Solarlux-Campus in Melle

Größtes Geothermiefeld in Norddeutschland beheizt sechs Firmengebäude

Die Lage im Dreieck Osnabrück, Bielefeld, Münster und die direkte Anbindung an die Autobahn A30 machen die niedersächsische Stadt Melle zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort. Südwestlich der Innenstadt hat das Unternehmen Solarlux auf einem 13 Hektar großen Grundstück eine neue Firmenzentrale mit Verwaltung und Produktionsstätten für 600 Mitarbeiter errichtet. Der Hersteller von Glas-Faltwänden und -anbauten vereint damit erstmals sämtliche Firmenstandorte unter einem Dach. Mit der Gesamtplanung des Solarlux Campus wurde der auf Industrie- und Gewerbebau spezialisierte Berliner Generalplaner DIA179 beauftragt.

Die Planung des neuen Firmensitzes erfolgte durch den Berliner Generalplaner DIA179.
Elf jeweils 12,50 Meter hohe Pfeiler aus Sichtbeton stützen am Haupteingang des Verwaltungsgebäudes das auskragende Dach.
Die schlanken Pfeiler betonen die Höhe.

Herzstück des neuen Firmensitzes ist ein dreigeschossiges Verwaltungsgebäude mit einer Doppelfassade aus Glas. Mit seinem auskragenden Dach, das von elf jeweils 12,50 Meter hohen Pfeilern aus Sichtbeton gestützt wird, ist es bereits von der nahen Autobahn aus sichtbar. Neben Büros beherbergt das Gebäude einen Konferenz- und Schulungsbereich, ein Café, ein Mitarbeiterrestaurant sowie den Empfang. Die Eingangshalle, das sogenannte Forum, dient mit einer Raumhöhe von 15 Metern zugleich als Showroom für die hergestellten Produkte. Ein transparentes Folienkissendach und farblich dimmbare LED-Leuchtringe sorgen für optimale Ausleuchtung. Die Produkte sind auf Ausstellungsinseln platziert, die auf Luftkissen ruhen. Sie lassen sich frei im Raum verschieben, falls Platz für eine Veranstaltung benötigt wird.

Klar strukturiertes Gebäudekonzept

Südlich des Verwaltungsgebäudes schließen eine Halle für die Pulverbeschichtung und ein vollautomatisches Hochregallager an. Die zu bearbeitenden Aluminiumprofile gelangen aus dem Hochregallager zunächst in die Beschichtungshalle. Anschließend werden sie in der östlich davon liegenden Alu-Montagehalle zu Faltwänden und Glasanbauten zusammengesetzt. Die fertigen Produkte werden von dort aus weiter ins Logistikzentrum transportiert. Über eine eigene Zufahrt mit Be- und Entladerampe können LKWs sowohl das Hochregallager als auch die Logistik zum Warenumschlag anfahren. Am östlichen Firmengelände befindet sich eine weitere Halle. Sie dient der Holzfertigung. Das Dach der Aluminiumfertigung ist aus Stahlfachwerkträgern konstruiert. Im Holz- und Logistikbereich wurden dagegen Holzleimbinder verbaut. Die Fußböden bestehen aus geschliffenem Weißzement-Estrich. Die Fassaden zeigen ein Wechselspiel von Glas, Reliefbeton mit Barcode-Gravur und Aluminiumlamellen. Begrünte Innenhöfe, Loggien und verglaste Gänge verbinden die einzelnen Gebäude miteinander.

Transparenz und Offenheit als Leitbild

Für den Bauherrn war es selbstverständlich, dass die eigenen Produkte in nahezu allen Gebäuden auf dem Gelände zum Einsatz kommen. Helligkeit und Offenheit wurden nicht nur für die Verwaltung, sondern auch für die Produktion angestrebt. So sind in der Fassade der Aluminiumfertigung 5,20 Meter hohe Glasfaltwände verbaut. Sie lassen nicht nur Tageslicht ins Gebäude, sondern geben den Mitarbeitern auch die Möglichkeit, ihren Arbeitsplatz bei gutem Wetter nach außen hin zu öffnen. Besucher auf dem Gelände können direkt in die Herstellungsbereiche blicken. In die Mitte der Produktionshallen dringt zusätzliches Licht durch nach Norden ausgerichtete Sheddächer. Im Norden des Komplexes gibt es einen großen mit Pflanzen, Holz- und Steinpodesten sowie Wasserbecken gestalteten Außenbereich, den die Mitarbeiter in ihren Pausen nutzen können.

Heizung: Erdwärme, Blockheizkraftwerk und Abwärme

Ziel der Planung war es, einen nachhaltigen Firmencampus zu realisieren, der erneuerbare Energie und Energierückgewinnungssysteme nutzt, dafür aber keine technisch aufwändigen Lösungen benötigt.

Sechzig Prozent des Heizbedarfs wird durch eine Sole-Wasser-Wärmepumpe mit 225 kW Leistung gedeckt. Sie bezieht ihre Wärme aus einem Erdsondenfeld mit achtzig Sonden, die achtzig Meter tief in die Erde reichen. Damit ist es das derzeit größte Geothermiefeld in Norddeutschland. Das in den Sonden zirkulierende Wasser erwärmt sich auf Temperaturen von 16 bis 18 Grad. Ein Wärmetauscher entzieht die Energie. Anschließend wird sie von der Wärmepumpe auf ein für Heizzwecke nutzbares Temperaturniveau gehoben.

Wärmeverteilung

Die Verteilung der Wärme im Verwaltungsgebäude erfolgt durch eine Betonkernaktivierung. Dazu wurden insgesamt 15 Kilometer Rohrregister in den Böden und Geschossdecken verlegt, durch die das warme Heizungswasser strömt. Zur Kühlung an heißen Sommertagen wird der Prozess umgekehrt. Bei dieser sogenannten passiven Kühlung wird kühles Sondenwasser durch die Rohrregister gepumpt, das die Gebäudewärme aufnimmt und im Erdreich wieder abgibt. Der Verdichter der Wärmepumpe ist dabei nicht in Betrieb, was die Stromkosten senkt. Nur die Umwälzpumpen arbeiten.

Der Produktions- und Logistikbereich wird mit einer Industriefußbodenheizung beheizt. Da Fußbodenheizungen im Vergleich zu anderen Heizsystemen keinen Staub aufwirbelen, verbessert sich für die Mitarbeiter das Raumklima und die Luftqualität. Die Bodenplatte aus Beton fungiert darüber hinaus auch als Wärmespeicher.

BHKW und Prozesswärme

Neben der Wärmepumpe liefern sowohl die Produktionsprozesse in der Pulverbeschichtung als auch ein erdgasbetriebenes Blockheizkraftwerk (BHKW) weitere Wärme. Die Pulverbeschichtung erfordert konstant hohe Temperaturen, wobei viel Abwärme anfällt, die verwertet wird. Ein Teil fließt zurück in die Produktion und senkt deren Energiebedarf. Der Rest wird zum Heizen der Fertigungshallen genutzt und in das Erdsondenfeld eingeleitet, damit sich dieses noch besser regeneriert. Das BHKW versorgt vor allem die Heißwasserverbraucher, wie beispielsweise beheizte Becken in der Beschichtungsanlage. Der durch das BHKW erzeugte Strom wird im Unternehmen nahezu komplett verbraucht.

Bildende Bauten

Viele der haustechnischen Prozesse auf dem Solarlux Campus wie beispielsweise die thermische Aktivierung der Bauteile oder die Wärmegewinnung durch Geothermie geschehen im Verborgenen. Der Bauherr setzt deshalb weltweit erstmals in einem Neubau das Konzept Bildende Bauten des Osnabrücker Architekten Peter Kuczia um. Technische und ökologische Zusammenhänge, die für das Gebäude von Relevanz sind, werden Mitarbeitern und Besuchern mit Hilfe von Piktogrammen und Informationstafeln vermittelt. Gebäude werden dadurch zum „begehbaren Exponat“.

Bautafel

Architekten: DIA 179 – German Industry Architecture, Berlin (Generalplaner)
Projektbeteiligte: Solarlux, Melle (Mitarbeit Entwurf/Projektleitung); Statix, Leipheim (Tragwerksplanung); Innius GTD, Berlin (Planung TGA); Kaulich & Hofmann, Lappersdorf (Elektroplanung); Faatz Lichtberatung, Eckental (Lichtplanung); hhpberlin Ingenieure für Brandschutz, Berlin (Brandschutzplanung); Lützow 7 C.Müller J.Wehberg, Berlin (Landschaftsplanung), Solarlux Melle (Hersteller Fenster, Fassade); Viessmann Werke, Allendorf (Hersteller Sole-Wasser-Wärmepumpe)
Bauherr: Solarlux, Melle
Fertigstellung: 2016
Standort: Industriepark 1, 49324 Melle
Bildnachweis: DIA179, Berlin und Solarlux, Melle

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