Pavillon im Park Vijversburg in Tytsjerk

Tragende Gebäudehülle aus gebogenen Glasscheiben

Der Monopteros war ein beliebtes Baumotiv in englischen und französischen Landschaftsgärten des 18. Jahrhunderts. Ein von Säulen klassischer Ordnung getragenes Dach schützte die Nutzer in diesen offenen und meist runden Gartenpavillons vor Sonne und Regen, während sie den Ausblick genossen. Noch heute bieten die baldachinartigen Unterstände eine hohe Aufenthaltsqualität. Eine zeitgenössische Variante schufen die Architekten Marieke Kums aus Rotterdam und Junya Ishigami aus Tokio mit dem gemeinsam entworfenen Pavillon im Park Vijversburg. Allein von Glaswänden gehalten, scheint dessen weit ausgreifendes Dach über den Besuchern zu schweben.

Unweit von Leeuwarden gelegen, ist die Gesamtanlage ein beliebtes Ausflugsziel.
Von einem annähernd dreieckigen Veranstaltungssaal führen drei tentakelartige Arme in die Gartenlandschaft und zum Hauptgebäude.
Durch einen der Arme gelangen die Gäste aus dem Tea-Room der Villa über eine Betonrampe in den zentralen Veranstaltungsraum.

Der Landschaftspark Vijversburg liegt unweit von Leeuwarden im Norden der Niederlande. Er wurde um 1844 rund um die neoklassizistische Villa der einst einflussreichen Familie Looxmma-Ypeij angelegt und ist heute ein beliebtes Ausflugsziel. Neben der Landschaft ist es das kulturelle Angebot, das die Besucher anzieht. So schuf beispielsweise der deutsche Künstler Tobias Rehberger den sogenannten Entdeckungspark, Lola Landscape Architects aus Rotterdam planten den „Weideland-Park“ mit hohen Hecken, und der niederländische Gartenarchitekt Piet Oudolf entwarf ein naturnahes, kindgerechtes Areal.

Dem Bau des Pavillons war ein Wettbewerb vorausgegangen, der die Erweiterung des Herrenhauses um einen zusätzlichen Veranstaltungsraum zum Ziel hatte. Als Gewinner ging daraus das internationale Planungsteam von Studio Maks (Marieke Kums) und Junya Ishigami hervor. Die Architekten entwarfen einen im Grundriss etwa dreieckigen Mehrzweckraum, von dem aus drei Gänge wie Tentakel in die Landschaft greifen und zum Hauptgebäude führen. Aus dem „Tea-Room“ der Villa gelangen die Gäste durch einen der Arme über eine Betonrampe ins Zentrum des Pavillons. Dessen Bodenniveau liegt etwa einen Meter unter dem Geländeverlauf. Ein weiterer Korridor führt von dort zu einem Spazierweg im Park. Im dritten Arm führen fünf Stufen hoch zur Gartenterrasse hinter dem Bestandsgebäude, dann läuft er als gläserne Wand spitz zu. Weil die dem Geländeverlauf folgen, fügen sich die Tentakel des Pavillons wie selbstverständlich in die gewachsenen Außenanlagen.

Das Dach des Neubaus wird einzig von den Glasfassaden getragen. Das Stahltragwerk mit Hauptträgern von bis zu 15 Meter Spannweite wurde dafür an die oberen Glasränder montiert. Die kürzeren Nebenträger bestehen aus Holz. Harzgebundener Splitt dichtet die leichte Dachkonstruktion gegen eindringendes Wasser ab. Im Zentrum der Anlage wölbt sich das Dach leicht nach oben. Die ohnehin großzügige Raumhöhe in der abgesenkten Halle wird damit noch einmal erweitert. Um die Klarheit des Pavillons nicht zu beeinträchtigen, sind Nebenfunktionen wie etwa die Toiletten ausgelagert. Der Raum ist frei bespielbar und lädt zur Aneignung ein: Von Hochzeiten über Vorträge bis hin zu Konzerten und Veranstaltungen für Kinder ist alles möglich.

Glas
Die geschwungenen Wände bestehen aus zwei Lagen Verbundsicherheitsglas und einer äußeren Wärmeschutzverglasung. Das Sicherheitsglas ist über Bohrungen in gleichmäßigen Abständen an den oberen und unteren Rändern der Scheiben kraftschlüssig mit aussteifenden Stahlprofilen befestigt. Die Stahlträger wiederum sind unten mit dem Betonfundament und oben mit den Dachträgern verbunden, wodurch sich biegesteife Rahmen ergeben. Durch die dreieckige Grundform ist das Gebäude gegen horizontal angreifende Windkräfte ausgesteift.

Produktionsbedingt sind nicht alle Scheiben gebogen, sodass an wenigen Stellen gerade Gläser den geschwungenen Fassadenverlauf fragmentieren. Die vertikalen Scheibenstöße sind profillos als dauerelastische Fugen ausgebildet. Mit bis zu 30 mm Breite bieten sie einen ausreichend großen Spielraum, um Bewegungen aufgrund von Spannungen der Konstruktion zu aufzunehmen. Außerdem halfen sie, bei der Montage Maßtoleranzen zu kompensieren.

Um die hohe Transparenz der Glashülle zu gewährleisten, muss sie kontinuierlich gereinigt werden. Ob die Glasfronten zu Kollisionen führen – seien es Vögel oder Passanten – wird die Zukunft zeigen. Wir hoffen es nicht.

Bautafel

Architekten: Studio Maks, Rotterdam / Junya Ishigami + Associates, Tokio
Projektbeteiligte: ABT Ingenieurs in Bouwtechniek, Arnheim (Tragwerksplanung / HLK-Planung); Jun Sato Structural Engineers, Tokio (Tragwerksplanung); Mart Lenis Bouwmanagement & Advies, Wolvega (Projektmanagement)
Standort: 2, Swarteweisein, 9255 Tytsjerk, Niederlande
Bauherr: Stichting Op Toutenburg, Tytsjerk
Fertigstellung: 2017
Bildnachweis: Iwan Baan, Amsterdam / Studio Maks, Rotterdam

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