Schulpavillon in Genf

Ziegel aus lokalem Aushub

Aus den vorgefundenen Materialien an der Baustelle ein Gebäude zu errichten ist wohl der Idealfall eines nachhaltigen Bauens mit lokalen Ressourcen, bleibt allerdings in vielen Fällen bloß eine Vision. Der Schulpavillon für die École Primaire de Geisendorf von Architekt David Reffo kommt dieser Vision jedoch ziemlich nahe. In Zusammenarbeit mit einem Genfer Start-Up ließ er die Ziegel für die Tragstruktur der Schule direkt vor Ort aus dem Aushub pressen und verbauen. Der Aushub, der sonst oft über weite Strecken transportiert werden muss, um entsorgt zu werden, konnte so an Ort und Stelle bleiben und verarbeitet werden. Dadurch konnte Reffo lange Lastwagenfahrten und CO2-Emissionen einsparen.

Es ist der sechste Pavillon der Schule, welche im Quartierpark Geisendorf in Genf steht.
Der Architekt lehnt sich an die Architektursprache der Bauten von Georges Brera und Paul Waltenspühl.
In der speziell entwickelten Konstruktion ergänzen sich Erdziegel und Eschenholz.

Bewohnter Park
Die Schule liegt im Parc Geisendorf, einem Quartierpark von Genf. Das ursprüngliche Ensemble aus verstreut zwischen den Bäumen liegenden Pavillons wurde von 1953 bis 1969 von Georges Brera und Paul Waltenspühl entworfen. Schon von weitem sichtbar sind die markanten Stahlrahmentragwerke, die mit Backsteinen ausgefacht wurden, sowie die Stirnwände und Sockel aus Bruchstein, die sich in die landschaftlich gestaltete Umgebung einfügen. Wandelgänge aus filigranen Stahlstützen und Holzüberdachungen verbinden die Schulhäuser untereinander und gliedern auf diese Weise den Park in Höfe und Gärten.

Ungebrannte Erdziegel
David Reffo hat mit seinem Entwurf den Wettbewerb für die Erstellung eines sechsten Pavillons gewonnen, der sich in seinen Proportionen an dem Bestand orientiert. Im Erdgeschoss verbringen die Grundschülerinnen und -schüler ihre Mittagspause, während im Untergeschoss musiziert werden kann und im Obergeschoss Platz für Menschen aus der Nachbarschaft ist. Selbst Räume für die Parkgärtnerei wurden in dem Neubau untergebracht.

Der Wechsel aus durchlässigen Holzständern mit dahinterliegender Glasebene und Gebäudehohen Holztafeln lässt bereits an der Fassade die innere Struktur erahnen. Ein Knick an der Südseite markiert den Haupteingang. Im Inneren strukturieren vier tragende Wände aus ungebrannten Erdziegeln den fünfeckigen Grundriss. Entlang ihrer Fluchten sind alle übrigen Bereiche windmühlenartig angeordnet. Erschlossen werden sie von der Gebäudemitte aus, wo die Erdwände eine Halle umfassen. Die rohen Oberflächen geben den Erschließungsräumen einen archaischen Charakter. Die übrigen Innenwände kombinieren ungebrannte Lehmziegel mit rahmenden Stützen und Trägern aus Eschenholz. So nehmen sie Bezug auf das Prinzip der filigranen Struktur mit gemauerten Füllungen, wie sie den Bestand prägen. Die Aufenthaltsräume im oberen Geschoss sind mit grau gestrichenem Tannenholz verkleidet. In den Wandschränken lassen sich alle Materialien und Spielzeuge der Kinder verstauen, denn abends und an den Wochenenden wird die Lokalität als Quartierzentrum genutzt.

Ziegelpressen vor Ort
Bereits zwei Jahre vor Fertigstellung begannen die Bagger mit den Aushubarbeiten im Park. 170 Kubikmeter Erde wurden gebraucht, um 22.000 Ziegeln zu erhalten. Die fünf Mitarbeitenden wurden bei der Produktion zeitweise von Schulkindern unterstützt, die den Prozess im Rahmen des Architekturvermittlungsprogramms Chantier ouvert begleiten durften. Sie setzten sich dabei unter anderem mit der Kreislaufwirtschaft und der Architektur der Schule Geisendorf auseinander. Nach der Formung mittels einer hydraulischen Presse mussten die jeweils sieben Kilogramm schweren Blöcke vier Monate lang vor Regen geschützt trocknen, bis sie verbaut werden konnten. Die Erdziegel des Genfer Start-Ups wurden im Geisendorf-Pavillon das erste Mal als tragende Wand verwendet. Im Vorfeld hat das Unternehmen dazu mehrere Materialtests durchgeführt, bei denen die Tragfähigkeit der Ziegel belegt und zertifiziert wurde.

Vorteile und Herausforderungen
Der kiesige Lehm wurde für die Verwendung gemahlen und gesiebt sowie mit Wasser und 5 % Zement gemischt. Trotz des Zementanteils kann eine Terrabloc-Wand 40 % der CO2-Emissionen gegenüber einer verputzten Backsteinwand einsparen. In Zukunft könnte der Zementanteil weiter reduziert werden, ohne dass Erosion von freiliegenden Erdwänden zu befürchten ist. Doch selbst mit dieser Zusammensetzung können die Ziegel nach einem Abbruch der Schule recycelt werden. Sie werden dazu gemahlen und anschließend wieder in Blöcke gepresst.

Eine Herausforderung beim Bau der Schule war die Kriechverformung, der ungebrannter Lehm unterliegt. Zusammen mit dem Ingenieur Peter Braun von Normal Office hat David Reffo eine Konstruktion entwickelt, die lediglich vertikale Kräfte auf die Mauern leitet. Zudem tragen auf der Mauerkrone liegende Kanthölzer und der Kreuzverband dazu bei, dass die Druckkräfte gleichmäßig verteilt werden.

Die Ziegel riechen erdig und ihre verschiedenen Schattierungen laden zum Entdecken ein. Damit die Wände einheitlicher wirken, wurden sie nach der Errichtung mit Schwämmen abgewaschen. Die Blöcke funktionieren aber auch selbst wie Schwämme, indem sie die Feuchtigkeit speichern und verzögert wieder abgeben. Diese Eigenschaft erzeugt ein angenehmes Raumklima – ähnlich wie eine Lehmwand, die jedoch rund zehnmal teurer ist.-sh

Bautafel

Architektur: David Reffo, Genf
Projektbeteiligte: Klaus Holzhausen, Lausanne (Landschaftsarchitektur); Ratio Bois, Ecublens (Bauingenieur); Studio Guscio, Renens (Bauingenieur); Normal Office, Fribourg (Bauingenieur); Terrabloc, Genf (Erdziegel)
Bauherr/in: Stadt Genf
Fertigstellung: 2019
Standort: 16bis, Rue Lamartine, 1203 Genf, Schweiz
Bildnachweis: Didier Jordan, Genf / Olivier Chamard Photography, Cernex / David Reffo, Genf

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