Royal Victoria & Albert Museum in Dundee

Betonbau mit komplexer Schalungsgeometrie

Seit 1849 schmückte ein Triumphbogen, der sogenannte Royal Arch, Dundees Ufer nahe der Seemündung des Flusses Tay. Er erinnerte an einen Besuch von Queen Victoria und ihrem Ehemann Prince Albert im Jahr 1844. Mit seiner zu dieser Zeit mächtigen Walfangflotte hatte sich die schottische Hafenstadt zum Weltzentrum der Juteverarbeitung erhoben, denn zum Aufweichen importierter Jutefasern aus Indien verwendete man früher Waltran. 1964 wurde das Monument für den Bau einer Uferstraße gesprengt. Damit wurde eines der letzten Erinnerungsstücke an die glorreiche Zeit der Industrialisierung entfernt, unter deren Rückgang das ehemals so erfolgreiche Handelszentrum an Schottlands Nordseeküste bis heute leidet. Unweit des ehemaligen Standorts des Denkmals ist nun, mehr als ein halbes Jahrhundert später, ein neues Museum für Design nach den Plänen des japanischen Architekten Kengo Kuma entstanden. Das Victoria and Albert Design Museum soll Sinnbild für einen Aufbruch Dundees in eine ersehnte Zukunft als Stadt der Kreativität werden.

Mit seiner eigenständigen Formensprache präsentiert sich das Bauwerk weithin sichtbar und erfüllt so seine Funktion als neues Wahrzeichen
Das Museum ist Teil eines Masterplans, der die Erneuerung der Uferzone vorantreiben soll
Überhänge und Biegungen der Außenwände erinnern an Schiffsbuge

2014 nahm die Unesco Dundee als „Stadt des Designs" in ihr Netzwerk kreativer Zentren auf. Die Stadt unterstützt die Prämierung durch einen Masterplan, der über einen Zeitraum von dreißig Jahren und mit einem Budget von einer Milliarde Pfund die Erneuerung der Uferzone vorantreiben soll. Gemeinsam mit dem Expansionswillen des Londoner Victoria and Albert Museums (V&A) schuf der Generalplan die Basis für die Realisierung des Museumsbaus. Das V&A soll, ähnlich wie zur Zeit seiner Eröffnung das Gugenheim-Museum in Bilbao, der Stadtentwicklung einen positiven Impuls geben. Tatsächlich sind Hotelübernachtungen seit Beginn der medialen Vermarktung des Museums um fast zehn Prozent angestiegen. Allerdings wird dieser Erfolg etwas durch die Überschreitung des geplanten Baubudgets getrübt. Denn statt der ursprünglich geplanten 45 Millionen beliefen sich die Kosten am Ende auf über 80 Millionen Pfund. Als vom Mutterhaus unabhängige Einrichtung nimmt das Museum den Betrieb zunächst für 25 Jahre auf und wird dabei von der schottischen Regierung subventioniert.

Mit seiner eigenständigen Formensprache präsentiert sich das Bauwerk weithin sichtbar und erfüllt so die ihm zugetragene Funktion als neues Wahrzeichen. Das Gebäudevolumen setzt sich aus zwei umgedrehten Pyramidenstümpfen zusammen, die sich in den oberen Geschossen überschneiden und so ein Portal bilden, das man, wie einst den Royal Arch, durchschreiten kann. Die viereckigen Geschossdecken beider Segmente sind leicht gegeneinander verdreht, sodass – ablesbar an den mehrfach gekrümmten Fassaden – Torsionsbewegungen entstehen. Die Überhänge und Biegungen der Außenwände erinnern an Schiffsbuge und stellen so einen Bezug zur nautischen Vergangenheit des Orts her. Gleich einem Wasserschloss ist das Museum auf der Uferpromenade von großen Wasserbecken umgeben und kann nur punktuell über Stege betreten werden. Das seit 1979 am Hafenkai ausgestellte Expeditionsschiff RRS Discovery, mit dem Robert Falcon Scott einst die Arktis erforschte und das seit seiner Restaurierung als Museumsschiff besichtigt werden kann, erhielt ein neues Dock direkt neben dem Haupteingang.

Von Westen kommend betritt man das Ensemble über den kleineren der beiden Baukörper. Hier befindet sich eine großzügige Eingangshalle mit Ticketverkauf, Shop und Café sowie ein langer Treppenlauf, der die Galerieebene vor den Ausstellungsräumen erschließt. Auf der oberen Ebene befinden sich neben der permanenten und der temporären Ausstellung, noch ein Design Studio mit Küche, ein Auditorium sowie Schulungsräume. Die darunterliegenden Geschosse des größeren Bauabschnitts im Norden nehmen Büros, Lager und die übrigen Nebenfunktionen des Museumsbetriebs auf.

Eine Schicht aus horizontalen Betonlamellen umhüllt den gesamten Bau. Die Lamellen enden außenseitig keilförmig und sind mit Zwischenräumen montiert. Getragen werden sie durch Stahlkonsolen, die sie mit der Außenwand aus dunklem Sichtbeton verbinden. Die helle, raue Oberfläche der Betonfertigteile erzeugt ein Spiel aus Licht und Schatten, das durch Reflexionen der Wasseroberflächen von Fluss und Becken noch bereichert wird. Die Fassadenmodule variieren in Tiefe und Neigung und erzeugen so eine lebendige Textur, die an Felsformationen der schottischen Steilküste erinnert. Schmale, rechteckige Fenster liegen unregelmäßig verteilt hinter der geschuppten Fassade und lassen Licht und Blicke die Außenwand durchdringen. Im Foyer werden die Fassadenüberhänge zu geneigten Flächen, die wiederum mit horizontal angeordneten Holzlamellen schuppenartig verkleidet sind — eine Variation des Gestaltungsthemas der Außenfassade.

Gerüste und Schalungen

Zur Herstellung der geometrisch anspruchsvollen Außenwände mussten alle dafür verwendeten Freiformschalungen und Traggerüstlösungen individuell angefertigt werden. Besonders die aus der gleichzeitigen Verjüngung und Torsion der Pyramidenstümpfe resultierenden Mehrfachkrümmungen der äußeren Ortbetonwände waren eine Herausforderung für die Schalungsbauer. Um spätere Probleme beim Betonieren auszuschließen, wurde ein Modell eines Schalkörpers in Originalgröße produziert. Die damit durchgeführten Betonierversuche bestätigten die Machbarkeit der gewünschten Oberflächenbeschaffenheit und die Möglichkeit des nachträglichen Ausschalens. 

Die Planung von Schalung und Gerüsten erfolgte anhand eines 3-D Modells, mit dem der Einsatz von Schal- und Unterstützungsmodulen im Computer simuliert werden konnte. Um die Bauwerksgeometrie abbilden zu können, wurden 2,50 m breite Standardelemente verwendet, auf denen dann maßgeschneiderte Passteile als Schalhautträger montiert wurden. Ebene Wände wurden mit Schalelementen direkt geschalt. 

Die äußeren Wände waren im Bauzustand nicht selbst tragend. Erst mit Fertigstellung des unter Zug stehenden Dachs erhielten sie Stabilität. Bis zur Endmontage wurden deswegen die betroffenen Schalungen von einem Traggerüst abgestützt. Ein modularer, flexibler Systembaukasten erlaubte die notwendigen Höhenanpassungen der Gerüstkonstruktion in 250 mm Schritten und bot darüber hinaus stabile Arbeitsplattformen für das Baustellenteam.

Um hohen Erwartungen an Genauigkeit und Termintreue gewachsen zu sein, mussten nach Abschluss der 3-D Planung die darin enthaltenen Informationen von insgesamt 40 Konstrukteuren weltweit in CNC-Dateien umgewandelt werden. Durch die Größe der zu schalenden Flächen war der Bedarf an individuell geformten Schalhautträgern enorm. Um die architektonische Vision Wirklichkeit werden zu lassen wurden bis zur Fertigstellung insgesamt 1.200 solcher Sonderanfertigungen benötigt.

Bautafel

Architekten: Kengo Kuma & Associates, Tokyo
Projektbeteiligte: PiM.studio Architects, London (Koordinator); James F Stephen Architects, Glamis (Ausführender Architekt); Arup Mechanical, London (Tragwerks- Wasserbau und Straßenplaner); Arup Façade, London (Elektro-, Brandschutz- und Akustikplaner); CBA, Glasgow (Kostenplaner); Cartlidge Levene, London (Signaletik); Kengo Kuma & Associates / PiM.studio Architects (Objektdesign); C-Mist, Edinburg (Sicherheitsberatung); Fountains Direct, Surrey (Berater Wasserspiel); Peri, Weißenhorn (Schalungssysteme Vario GT 24, Variokit, Trio; Gerüstsystem Peri Up)
Standort: 1 Riverside Esplanade, DD1 4EZ Dundee, Schottland, Vereinigtes Königreich
Fertigstellung: 2018
Bildnachweis: Hufton + Crow, Hertford; Peri, Weißenhorn

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