Schutzdächer der Tempelreste Hagar Qim und Mnajdra auf Malta

Membrandächer aus Glasfasergewebe über einem Weltkulturerbe

An der Südküste Maltas liegen die Tempelanlagen Hagar Qim und Mnajdra, deren Entstehung auf die Jahre 3.600 bis 2.500 v.Chr. datiert wird. Die von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärten Tempel und Grabstätten sind nach kosmischen Gesichtspunkten ausgerichtet. Aus der umgebenden Ringmauer ragen drei stehende Steine hervor – die Hagar Qim. Die unregelmäßige Form der insgesamt 35 m langen Anlage ist auf Erweiterungen zurückzuführen, insgesamt sechs größere Tempelräume bilden die Hagar Qim. Am Fuße ihrer Anhöhe, liegt die Tempelanlage Mnajdra, die dem Körper der Göttin Mnajdra nachgeformt ist.

Die stehenden Steine der Tempelanlage Hagar Qim unter dem Schutzdach aus PTFE-Beschichtung
Untersicht der Dachkonstruktion mit den beiden gebogenen Stahl-Fachwerkträgern
Schutzdach über der Tempelanlage Mnajdra

Salzwasser, Winde und die Sonneneinstrahlung haben den bis zu 20 Tonnen schweren Kalksandsteinen der Tempelanlage stark zugesetzt. Deshalb wurde 2004 von der nationalen Denkmalpflege Heritage Malta und der Union Internationale des Architectes unter der Ägide der Unesco ein internationaler Wettbewerb ausgeschrieben: Neben einem Besucherzentrum war auch ein Schutzkonzept für die Anlage gesucht. Der Schweizer Architekt Walter Hunziker ging mit seinem Entwurf einer möglichst zurückhaltenden Schutzkonstruktion, die Landschaft und Tempelanlage überspannt, ohne störend zu wirken, als Sieger aus dem Wettbewerb hervor.Viele Schutzbauten überstülpen das schutzwürdige Objekt mit Gegenwartsarchitektur“ so Hunziker, „um die Megalithtempel wirksam zu schützen, braucht es eigentlich nur eine schützende Haut.“

Ursprünglich sah der Entwurf des Membranbauingenieurs Michael Kiefer eine Einbogenkonstruktion aus Holz mit einer textilen Gewebemembran vor. Die Bogenkonstruktion war jedoch der Denkmalbehörde zu hoch und griff zu sehr in die Landschaftstopographie ein. Die endgültige Formgebung ergab sich nach längerem Planungsprozess in Zusammenarbeit mit den Ingenieuren von Form TL. Berücksichtigt wurden dabei folgende Aspekte: Die Konstruktion darf die Sichtachsen und Ausrichtungen des Tempels nicht stören, bei der Besichtigung des Tempels muss immer der Horizont zu sehen sein, obwohl der Rand des Schutzdaches so tief wie möglich gezogen ist. Um die Sonnenbewegung, nach der der Tempel ausgerichtet ist, ebenfalls weiter einfangen zu können, sind einzelne Seiten zusätzlich angehoben und die Abstützungen dürfen die Sicht nicht behindern.

Die Verankerung und Fundamentierung der Konstruktion musste sich nach den unregelmäßgen Bodengegebenheiten und nach dem Grundriss der Tempelanlage richten. Außerdem durfte die Tempelanlage im Rahmen der Arbeiten weder betreten noch berührt werden, der Einsatz von schwerem Baugerät oder eines Baugerüstes war nicht möglich.

Dach
Mit dem neuen Dach wird die Tempelanlage vor der Witterung und dem Sonnenlicht geschützt. Bei der Konstruktion mussten die Küstenwinde berücksichtigt werden und eventuell daraus entstehender Auftrieb oder Verwirbelungen unter dem Schutzdach. Statt des ursprünglich geplanten Holzbogens kommen bei jeder Tempelanalage zwei, mittig angeordnete, leicht nach außen geneigte, gebogene Stahl-Fachwerkträger zum Einsatz, die die geforderte geringere Höhe von max. 10 m ermöglichen. Zweiachsig ausgebildete Seilnetze mit integrierten Membran­feldern spannen zwischen den Bögen sowie zu den Seiten, sodass die Bögen ohne weitere Stabilisierungsseile ausgebildet werden konnten. Zusätzlich gespannte Querseile dienen lediglich dem Schutz der Tempelreste, falls die Membran beschädigt werden sollte. Die Spannweiten der Bögen sind 54 m (Hagar Qim) und 68 m (Mnajdra). Für den Aufbau wurden die Bögen seitlich gelegt, hochgezogen und vor Ort über dem Ruinenfeld montiert. Diese Bauweise entspricht der des Brückenbaus mittels Kranausleger und Klettertechnik.

Die nach Grundriss der Anlage und Topographie möglichen Fußpunkte legten die Form der Membran fest. Die Membran besteht aus einem Glasfasergewebe mit einer schmutzabweisenden PTFE-Beschichtung (Polytetrafluorethylen), die das Gewebe auch vor UV-Strahlen schützt (die Intensität der Sonnenstrahlung unter dem Schutzdach wird um ca. 10 bis 15% reduziert). Das Glasfasergewebe hat bis zu 70 m Spannweite mit Flächen bis zu 2.300 m². Die flächenbezogene Gesamtmasse bei einer Dicke von 1 mm beträgt 1.550 g/m² und kann eine Höchstzugkraft von 7.500 N/5cm aufnehmen. Bei Hagar Qim überspannen 1.495 m² die Tempelfläche von 1.744 m²; die 2.460 m² große Tempelanlage von Mnajdra wird von 2.460 m² überspannt. 

Die Hochbogenkonstruktion ist aus Stahl, S 355 J2G3. Zur Abspannung wurden offene verzinkte Spiralseile, fuk = 1.670 N/mm², mit einem Durchmesser von 26 bis 56 mm verwendet. Die Membrananschlüsse sind aus Edelstahl und Alu. Die Schutzbauten sind auf eine Dauer von 25 bis 30 Jahren konzipiert.

Bautafel

Architekt: Walter Hunziker Architekten, Bern/CH
Projektbeteiligte: Michael Kiefer, Radolfzell (Entwicklung, Membranfachplanung und Tragwerksplanung); Form TL, Radolfzell (Ausführung und Detailplanung Membranbau); Aom Partnership, Alex Torpiano, Malta (Örtliche Bauleitung, Ingenieurarbeiten Hoch- und Tiefbau); Canobbio Spa, Castelnuovo/I (Generalunternehmer)
Bauherr: Heritage Malta
Fertigstellung: 2009
Standort: Südküste Malta
Bildnachweis: Form TL, Radolfzell; Walter Hunziker Architekten, Bern/CH

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