Schulhaus in Buechen, Thal

Tragwerk um die Ecke gedacht

Dreiecke aus Beton sind das prägende Element der Fassade des von der Churer Architektin Angela Deuber entworfenen Schulhauses in Buechen. Zusammen mit der Kirche bildet der Bau die Mitte des neu gestalteten Dorfzentrums in der politischen Gemeinde Thal, nahe der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz.

Der Haupteingang orientiert sich zur Straße mit der ebenfalls von Deuber gestalteten Bushaltestelle.
Der rückwärtige Zugang führt auf einen Hartplatz.
Die vorgelagerte Balkonstruktur integriert auch die Fluchttreppen.

Das Grundstück, auf dem die Schule mit quadratischem Grundriss sitzt, ist leicht geneigt. Deswegen wirkt das Bauvolumen wie teilweise in den Hang geschoben. Durch die Hanglage entstanden zwei Zugänge auf unterschiedlichen Ebenen: Im Erdgeschoss liegt der Haupteingang in der dreigeschossigen Straßenfassade. Seinen Zugang säumen Obstbäume. Im ersten Obergeschoss befindet sich ein weiterer Eingang auf der Rückseite des Gebäudes. Vor ihm liegt ein Hartplatz.

Disziplinierte Gestaltung und spielerische Offenheit

Die Konstruktion ist eng mit der Erscheinung des Gebäudes verknüpft: Äußere Balkonstruktur und inneres Volumen wirken statisch zusammen. Durch das gleichmäßige Gefälle des Geländes erscheinen die vier Ansichten – obwohl sie dem gleichen Gestaltungskonzept folgen – unterschiedlich. Die Balkonstruktur und die ihr zugeordneten Fluchttreppen erweitern die Fassade zu einer raumhaltigen Schicht. Die dreieckigen Aussparungen in der Brüstung und die ebenfalls dreieckigen Öffnungen der Außenwände schaffen starke Bezüge zwischen außen und innen und erzeugen ein lebendiges Licht- und Schattenspiel.

Wenn geometrische Grundformen die Gestaltung eines Bauwerks dominieren, wirkt es oft streng. Angela Deuber gelingt es im Gegensatz dazu, die Regeln, nach denen das Haus entstanden ist, klar ablesbar zu machen und gleichzeitig eine spielerische Offenheit zu bewahren. Man sieht es am gelegentlichen Aufbrechen der Rhythmen – etwa im Bereich der Eingänge, wo die Stützen der Balkonstruktur schräg gestellt sind. Schützende Festung und offenes Zelt, feste Regeln und lockeres Spiel: Dieser mehrfach ausgezeichnete Schulbau steht beispielhaft für neue Bildungsbauten, deren Architektur die an sie gestellten, vielfältigen Ansprüche thematisiert.

Innere Organisation

Der Grundriss des Unterstufenschulhauses mit Kindergarten teilt sich in drei Zonen: eine zentrale, durchgängige Erschließungsfläche mit Haupttreppe, die auch als Aufenthaltsraum und Garderobe dient, und zwei sie flankierende Raumschichten mit Klassenzimmern und Nebenräumen. Der Rohbau aus Sichtbeton bleibt im Inneren weitgehend sichtbar. Die einzelnen Räumen trennen weiß geschlämmte Mauerwerkswände, die bei Bedarf zurückgebaut werden können, um eine neue Aufteilung des Grundrisses zu ermöglichen.

Beton: Tragwerk durchdringt Dämmung 

Der Rohbau der Schule wurde in Ortbeton erstellt. Im Inneren nehmen drei Wandscheiben und ein Aufzugskern die Horizontalkräfte auf. Durch die Verwendung von Sichtbeton sind diese Bauteile als Teile des Tragwerks erkennbar. Im Bereich der zweischalig aufgebauten Außenwände ist die Lastabtragung raffinierter: Die umlaufende Balkonschicht und das innere Volumen wirken statisch zusammen und schaffen so eine Tragstruktur, die Kräfte über die thermische Trennung hinweg überträgt.

Die unteren Spitzen der gleichschenkligen Dreiecke, welche die innere Schale bilden, ruhen auf gedrungenen, niedrigen Stützen. Die äußere Schale mit ihrer Wanddicke von 18 Zentimetern hingegen scheint allein von den schmalen langen Stützen der Balkonstruktur getragen zu werden. Tatsächlich sind die beiden Schalen im unteren Bereich verzahnt. Die inneren Lasten werden dadurch auch von den schmalen Stützen außen aufgenommen, und die äußeren auch von den niedrigen Stützen im Inneren. Für Passanten scheinen die Dreiecke zu hängen, sie gaukeln von außen gesehen eine doppelte Stützweite vor.

Um diese Tragwirkung möglich zu machen, musste die umlaufende Veranda einschließlich der Balkonfläche und der Außenhaut der Fassade in einem separaten Bauabschnitt betoniert werden. Für die schlanken Bauteile und für die Decken ließen die Planer Beton mit einem Größtkorn von 16 Millimetern verwenden, damit man gut verdichten konnte. Überall sonst wurde konventioneller Beton ohne besondere Anforderungen verbaut.

Schalungsbild

Das Schalungsbild wurde nach Vorgaben der Architektin verwirklicht. Es entspricht dem Schalungstyp 4.1.4 der Schweizer Norm. Liegende Schaltafeln im Standardformat 2,5 mal 0,5 Meter wurden sehr regelmäßig und fast überall symmetrisch angeordnet. Die Stöße laufen vertikal und horizontal durch. Die wenigen Ankerlöcher sitzen in den dreieckigen Elementen an den immer gleichen Stellen. Auch das Schalungsbild auf den Unterseiten der 40 Zentimeter dicken Decken ist regelmäßig gerastert. Auf den Oberseiten ist der Betonboden terrazzoähnlich geschliffen. -chi

Bautafel

Architektur: Angela Deubner, Chur
Projektbeteiligte: Baumed.Bauleitungen, St.Gallen (Bauleitung); Conzett Bronzini Gartmann, Chur (Tragwerksplanung); Gautschi, St. Margrethen (Bauunternehmen)
Bauherr: Politische Gemeinde Thal
Standort: Steigstrasse 1, 9422 Staad SG, Schweiz
Fertigstellung: 2013
Bildnachweis: Schaub Stierli Fotografie

Fachwissen zum Thema

Betonoberfläche bei Verwendung einer saugenden Schalhaut

Betonoberfläche bei Verwendung einer saugenden Schalhaut

Schalungen

Schalhaut und Oberflächenstrukturen

Sichtbetonwände des Steinskulpturenmuseums in Bad Münster mit regelmäßigem Ankerlochbild, Architekten: Tadao Ando, Osaka

Sichtbetonwände des Steinskulpturenmuseums in Bad Münster mit regelmäßigem Ankerlochbild, Architekten: Tadao Ando, Osaka

Schalungen

Schalungsanker

Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart; Architekten: UN Studio

Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart; Architekten: UN Studio

Betonarten

Sichtbeton

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
BauNetz Wissen Beton sponsored by:
Deutsche Zement- und Betonindustrie vertreten durch das
InformationsZentrum Beton | Kontakt 0211 / 28048–1 | www.beton.org