Seminargebäude der Hochschule Bochum

Erschließung in signalrot

Auf dem Campus der Hochschule Bochum erhebt sich ein neues Seminargebäude für die Fachbereiche Architektur und Bauingenieurwesen. Der vom Darmstädter Büro Netzwerkarchitekten geplante Neubau lässt an bekannte Hochschulbauten der jüngeren Architekturgeschichte denken – nicht zuletzt durch die Betonung der Erschließungszonen.

Durch einen neuangelegten Platz vom früheren Kantinengebäude getrennt, beherbergt der Neubau Unterrichtsräume und Lehrstuhlbereiche.
Dabei gibt schon die Fassade Aufschluss über die innere Struktur des Gebäudes.
So tut sich an der Ostseite ein weitläufiges Treppenhaus auf.

So wie das Architektenhaus nicht selten Auskunft über das Berufsverständnis seiner Bewohnerinnen und Bewohner gibt, ist spezifischen Auffassungen des Planens und Bauens in der Vergangenheit auch durch die Gestalt von Hochschulbauten, die zum Zweck der Architekturlehre errichtet wurden, Ausdruck verliehen worden. Wo Paul Rudolphs Art and Architecture Building in New Haven einer begehbaren Skulptur gleichkommt, muss Philip Johnsons Entwurf für die Rice University, unmissverständlich durch das Werk Claude-Nicolas Ledoux inspiriert, als Bekenntnis zu einer neuerlichen Auseinandersetzung mit der Architekturgeschichte verstanden werden. Als bautechnisches wie auch typologisches Experiment kann hingegen das Hochhaus der Architekturfakultät der Technischen Universität Berlin gelten, das nach Plänen von Bernhard Hermkes entstanden ist (s. Surftipps). Statt allein funktionale Erschließungskerne anzulegen, platzierte Hermkes gläserne Treppenhäuser an den Stirnseiten des Gebäudes, sodass sie zugleich als Präsentationsflächen genutzt werden können und Raum für informelle Begegnungen bieten. Eine ganz ähnliche Konzeption liegt dem Seminargebäude zugrunde, das 2019 durch die Fachbereiche Architektur und Bauingenieurwesen der Hochschule Bochum bezogen werden konnte.

In direkter Nachbarschaft des denkmalgeschützten Campus der Ruhr-Universität thront die Bochumer Hochschule oberhalb des Ruhrtals. Vis-à-vis des Hautgebäudes, das südlich der Straße Am Hochschulcampus liegt, war zu Beginn der 1960er-Jahre eine Mensa errichtet worden, deren Gestalt unübersehbar durch die amerikanischen Universitätsbauten Mies van der Rohes beeinflusst ist. Nach verschiedenen Zwischennutzungen, auch durch die Hochschule, beherbergt das Erdgeschoss seit 2011 die studentischen Arbeitsplätze der Architekturfakultät, während sich im Obergeschoss ein Auditorium befindet. Nur wenige Schritte entfernt entstand nach einem 2013 abgehaltenen Wettbewerb das fünfgeschossige Seminargebäude, das sowohl durch den Fachbereich Architektur als auch durch das Department für Bauingenieurwesen genutzt wird.

Erschließung in signalrot

Parallel zum Mensagebäude ausgerichtet, liegt der Neubau jenseits einer neugeschaffenen Platzanlage. Ist das Unterichtsgebäude auch ebenso wie die einstige Kantine größtenteils verglast, beschränkte sich das Darmstädter Planungsteam dennoch nicht auf eine gleichermaßen minimalistische Gestaltung. Wird somit hinter den östlichen gläsernen Fassade eine komplexe diagonale Tragstruktur sichtbar, zeichnet sich in der Gebäudehülle zugleich auch das Treppenhaus ab – und lässt dabei durchaus an das Berliner Fakultätsgebäude der TU denken. Dass diese Erschließungsstruktur, deren Absätze, wie schon von außen zu ersehen, auf jeder Ebene unterschiedlich weit in die Geschosse hineinragen, gerade bei nächtlicher Illumination besonders eindrucksvoll in Erscheinung tritt, verdankt sich dabei nicht zuletzt den signalroten Treppengeländern – im gleichen Ton sind Bodenbelag und Türen gehalten.

Treppenhaus als Begegnungsfläche

Auch durch diese Farbgebung aber wird die Wichtigkeit ersichtlich, die die Architektinnen und Architekten den Erschließungszonen zuschreiben. So soll das großzügige Treppenhaus, das sich auf jeder Etage in ganz verschiedener Weise zu einem Raum weitet, nicht allein dem Wechsel zwischen den sechs Korridoren dienen, die jedes Geschoss durchziehen und dabei die platzseitigen Seminarräume von den gegenüberliegenden Lehrstuhlbereichen scheiden. Vom Planungsteam als „geschossübergreifendes Atrium" konzipiert, sollen durch die Gestaltung des Treppenhauses vielmehr Begegnungen zwischen den Angehörigen der beiden Fachbereiche ermöglicht werden, die anderenfalls vielleicht erst im Berufsleben die Denk- und Arbeitsweise der jeweils anderen Disziplinen kennenlernen würden.

Brandschutz: Rettungswege im Sonderbau

Demgegenüber nehmen sich die beiden Treppenhäuser, die westlich des Korridors an den Stirnseiten des Gebäudes zu finden sind, mit lichten Breiten von 1,20 Meter ausgesprochen zweckmäßig aus – der Sonderbauverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen folgend, nach der das Seminargebäude als Versammlungsstätte gilt, sind sie insbesondere für Notfallsituationen vorgesehen. Gemäß der Brandschutzkonzeption wurden die Breiten der Rettungswege dabei der erwarteten Personenanzahl angepasst, sodass sie zum Erdgeschoss hin großzügiger werden. Entsprechend wird auch die zentrale Treppe, die dem Brandschutzkonzept gemäß mit einer Sprinkleranlage versehen wurde, zum Ausgang hin immer breiter. -ar

Bautafel

Architektur: Netzwerkarchitekten, Darmstadt
Projektbeteiligte:
Bollinger + Grohmann, Frankfurt am Main (Tragwerksplanung und Bauphysik); Inovis Ingenieure, Düsseldorf (Gebäudetechnik- und Elektroplanung); Y-LA Ando Yoo, Hamburg (Landschaftsarchitektur); Hagen Ingenieure für Brandschutz, Kleve (Brandschutzplanung)
Fertigstellung:
2019
Bauherrschaft:
Land NRW, Düsseldorf
Standort: Am Hochschulcampus, 44801 Bochum
Bildnachweis: Jörg Hempel Fotografie, Aachen

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