Sauna und Restaurant „Löyly“ in Helsinki

Polygonales, teilbegehbares Dach aus Holzbohlen

Einst gab es über einhundert öffentliche Saunen in Helsinki – im Frühjahr 2016 waren es nur noch drei. Grund dafür ist, dass nahezu jeder finnische Haushalt eine eigene Sauna besitzt – auf fünf Millionen Finnen, kommen 3,3 Millionen Saunen. Die Architekten Ville Hara und Anu Puustinen vom Büro Avanto möchten das Saunieren wieder ins öffentliche Leben zurückholen und entwarfen Helsinkis vierte öffentliche Sauna mit angeschlossenem Restaurant und direktem Zugang zur Ostsee. Finanziert wurde das Projekt von dem Schauspieler Jasper Pääkkönen und dem Parlamentarier Antero Vartia.

Über den Gebäudekern warfen die Architekten eine Art voluminösen „Mantel“ aus lamellenartig angeordneten Holzbohlen
Wenn das Naturmaterial mit der Zeit vergraut, wird das Gebäude an einen an der Küste liegenden Felsbrocken erinnern
Der Neubau liegt im Stadtteil Hernesaari, zwei Kilometer südlich des Zentrums und ist komplett in Holz gehüllt

Der für alle Nicht-Finnen schwer auszusprechende Name der neuen Sauna Löyly bezeichnet den Dampf, der aufsteigt, wenn man Wasser über die heißen Saunasteine gießt. Zugleich beschreibt Löyly die Seele jeder finnischen Sauna. Der Neubau liegt im Stadtteil Hernesaari, zwei Kilometer südlich des Zentrums. Die schmale Halbinsel ist ein ehemaliges Gewerbe- und Hafengebiet, allerdings plant die Stadt den Umbau in einen Wohnbezirk inklusive Parkanlage sowie Angebote für Touristen, die in Hernesaari mit dem Kreuzfahrtschiff ankommen. Derzeit entstehen temporäre Projekte für die Zwischennutzung.

Den Kern des Saunagebäudes bildet ein lang gestreckter, dem Verlauf der Küstenlinie von Südwesten nach Nordosten folgender, Quader mit großflächiger Verglasung. Dem Betrachter bietet sich allerdings ein ganz anderes Bild. Über den Quader warfen die Architekten eine Art voluminösen Mantel aus lamellenartig angeordneten Holzbohlen. Dieser orientiert sich jedoch nicht an der Kubatur des Gebäudes, sondern weist einen polygonalen Grundriss mit unterschiedlich großen Abständen zur Glasfassade des Kerns auf. Die zahlreichen, unregelmäßig geneigten Seitenflächen laufen zum Teil spitz zusammen oder bilden sich zu als Terrassen genutzten Flachdächern aus.

Erschlossen wird der eingeschossige Komplex auf mittlerer Höhe der landeinwärts gelegenen Nordwestfassade. Er beherbergt auf 1.071 Quadratmetern drei verschiedene mit Holz beheizte Saunen sowie ein Spezialitätenrestaurant, das landestypische Speisen wie Fleischbällchen, Lachsuppe und Rentier serviert. Im Inneren erfährt der Besucher ein Wechselspiel zwischen offenen und geschlossenen Räumen. Man gelangt zunächst in das helle und großzügige, nach Südosten ausgerichtete Restaurant, von dem aus man den gedimmt beleuchteten und verschachtelten Saunabereich in nordöstlichen Teil des Gebäudes erschließt. Dort wiederum öffnet sich der Blick über das weithin offene Meer. In den Saunen herrschen helles Holz und dunkler Sichtbeton vor. Im Restaurant wird diese gelungene Symbiose durch schlichtes Mobiliar und Stoffe in gedeckten Grau-, Beige-, Braun- und Rosétönen ergänzt. Eine Herausforderung bei der Gestaltung des Restaurants bestand darin, den großen Raum zu zonieren. Gelöst wurde dies mittels halbhoher Trennwände, die die Rückenlehnen der Sitzbänke aufnehmen.

Dach
Die Holzbohlen aus hitzebehandelter Pinie fungieren wie Jalousien, sie schirmen die Blicke von außen ab, erlauben aber die Sicht auf das Meer aus dem Inneren heraus. Und wirken auch als Schattenspender. Zwischen der Box und den Falten des Holzlamellen-Mantels entstehen sichtgeschützte, private Außenbereiche, die von den Saunagästen zur Abkühlung genutzt werden können. Zugleich schützt der Holzkörper das Gebäude vor dem rauen Küstenklima.

Durch die Verjüngung des Mantels nach oben hin muten die Holzbohlen-Lamellen aus der Luft betrachtet wie Höhenlinien einer Landkarte an. An der Südwestfassade bilden sie eine Treppe, über die man auf die in neun Metern Höhe gelegenen Panoramaterrassen mit Blick auf das Meer und Stadtzentrum gelangt. Wenn das Naturmaterial mit der Zeit vergraut, wird das Gebäude an einen an der Küste liegenden Felsbrocken erinnern, prognostizieren die Architekten.
 
Verbaut wurden 4.000 Bohlen, die von einer computergesteuerten Maschine einzeln zurechtgesägt wurden. Durch die Thermomodifizierung konnte die Haltbarkeit des Holzes erhöht werden, allerdings auf Kosten geringerer Dichte und Festigkeit. Das Architektenduo verwendete ausschließlich FSC-zertifiziertes Holz und achtete auch sonst auf Nachhaltigkeit. Das Gebäude wird mit Energie aus erneuerbaren Quellen versorgt und das Restaurant serviert nur Fisch aus nachhaltiger Fischerei.

Bautafel

Architekten: Avanto Architects, Helsinki
Projektbeteiligte: Qtio, Helsinki (Projektmanagement); Rakennustoimisto Jussit, Naantali (Bauunternehmen); Ramboll Finland, Espoo; VMT Steel, Helsinki u. SS-Teracon, Tampere (Tragwerksplanung); Kanta Kaivu, Helsinki (Fundamentarbeiten); Optiplan, Helsinki (Klima- u. Elektrotechnik); Joanna Laajisto Creative Studio, Helsingfors (Inneneinrichtung)
Bauherr: Antero Vartia; Jasper Pääkkönen
Standort: Hernesaarenranta 4, Helsinki, Finnland
Fertigstellung: 2016
Bildnachweis: kuvio.com; Marc Goodwin; Mikko Ryhänen

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