölfjähriger Bauzeit sieben innerstädtische Stationen T-förmig miteinander verbindet. Seine Gestaltung trägt optisch die Handschriften aller Beteiligten: Die Basis bilden die Tunnelbauwerke, vorgegeben durch die Ingenieurleistung; formal stark reduziert ist die Raumarchitektur von Allmannwappner, die durch die Farbe Weiß und das einheitliche Material für Wand, Decke und Boden bestimmt wird. Darin eingebettet ist das außergewöhnliche Kunst-am-Bau-Lichtkonzept von Ingo Maurer – das die Haltestellen mit filigranen, hängenden Drahtseil-Konfigurationen und schmalen Leuchten zum Leben erweckt.

Die sieben Haltestellen folgen alle dem gleichen Gestaltungskonzept, unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihrer Kubatur, die von der jeweiligen städtischen Situation bestimmt wird.
Weiße Raumschalen bekleiden die Bahnsteigbereiche allseitig, wobei die Übergänge zwischen Boden, Wand und Decke abgerundet sind.
Inspiration für den lichtkünstlerischen Eingriff waren die Oberleitungen der Straßenbahnen; dementsprechend sind in den Banhöfen Drahtseile als Beleuchtungsaufhängung quer über beide Bahnsteige gespannt.

Mit Abschluss der Baumaßnahmen hat sich das Bild der Karlsruher Fußgängerzone – zwischen Europa- und Kronenplatz – durch den Wegfall von Schienen und Bahnen maßgeblich verändert. Die Ost-West-Achse des Tunnels beginnt im Osten in der Durchlacher Allee und führt über die Haltestellen Durlacher Tor, Kronenplatz, Lammstraße und Europaplatz bis zum Mühlburger Tor. An der Lammstraße führt außerdem eine orthogonale Abzweigung des Tunnels in den Süden und erschließt die Haltestellen Marktplatz, Ettlinger Tor und Kongresszentrum.

Sieben Haltestellen als Raumsequenz

Die sieben Haltestellen des Stadtbahnprojekts wirken als abgeschlossene Raumsequenz zusammen und weisen alle ein einheitliches Gestaltungskonzept auf. Lediglich die Kubatur unterscheidet sich, die jeweils von der spezifischen städtischen Situation bestimmt wird. Das zurückhaltende Design der Haltestellen steht dem regen Treiben und der optischen und akustischen Reizdichte der darüber liegenden Fußgängerzone gegenüber und unterstreicht die formalen Eigenschaften des Raumes.

Drastische Reduktion und farbliche Homogenität

Jede Haltestelle setzt sich jeweils aus zwei Raumkategorien zusammen, die unterschiedlichen architektonischen Konzepten folgen: Die Transferräume bilden den Übergang vom Außenraum zum Bahnsteig und umfassen den überirdischen Zugang samt Treppen und Zwischengeschosse. Hier bleibt das Ingenieurbauwerk vollständig ablesbar: Charakteristisch sind die rohen, gestockten Betonwände, grauer Terrazzoboden und scheinbar zufällig platzierte, kegelförmige Deckeneinbaustrahler, die ungerichtetes Licht verstreuen. Die Bahnsteigebenen unterscheiden sich stark von diesen vorgelagerten Räumen durch drastische Reduktion und farbliche Homogenität. Sie sind allseitig in weiße Raumschalen gehüllt, wobei die Übergänge zwischen Boden, Wand und Decke abgerundet sind. Großformatige Betonwerksteine bedecken den Boden und die halbe Wandhöhe; der obere Wandabschnitt und die Decke bestehen hingegen aus einer akustisch wirksamen Trockenbaukonstruktion. Dieser neutrale Hintergrund lässt dem künstlerischen Eingriff durch Ingo Maurer den Raum, den er benötigt.

Filigranes Seilnetz für die Beleuchtung

Inspiration für die lichtkünstlerische Intervention waren die Oberleitungen, die bei Straßenbahnen aufgrund fehlender Stromschienen als Antrieb benötigt werden. In Anlehnung daran sind in den neuen Bahnhöfen – neben den notwendigen Oberleitungen für die Bahn – Drahtseile als Beleuchtungsaufhängung quer über beide Bahnsteige gespannt.

Jeweils sechs Seile sind zu Seil-Segmenten zusammengefasst; dabei liegen jeweils drei Seile in zwei Reihen nebeneinander. Diese tragen auf jeder Seite des Bahnsteigs jeweils zehn röhrenförmige LED-Langfeldleuchten, die alle streng in Fahrtrichtung verlaufen. Die Höhe, in der sie aufgehängt wurden, variiert hingegen scheinbar zufällig. Sechs der Leuchten sorgen für eine gleichmäßige Ausleuchtung der Bahnsteige, die weiteren vier erhellen den Deckenraum und lassen ihn dadurch optisch an Höhe gewinnen.

Als zusätzliche Effektbeleuchtung kommen vereinzelt RGB-Spots zum Einsatz. Diese bündeln rotes, blaues und grünes Licht zu weißen Lichtkegeln und erzeugen zunächst helle Akzente auf den Bahnsteigen. Sobald eine Person diesen Punkt durchläuft, erscheinen farbige Schatten – und die Passant*innen werden zu Akteur*innen der Lichtkunst. -si

Bautafel

Architektur: Allmannwappner, München
Projektbeteiligte: Ingo Maurer, München (Lichtplanung); Obermeyer Planen und Beraten, München (Tragwerksplanung, TGA, Schallschutz); Spiekermann, München (Tragwerksplanung); ZPP-Ingenieure, München (Tragwerksplanung Ausbau); Stuvatec, Köln (Brandschutz); Schüssler-Plan Ingenieurgesellschaft, Düsseldorf (Projektsteuerung); pandesign, Karlsruhe (Signalethik); NORKA Norddeutsche Kunststoff- und Elektrogesellschaft Stäcker, Hamburg (Beleuchtung); Schwab-Stein, Horb am Neckar (Bodenbeläge und Fassade); Sto, Stühlingen (Trockenbau); HODAPP, Achern (Türen und Tore); Carl Stahl Hebetechnik, Süßen (Seile und Seilkomponenten) ZETCON Ingenieure, Berlin (Bauleitung)
Bauherr/in: KASIG - Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft
Fertigstellung: 2021
Standort: Karlsruhe
Bildnachweis: Brigida Gonzales; allmannwappner

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