Opernhaus in Harbin

Zeichenhaft-skulpturales Bauwerk als Einheit aus Tragwerk, Licht- und Akustikobjekten

In der Mandschurei im Nordosten Chinas, unweit der russischen Grenze, liegt die 3,3-Millionen-Einwohner-Stadt Harbin. Die Hauptstadt der Provinz Heilongjian ist ein Industriestandort und Bahnknotenpunkt an der Route der Transsibirischen Eisenbahn. Die Winter hier sind lang und streng mit Temperaturen bis minus 40 °C; Harbin kann eine kulturelle Bereicherung gut gebrauchen. Zu diesem Zweck beauftragte die Stadt im Jahr 2010 das chinesisch-amerikanische Büro MAD Architects mit dem Bau von drei Prestigeobjekten. 2013 wurde das China Wood Sculpture Museum fertiggestellt – geformt wie ein Stück Strandgut, verkleidet mit glänzendem Aluminium – im Jahr 2015 das gigantische Harbin Opera House. Ein Kongresszentrum soll folgen.

Zwei organisch-geschwungene, muschelähnliche Baukörper beherbergen die Opernsäle mit 1.600 und 400 Sitzplätzen
Jeweils aus der Mitte scheinen kristalline Kerne hervorzuquellen – unregelmäßig gewölbte Glasdächer, gehalten durch ein Rautengitter als Tragkonstruktion
Die Rückwand des großen Saals reicht mit ihren Emporen ins Foyer und wird von dort über geschwungene Treppen erschlossen

Das Opernhaus befindet sich auf einer kleinen Insel im Fluss Songhua Jiang. Zwei organisch-geschwungene, muschelähnliche Baukörper beherbergen die beiden Opernsäle mit 1.600 und 400 Sitzplätzen. Sie stehen übereck auf einem weiträumigen Platz, der aus überlappenden Kreisen zusammengesetzt ist. Verbunden sind sie über eine weiß schimmernde Metallhaut, die ähnlich einem langen Umhang als niedrige Umfassung des Platzes beginnt, sich dann um den ersten, großen Baukörper schlingt, wieder zu Boden sinkt und dann ansteigt, um den kleineren Bau zu formen. Jeweils aus der Mitte scheinen kristalline Kerne herauszuquellen – unregelmäßig gewölbte Glasdächer, gehalten durch ein Rautengitter als Tragkonstruktion. Unter der geschwungenen Außenhülle aus Aluminiumpaneelen liegen die Bühnen- und Nebenräume, die Foyers und eine Tiefgarage.

Die dem Platz zugewandten gläsernen Kerne erzeugen eine klare Eingangssituation; unter der Aluminiumhaut sind die große und die kleine Lobby miteinander verbunden. Die Rückwand des großen Saals reicht mit ihren Emporen ins Foyer und kann über geschwungene Treppen von dort erschlossen werden. Im Kontrast zur überwiegend weiß-glänzenden Materialisierung ist diese skulptural geformte Wand mit Esche aus der Mandschurei verkleidet. Die aufwendige Holzverkleidung, die teils aus Massivholz besteht, weitgehend jedoch ein auf Glasfaserbeton aufgezogenes Furnier ist, setzt sich im Inneren des Saals fort. Hier sorgen Material und Formgebung für eine erstklassige Akustik. Der kleinere Opernsaal ist mit Betonelementen ausgekleidet, deren wellenförmige Oberfläche unter dem wechselnden Einfluss von Tageslicht bewegte Lichtspiele erzeugt. Hinter der Bühne setzt ein großes Panoramafenster aus schalldichtem Glas das Geschehen mit der umgebenden Flusslandschaft in Beziehung.

Zwischen den Faltungen der Außenhaut führen Treppen auf zwei wind- und wettergeschützte Dachterrassen oberhalb der Opernsäle, die weite Ausblicke in die Landschaft und hinüber zur Stadt ermöglichen. Das gewölbte Glasdach setzt sich bis zu den Dachterrassen fort.

BIM
Die Planung des weit ausgreifenden, dynamisch geschwungenen Opernhauses erfolgte unter Einsatz von Building Information Modeling, also unter Einbeziehung verschiedener Fachdisziplinen anhand eines virtuellen dreidimensionalen Bauwerksmodells. Mithilfe einer BIM-Software wurden die architektonischen Skizzen in baubare Tragsysteme überführt – das Dach ist eine mehrfach gefaltete und gekrümmte Schale aus Gitterstrukturen, die Aluminiumbekleidung wurde in einander überlappenden Reihen ausgeführt.

Bei einem solchen, in jeder Hinsicht gigantischen Bauprojekt ist eine integrale, digitale Vorplanung und Simulation künftiger Gebäudeprozesse empfehlenswert, um die Fertigung, die Bauzeit, die Kosten, die Gebäudetechnik und schließlich auch den Gebäudebetrieb überschaubar zu halten und langfristig kontrollieren zu können. Im Ergebnis ist ein skulpturaler Bau entstanden, dessen statisches System und formaler Ausdruck unmittelbar einhergehen, bei dem Licht- und Akustikobjekte ebenso formbildend sind wie die Besucherströme. Und doch erscheint das Harbin Opera House inmitten der klimatisch unwirtlichen Landschaft von den Kräften der Natur geformt: Weiß, reflektierend und transparent wie Eis und Schnee, organisch gewölbt und auf den Boden geduckt wie eine von Wind und Wellen geformte Düne oder eine über Jahrtausende entstandene Schutzhöhle.

Bautafel

Architekten: MAD Architects, Peking/Santa Monica/New York
Projektbeteiligte: Beijing Institute of Architectural Design, Peking (Tragwerksplanung); Inhabit Group China Jingye Engineering (Fassadenplanung); Gehry Technologies, Peking (BIM); Beijing Turenscape Institute (Landschaftsarchitektur); MAD Architects, Shenzhen Keyuan Construction Group (Innenarchitektur); China International Engineering Design & Consult, Peking (Lichtplanung); Acoustic and Theater Special Design & Research Studio of East China Architectural Design & Research Institute (Akustikplanung)
Bauherr: Harbin Songbei Investment and Development Group
Fertigstellung: 2015
Standort: Harbin, Heilongjiang, China
Bildnachweis: Hufton+Crow, Hertford; Adam Mørk, Kopenhagen; Iwan Baan, Amsterdam

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