Sanierung und Umbau einer Remise in Berlin

Vom Schuppen zum Wohn- und Ateliergebäude

Remisen sind Schuppen oder einfache Wirtschaftsgebäude, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts als Unterstand für Kutschen, Anhänger und Wirtschaftsfahrzeuge genutzt wurden. Gemäß ihrer Nutzung handelt es sich um schlichte Gebäudetypen, dienten sie doch weder Wohn- noch Repräsentationszwecken und befanden sich daher in der Regel in weniger exponierten, der Straße abgewandten Grundstücksbereichen. Im Berliner Stadtteil Rosenthal-Nord, der zum Bezirk Pankow gehört, erweckte das Architektenteam von Helga Blocksdorf Architektur eine baufällige Remise zu neuem Leben. Um einen Kopfbau erweitert, wandelten sie die alte Bausubstanz in ein modernes Wohn- und Ateliergebäude. 

Das freigelegte Sichtmauerwerk an der Nahtstelle zum Neubau weist auf verschiedene Zeitschichten hin.
Der zweigeschossige Neubau hat einen fast quadratischen Grundriss.
Über der Hälfte des Raums schwebt eine Empore, über die die Wohnräume im Obergeschoss erschlossen werden.

Die Remise Rosé ist Bestandteil eines denkmalgeschützten Ensembles in der ehemals eigenständigen ländlichen Gemeinde, die seit 1920 zu Berlin gehört. Das Denkmalensemble „Dorfanger Rosenthal“ umfasst den Dorfplatz mit seinem alten Baumbestand, die Dorfkirche von 1250 als Einzeldenkmal, den Kirchhof, Gehöfte und Wohnhäuser, die Vorgärten mit ihren Einfriedungen und die rückwärtigen Hofanlagen. Remisen sind aufgrund ihrer Nutzungsgeschichte keine einfachen Objekte der Altbausanierung, vor allem, wenn sie sich, wie in Berlin-Rosenthal, mit der Hauptfassade nach Norden ausrichten. Ein Abriss stand wegen des Denkmalschutzes nicht zur Debatte.

Ineinander verzahnte Zeitschichten

Das zugrunde liegende Konzept ist klar: Den fast ausschließlich nach Norden gerichteten Altbau mit relativ kleinen, aufeinanderfolgenden Räumen widmete man überwiegend der bildhauerisch-künstlerischen Arbeit des Bauherrn Friedemann Grieshaber. Dem Bestandsbau gliederte man einen etwa neun mal neun Meter großen, nahezu quadratischen Kopfbau an. Er beherbergt einen zweigeschossigen Gemeinschaftsraum für die Familie. Hier kann man kochen, essen, spielen oder auch am mitten im Raum platzierten Kamin zusammensitzen. Über eine rückwärtig an der Wand gelegene Treppe ist der Arbeits- und Ruhebereich auf der Empore zu erreichen. Die Galerie schließt zudem die weiteren Wohnräume im Obergeschoss an.

Die massiven Wände aus perlitgedämmten Ziegeln wurden eingedeckt und verputzt, sodass sich Alt- und Neubau optisch nahtlos aneinanderfügen. Dabei führte man einige baukonstruktive Details des Bestands, wie etwa den sehr hohen Spritzwassersockel, in den Neubau fort. Dieser war eine Überformung aus Zeiten der DDR und bedeckt das einst sichtbare Ziegelmauerwerk zum Teil. Heute nimmt das freigelegte Sichtmauerwerk an der Nahtstelle zum Neubau, das einem Vexierbild ähnlich die Kontur des Schnitts durch die Remise zeigt, Bezug auf diese beiden Zeitlichkeiten der alten Struktur. Für das Projekt erhielt Helga Blocksdorf Architektur den 1. Preis des Velux Architekten-Wettbewerbs Licht.Raum.Mensch. 2019.

Dach: Erkennungsmerkmal Pultdach

Das Pultdach des Bestandsbaus setzt sich auch über dem Neubau fort. Zum Erkennungsmerkmal der Remise Rosé wird es nicht zuletzt durch das Sichtmauerwerk-Vexierbild, das dessen Kontur nachzeichnet. Die geradlinige Deckung mit einem Glattziegel aus Ton schließt durch seine reduzierte Form den skulptural kantigen Charakter des Gebäudes nach oben sauber ab.

Bei der Remise sorgen neben bodentiefen Fenstertüren die im Dach angeordneten Oberlichter für gute Lichtverhältnisse in Räumen. Im Neubau über der Empore bewirkt das skulpturale Herausheben eines Zwillings-Dachfensters mit erhöhter Laibung nicht nur viel Tageslicht, sondern auch die nötige Kopffreiheit, um den niedrigen Bereich unter der Dachschräge möglichst gut zu nutzen.

Dachaufbau (von außen nach innen):

  • Glattziegel
  • Konterlattung und Lattung als Hinterlüftung
  • Unterspannbahn
  • Sparrendach mit Zwischensparrendämmung
  • Dampfbremse feuchtevariabel
  • ruhende Luftschicht 
  • Gipskartonplatte 12,5 mm 

Bautafel

Architektur: Helga Blocksdorf / Architektur, Berlin
Projektbeteiligte: Samuel Barckhausen, Tobias Schrammek, Ellen Staib (Team HB/A); Shivani Shankar Chakraborty, Architektin (Bauleitung); Jan Schwochow, Potsdam (Tragwerksplanung); Marianne Kammel, Berlin (Bauphysik); Jacobi und Flother, Berlin (Dach); Tischlerei Martin Pohlan, Angermünde (Fensterbau)
Bauherrschaft: privat
Standort: Berlin
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Simon Menges, Berlin; Friedemann Grieshaber, Berlin



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