Seminar- und Schulungscenter am Attersee

Von der BIM-Planung zum Facility Management

Eine disziplinenübergreifende, integrale Planung ermöglicht einerseits eine hohe Architekturqualität und verringert andererseits mögliche Fehlerquellen in Planung, Bau und Gebäudebetrieb. Diese Vorteile zeigen sich am Beispiel des Best-Practice-Projekts von ATP Architekten Ingenieure, das kürzlich am Attersee in Österreich für einen großen Bauproduktehersteller aus dem Sanitärbereich entworfen wurde. Das Seminar- und Vertriebscenter wurde von dem Generalplanungsbüro nicht nur durchgängig mit BIM umgesetzt, sondern auch während der Bauphase akribisch im Modell nachgeführt. Damit entstand ein digitaler Zwilling, der vor allem im Gebäudebetrieb von großem Nutzen ist.

Die Gestaltung des kubischen Baukörpers ist zurückhaltend und reduziert; ein umlaufend verglaster Sockelbereich öffnet den Bau zum Außenraum.
Das gebäudehohe Foyer ist vollständig verglast und weist oberhalb des Sockelbereichs außenliegende Lamellen auf, die den Innenraum verschatten und die Fassade strukturieren.
Eine raumgreifende Treppe erschließt das anschließende Galeriegeschoss sowie weitere Funktionsbereiche in den Obergeschossen.

Das neue Seminarcenter befindet sich in der Gemeinde Attersee am Attersee und ist umgeben von einem ansprechenden Naturraum: Neben dem unmittelbaren Zugang zum Wasser zieht sich das Bergpanorama des Höllengebirges am Horizont entlang. Der kubische Baukörper weist einen umlaufend verglasten Sockelbereich auf; oberhalb des Erdgeschosses wird der Bau jedoch optisch in zwei Bereiche unterteilt: Auf der Seite des Eingangs befindet sich ein gebäudehohes Foyer mit durchgehender Glasfassade, aus dem eine raumgreifende Treppe zum anschließenden Galeriegeschoss und von dort aus zu den weiteren Funktionsbereichen führt. Außenliegende Lamellen verschatten ab dem ersten Obergeschoss den Innenraum und sorgen für eine spannungsvolle Strukturierung der Fassade. Die andere Seite ist hingegen über dem Erdgeschoss weitgehend geschlossen gehalten und mit homogenen Fassadenplatten versehen.

Innovation direkt im Projekt erleben

Für die Nutzerinnen und Nutzer ist der Neubau weit mehr als nur ein Fortbildungszentrum. Das Gebäude mit seinen ca. 3.000 Quadratmetern Nutzfläche wird selbst zum Schulungsinhalt: Teil des Gebäudekonzepts ist es, zahlreiche Gebäudebetriebsdaten wie den Wasser- und Energiebedarf, effektive Wärmeeinträge und resultierende Kühllasten oder Geothermie-Informationen zu erheben und auszuwerten. Aus diesen Daten können wertvolle Erkenntnisse gezogen werden, die aus dem konkreten Anwendungsfall unmittelbar in die Ausbildung einfließen können. In den Obergeschossen des geschlossenen Gebäudeteils wurde daher eine Art Showroom eingerichtet, in dem sowohl die Gebäudebetriebsdaten als auch die Produkte des Unternehmens präsentiert werden.

Plus-Energiegebäude mit ganzheitlichem Energiekonzept

Der Bauherr trat bereits vor Planungsbeginn an das Büro heran und wollte das Projekt konsequent von der Planung zum Gebäudebetrieb modellbasiert – BIM to FM – umsetzen. Ergänzende Prämisse bei der Realisierung des Gebäudes war überdies eine besonders gute Ökobilanz für das Bauwerk. Erklärtes Ziel in der Nutzungsphase ist es, dass mehr Energie durch regenerative Energiequellen erzeugt als verbraucht wird. Im September 2021 eingeweiht, wird sich am Neubau zeigen, inwieweit Planung und Realität übereinstimmen. Für das ganzheitliche Energiekonzept wurde das Seminar- und Schulungscenter bereits mit dem Platin-Zertifikat der DGNB und mit der Gold-Auszeichnung der österreichischen Regierungsinitiative klimaaktiv ausgezeichnet.

Der kompakte, kubische Baukörper wurde als Plus-Energiegebäude entwickelt. Eine großzügige Glasfassade bietet einen weitläufigen Blick auf den Attersee und das angrenzende Höllengebirge. Bei deren Umsetzung wurde auf eine besonders hohe Luftdichtigkeit geachtet (Luftwechselrate: n50 = 0,32 1/h bei 50 Pascal). Die Glasfassaden sorgen im Frühjahr, Herbst und Winter für einen hohen Wärmeeintrag, wodurch der Energiebedarf in der Heizperiode sinkt. Eine ergänzende Klimatisierung erfolgt über eine Geothermieanlage; auf dem Dach des Gebäudes soll zudem eine Photovoltaikanlage für ausreichend regenerativen Strom sorgen, um einen reibungslosen Gebäudebetrieb zu gewährleisten.

„As-built“-Modell als Basis für den Gebäudebetrieb

Durch den durchgängigen Einsatz einer modellbasierten BIM-Planung lag das gesamte Bauwerk lange vor Baubeginn digital vor. So konnten notwendige Bemessungen, Untersuchungen sowie resultierende Optimierungen direkt am Modell umgesetzt werden. Da bei der integralen Planung alle Fachbereiche perfekt ineinandergriffen, ließ sich ein nachhaltiges wie ressourcenschonendes Gebäude realisieren.

Das integrale BIM-Modell wurde über den gesamten Planungs- und Bauzeitraum konsequent nachgeführt. Damit lag zur Bauübergabe ein optimal aufbereitetes As-built-Modell vor, das im Gebäudebetrieb seine Qualitäten unter Beweis stellen kann. Für das Facility Management konnten daraus beispielsweise umfassende Bauproduktdaten und Informationen über Wartungsintervalle sowie Betriebsdaten und Kenngrößen aufbereitet werden, die jetzt für einen reibungslosen Betrieb eingesetzt werden.

Die Generalplaner von ATP setzten eine Vielzahl von Softwarelösungen ein, um Planung und Modell in der notwendigen Qualität zu liefern. Im Projekt planten sie relativ streng nach den eigenen Modellierungsregeln und BIM-Standards. Planerische Abweichungen durch die Bauherrenstruktur, etwa durch eine andere Dokumentenbezeichnung, gab es dennoch. Neben dem büroeigenen BIM-Planungsprogramm fanden vor allem Systeme und Plattformen zum übergreifenden Datenaustausch sowie Software für die Baudokumentation und das Mängelmanagement Verwendung. Die Modellierungstiefe reichte bis in den LOD 400. Darüber hinaus wurden FM-relevante Elemente mit zusätzlichen Attributen versehen. Die Vorgaben hierzu kamen direkt vom Bauherrn und Nutzer. Das FM-Modell, das für den Gebäudebetrieb entstand, umfasst alle relevanten Planungsbereiche: Architektur, Elektrotechnik, HKLS und TGA bis hin zur Ausstellungsplanung. –tw

Bautafel

Architektur und Integrale Planung: ATP architekten ingenieure, Wien
Projektbeteiligte: ATP sustain, Wien (Bauphysik, Brandschutz); Hailight Lichtplanung Andreas Haidegger, Innsbruck (Lichtplanung); Bauchplan, Wien (Landschaftsgestaltung); Trox HGI, Hörstel (Mess-, Steuerungs- und Regeltechnik); Atelier Markgraph (Ausstellung); Ronge & Partner, Tattendorf (Küchenplanung); Meckmann und Kollegen, Dortmund (Zertifizierung); e3d RWTH Aachen, Aachen (BIM)
Bauherr/in:
Viega Österreich
Fertigstellung: 2021
Standort: Palmsdorf 102, 4864 Attersee am Attersee
Bildnachweis: ATP/Kuball; ATP architekten ingenieure, Wien

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