Skulpturale Feuertreppe in Freiburg

Brandschutz als Hingucker am Kollegiengebäude I der Albert-Ludwigs-Universität

Im Nordosten wird der Platz der Alten Synagoge, der bis zu den Novemberpogromen des Jahres 1938 Standort der Kultstätte der Jüdischen Gemeinde war, durch das Freiburger Stadttheater begrenzt, wohingegen die anderen Seiten durch Hochschulbauten eingenommen sind: Neben der Universitätsbibliothek, deren Umbau in den letzten Jahren hohe Wellen schlug (s. Surftipps), gehört mit dem Kollegiengebäude II aus den 1950er-Jahren auch eines der bekanntesten Werke des südwestdeutschen Architekten Otto Ernst Schweizer dazu. Komplettiert wird das Ensemble im Herzen von Deutschlands südlichster Großstadt durch das 1911 fertiggestellte Kollegiengebäude I, das zum umfassenden wie vielfältigen Oeuvre Hermann Billings gehört und Sitz der Theologischen und Philologischen Fakultät ist. Es wird derzeit nach Plänen des Architekturbüros Kuhn und Lehmann saniert. Dabei ist der kaiserzeitliche Bau der Albert-Ludwigs-Universität um eine Fluchttreppe ergänzt worden, die mit der Bestandsarchitektur korrespondiert, ohne sie zu imitieren.

Entsprechend wurde der kaiserzeitliche Bau an der nordwestlichen Ecke, zwischen dem Platz der Alten Synagoge und dem Platz der Weißen Rose, mit einer neuen Feuertreppe ausgestattet.
Das Planungskollektiv musste dabei nicht nur Rücksicht auf eine alte Platane nehmen, sondern auch der Luftansaugung des Nachbargebäudes in ihrem Entwurf Rechnung tragen.
Umwunden durch ein metallenes Band, nimmt der Zubau Bezug auf die ganz eigene Architektur des Bestandsgebäudes, ohne diese zu imitieren.

Neben Seminar- und Hörsälen birgt das in roten Maintäler Sandstein gekleidete Gebäude auch Büro- und Bibliotheksräume sowie die repräsentative Aula. Nachdem unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten bereits in den vergangenen Jahren diverse Ein- und Umbauten aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts rückgängig gemacht wurden, oblag es dem Freiburger Büro, diesen Revisionsprozess fortzuführen. Dabei galt es auch, die Unterrichtsräume, wo noch nicht geschehen, herzurichten und den Bau, etwa durch die Zonierung in neubestimmte Brandabschnitte, den heutigen baugesetzlichen Anforderungen anzupassen. Von einem gestalterischen Anspruch, durch den sich das Planungsteam selbst bei diesen technischen Eingriffen leiten ließ, zeugt nicht zuletzt der geschickte Einsatz zurückhaltender Glaselemente, die dezent genug sind, die räumlichen Zusammenhänge nicht zu konterkarieren.

Brandschutz: Neue Fluchtwege

Derweil offenbarte eine Brandschutzsimulation nicht nur das Erfordernis eines neuen Fluchttreppenhauses, das derzeit im Innern des Baukörpers geschaffen wird; vielmehr wurde deutlich, dass auch Bedarf nach einer zusätzlichen Außentreppe besteht, die für die nordöstliche Gebäudeecke vorgesehen wurde. Wenngleich ein Rücksprung hier den erforderlichen Platz für die Notstiege bot, galt es einer alten Platane ebenso Rechnung zu tragen wie der Hauptluftansaugung des gegenüberliegenden Hochschulbaus aus der Nachkriegszeit, die an ebendieser Stelle in den Boden eingelassen ist. Schließlich sollte die Gestalt des Zubaus selbstverständlich auch mit der Architektur des über hundert Jahre alten Universitätsgebäudes korrespondieren.

Alternde Verkleidung

In der Absicht, keineswegs in Konkurrenz zu dem kaiserzeitlichen Bau zu treten, noch, die Gestaltung von Billing mimetisch fortzuschreiben, orientierten sich die Architektinnen und Architekten an der Bedachung wie auch den Traufen und Fallrohren des Bestandsgebäudes – entsprechend wurde die lichte Stahlkonstruktion in eine kupferne Hülle gekleidet. Der extravaganten Architektur des Hochschulbaus entsprechend, wird der Treppenturm dabei in geradezu skulpturaler Weise von den metallenen Paneelen umwunden, die der Steigung folgen, ohne sie jedoch pedantisch nachzuzeichnen. Zu ebener Erde schließlich läuft dieses Band aus, indem es als Barriere einem unbefugten Zutritt entgegensteht. Derzeit noch rötlich-gelb, soll dieses Kleid in den kommenden Jahren oxidieren und den grünlichen Farbton annehmen, der auch das Spenglerwerk des Altbaus bestimmt. –ar

Bautafel

Architektur Sanierung und Feuertreppe: Kuhn und Lehmann, Freiburg
Architektur Altbau 1911:
Hermann Billing, Karlsruhe
Projektbeteiligte: ag brandschutz, Freiburg (Brandschutz); Hoba, Adelberg (Brandschutztüren); Frenzel Klumpp Bauingenieure, Offenburg (Tragwerksplanung); Metallbau Konrad, Mudau (Metallarbeiten)
Bauherrschaft: Vermögen und Bau Baden-Württemberg
Fertigstellung: 1911/2019
Standort:
Platz der Universität 3, 79098 Freiburg im Breisgau
Bildnachweis: Achim Birnbaum, Stuttgart

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