Patientenzimmer der Charité Berlin

Stress reduzierende Gestaltung auf einer Intensivstation als Pilotprojekt

Üblicherweise wirken Krankenzimmer ebenso steril wie kühl. Diese Umgebung ist für die medizinische Versorgung und funktionale Abläufe der Stationen optimiert, jedoch dem Wohlbefinden der Patienten nur bedingt zuträglich. Räume in Krankenhäusern angenehm und derart zu gestalten, dass sie die Genesung fördern, haben sich die Beteiligten des mehrjährigen Forschungsprojekts Parametrische (T)Raumgestaltung zum Ziel gesetzt. Entwickelt wurde in enger Abstimmung mit Ärzten und Pflegepersonal ein neues Innenraumkonzept in der Charité Berlin. Das Resultat sind zwei von Graft Architekten neu gestaltete Patientenzimmer auf der Intensivstation 8i im Charité Campus Virchow-Klinikum.

Die Räume wurden vorrangig aus der Patientenperspektive heraus entwickelt und sind auf die Wahrnehmung von Bettlägerigen abgestimmt. Wesentliche Aspekte waren die Beleuchtung und Akustik
Alarmsignale kommen nicht mehr im Pateintenzimmer, sondern im zentral angeordneten Beobachtungszimmer an.
Ein großformatiger LED-Screen über dem Bett nimmt das Blickfeld der Patienten ein. Das individuell steuerbare Lichtkonzept unterstützt den natürlichen Wach-Schlaf-Rhythmus und die Orientierung

Die beiden Zimmer mit jeweils zwei Betten liegen nebeneinander, ein kleiner gemeinsamer Beobachtungsraum mit separatem Zugang ist dazwischen platziert. Die Räume wurden vorrangig aus der Patientenperspektive heraus entwickelt und sind auf die Wahrnehmung der im Bett liegenden Personen abgestimmt. Ein wesentlicher Aspekt lag auf der Beleuchtung und Akustik. Ein individuell steuerbares, in Kooperation mit den Mediengestaltern von Art + Com entwickeltes Lichtkonzept unterstützt den natürlichen Wach-Schlaf-Rhythmus und die Orientierung. Durch Geräte und Alarmsignale verursachte Störgeräusche konnten gedämpft oder in das Beobachtungszimmer verlagert werden.

Ein geschwungenes weißes Möbel in Raummitte trennt die Betten voneinander. Es dient als Sichtschutz und Schreibtisch gleichermaßen und bietet etwas Stauraum für persönliche Dinge. Wände und andere vertikale Oberflächen sind in warmer Holzoptik gestaltet. Für den Bodenbelag wurde ein ähnlicher dunkelbrauner Farbton gewählt. Technische Geräte und Versorgungsleitungen verschwinden weitgehend aus dem Sichtfeld der Patienten, indem sie am Kopfende der Betten hinter einem modularen Wandsystem untergebracht sind. Alle technischen Komponenten sind optimal für die Pflegeabläufe angeordnet.

Gesund Bauen

Negative Empfindungen wie Angst, Desorientierung und Ausgeliefertsein bewirken Stress und stehen der Genesung entgegen. Um solche Belastungen zu verringern, wurde eine beruhigende und hochwertig anmutende Raumatmosphäre geschaffen. Zentrales Element der Krankenzimmer ist deshalb zusätzlich zu den zuvor beschriebenen Maßnahmen ein medial bespielbarer Screen über jedem Bett. An der Decke angebracht, wölbt sich der 2,40 m breite und 7,00 m lange Bildschirm am Bettende nach unten und füllt das Blickfeld der Patienten aus. Der mit insgesamt 4.000 Leuchtdioden ausgestattete künstliche Himmel hat mehrere Funktionen: Ein Teil der integrierten LED verfügt über eine warm- bis kaltweiße Lichtfarbe und sorgt für ein tageslichtähnliches Lichtspektrum. Ein anderer Teil besteht aus einzeln ansteuerbaren RGB-LED, mit denen sich Farben und bewegte Bilder erzeugen lassen. Per Tablet kann das medizinische Fachpersonal relevante Daten der Patienten eingeben; die Programmierung erzeugt daraufhin eine an deren Zustand angepasste Lichtstimmung.

Die Simulation einer Tag-Nacht-Rhythmik dient dazu, den natürlichen Schlaf zu fördern und eine Verbindung mit der Außenwelt herzustellen. Abhängig von der Tageszeit wechseln Farbe und Helligkeit. Möglich sind Beleuchtungsstärken von mehr als 20.000 Lux, was in etwa der Lichteinwirkung unter freiem Himmel entspricht. Werden aktuelle Wetterdaten als Parameter hinzugezogen, ändert sich die Simulation entsprechend. So lassen sich beispielsweise die Wolkendichte, ihre Farbe oder ihre Bewegung anpassen. In einer weiteren Animation legen sich virtuelle Blätter eines Baumes auf den Screen und bewegen sich entsprechend dem Windaufkommen. Die Muster und Naturphänomene auf dem Schirm wurden eigens für das Projekt entwickelt.

Patienten, die nachts häufig wach liegen, bietet der Screen unter anderem die Visualisierung eines ruhigen Sternenhimmels oder den Blick auf bewegliche Lichtpunkte, die an Glühwürmchen erinnern. Bewegliche Objekte wie Vögel oder Kondensstreifen trainieren darüber hinaus die kognitiven Fähigkeiten der Patienten und regen die Motorik und Konzentration an. Letztlich soll mit dem Raum- und Lichtkonzept des Pilotprojektes die Medikamentendosis und damit auch Delirien reduziert sowie der Heilungsprozess begünstigt werden. -dg

Bautafel

Architektur: Graft, Berlin / Charité Facility Management CFM, Berlin
Projektbeteiligte: Art + Com Studios, Berlin (Mediengestaltung); LichtKunstLicht, Bonn (Beleuchtungsplanung); Modul Technik, Montabaur (Planung medizintechnische Ausstattung); Philips, Hamburg (Beleuchtung, Medienscreens); von Bergh, Dernbach (Innenausbau)
Bauherr:
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin
Fertigstellung: 2013
Standort: Campus Virchow-Klinikum, Mittelallee 3, 13357 Berlin

Baunetz Architekt*innen

Fachwissen zum Thema

Störungen durch Lärm

Planungsgrundlagen

Störungen durch Lärm

Tageslichteinsatz im Museum Folkwang in Essen

Tageslichteinsatz im Museum Folkwang in Essen

Planungsgrundlagen

Tages- und Kunstlicht