Skifahren auf dem Steildach

Kühne Planungsvision und innovative technische Umsetzung

In der Regel denkt niemand im Traum daran, auf einer Müllverbrennungsanlage seine Freizeit zu verbringen. Ganz anders verhält es sich beim Amager Ressource Center, einer Müllverbrennungsanlage in Kopenhagen, die im Oktober 2019 fertiggestellt wurde. Angesiedelt wurde die Anlage, die rund 100.000 Haushalte mit Elektrizität und Wärme versorgt, zentrumsnah auf dem nördlichen Teil der rund 96 Quadratkilometer großen Insel Amager im Öresund. Unter dem Namen Copenhill wurde das Gebäude mit Skipiste auf dem Dach zu einem neuen Wahrzeichen Kopenhagens – verdientermaßen, wie der Bundesverband GebäudeGrün (BUGG) findet. Er zeichnete das einzigartige geneigte Dach als Gründach des Jahres 2020 aus. Umgesetzt wurde das Projekt durch BIG Bjarke Ingels Group und die Landschaftsarchitekten von SLA, beide aus Kopenhagen. Basis der begrünten Dachflächen sind Dränagematten und –platten des Herstellers Zinco.

Mit 87 Metern Höhe ist das Amagar Ressource Center der neue artifizielle Hausberg der Stadt.
Auf 16.000 Quadratmetern bietet Copenhill Platz für diverse Freizeitaktivitäten.
450 Meter Skipisten sind ganzjährig nutzbar.

Copenhill ist ein herausragendes Beispiel für das Potenzial geneigter Dächer bei kühnen Planungsvisionen, kombiniert mit innovativer technischer Umsetzung. Auf einer Dachfläche von 16.000 Quadratmetern entstand ein Naherholungsbiet mit Skipiste mit vier Liftanlagen, Wandertrails sowie Treppenwegen für Spaziergänger, die den neuen „Hausberg“ der flachen dänischen Hauptstadt erklimmen wollen. Man kann aber auch einfach mit dem Aufzug zur Aussichtsplattform mit Café fahren und den Blick über die Stadt und den Öresund bis nach Malmö genießen.

Eine große Herausforderung bei der Dachneigung von bis zu 30° und einer Höhe von 89 Metern stellt der Erosionsschutz dar. Starke Regenfälle und zudem Meereswind waren dabei mit zu berücksichtigen. Die bituminös abgedichtete Betondachfläche wurde daher mit schrägen Schwellen ausgerüstet, die Hangwasser zu den seitlichen Dachgullys ableiten. Zudem sind zahlreiche Widerlager über Schraubanker aufbetoniert (speziell im Bereich der Gehölzpflanzungen), um stabile Befestigungsmöglichkeiten zu schaffen. Auf dieser Grundlage kamen die rutschhemmenden Dränagematten Elastodrain und Protectodrain des Herstellers ZinCo – abhängig vom jeweiligen Nutzungsbereich – zum Einsatz.

Für die 450 Meter lange Skipiste, die rund 8.000 Quadratmeter der Dachfläche einnimmt, bildete die Dränageplatte Protectodrain PD 250 die Basis. Die Substratschicht bettete man in zwei Kunststoffnetze, die mit 500.000 Kabelbindern fest miteinander verbunden wurden. Zusätzlich brachte man hier rund 70.000 Metallplatten an. Auf diese ist der eigentliche Pistenbelag verschraubt. Er besteht aus 30 x 30 cm großen Kunststoffmatten. Die Matten sind in unterschiedlichen Grüntönen gehalten, was zusammen mit dem unterschiedlich starken Gefälle des Daches die Wirkung eines natürlichen Hangs mit echtem Gras erzeugt. Wer die Piste erneut befahren will, kann mit Tellerlift, Förderband oder dem Aufzug zum Aussichtsplateau gelangen.

Zu beiden Seiten der Skipiste befinden sich auf rund 3.000 Quadratmetern Dachfläche sowohl Treppenaufgänge als auch ein Netz von Wanderwegen. In diesen Bereichen wählte man die Dränage- und Bautenschutzmatte Elastodrain EL 200 aus vollvulkanisiertem Kautschuk als Basis. Darüber folgten Systemfilter, PV-Modulde sowie verzinkte Armierungsgitter. Sie sind auf entsprechenden Abstandhaltern angebracht, die auf diese Weise mittig einbetoniert werden konnten. Beton verblieb auch als unebener Sichtbelag, der Gebirgspfade simuliert.

Die bepflanzten Bereiche des  Hangs auf 3.000 Quadratmetern wurden als robuste Naturlandschaft auf den Dränageplatten Protectodrain PD 250 aus ABS-Kunststoff ausgeführt. Diese sind wegen ihrer unterseitig aufkaschierten Gummischutzmatte rutschhemmend. Auf die Systemfilter folgten 5.000 Tonnen Systemerde auf der Basis recycelter Tonziegel des gleichen Herstellers. Sie wurde aufgeblasen, über Förderbänder verteilt oder per Kran im Big Bag aufgebracht. Die Substrathöhe variiert von 20 Zentimetern bis zu über 100 Zentimetern für die Gehölze mit größeren Wurzelballen.

Ausgewählt wurden für Dänemark typische Pflanzenarten, die robust genug sind, um im besonderen Mikroklima des Daches zu gedeihen. In sehr steilen und somit erosionsgefährdeten Bereichen setzte man gezielt Vegetationsmatten ein. Sie wurden dafür über ein Jahr lang vorkultiviert. Gerade unterhalb der Baumpflanzungen war das notwendig, da sie eine besondere Verankerung brauchten. Über die betonierten Widerlager legte man aufgekantete Gitter und schuf somit stabile Befestigungsmöglichkeiten für das Festzurren der Wurzelballen. Insgesamt 300 Bäume, von denen der größte Baum 2,5 Tonnen wiegt, wurden wind- und erosionssicher angepflanzt. Eine Tropfschlauchbewässerung sorgt für das Gedeihen der artifiziellen grünen Bergwelt. So kann die artenreiche Bepflanzung mit Gräsern, Kräutern, Stauden, Sträuchern und Bäumen auch zur Aussamung von Pflanzen in der Umgebung dienen.

Architektur: BIG Bjarke Ingels Group, Kopenhagen und SLA, Kopenhagen; Projektbeteiligte: Malmos A/S, Roskilde (Ausführung Dachbegrünung) sowie Copenhill A/S, Jesper Kongshaug, BIG Ideas, AKT, Topotek 1, Lüchinger + Mayer, Man Made Land, Realities:United; Bauherrschaft: Amager Ressource Center; Standort: Insel Amager, Kopenhagen; Fertigstellung: 2019; Bildnachweis: Zinco Denmark, Ehrhorn Hummerston, SLA

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