Noorderparkbar in Amsterdam

Quartierstreffpunkt aus ersteigerten Second-Hand-Materialien

Das Konzept der Wiederverwertung mag dem einen oder anderen überstrapaziert erscheinen; der Einfallsreichtum, mit dem Architekten Gebäude aus recycelten Materialien realisieren, ist jedoch nicht zu leugnen. Im Noorderpark in Amsterdam errichtete das niederländische Büro SLA in Zusammenarbeit mit dem Designstudio Overtreders W eine Kaffeebar vollständig mit Baumaterialien aus zweiter Hand. Zu dem nur 36 m² großen Gebäude gehören außer der Bar eine Terrasse sowie eine Sanitäreinrichtung. Die finanziellen Mittel beschafften die Planer durch eine Spendenaktion, die Bauteile ersteigerten sie beim niederländischen Äquivalent zu Ebay („Marktplaats“).

Tagsüber sind die Holztore mit einer einladenden Geste in die Kaffeebar geöffnet
Durch die leichte Holzstruktur des oberen Baukörpers sind Blicke in den Himmel und die Bäume im Park möglich
Die Übergänge zwischen Terrasse, Bar und Landschaft sind fließend. Die zweite Fassade aus Fenstern und das Dach aus Oberlichtern sorgen für starke Sichtbeziehungen und viel Licht

Vor diesem Hintergrund war der Entwurfsprozess recht ungewöhnlich: Wenn das Team ein Material ersteigert und auf Tauglichkeit geprüft hatte, musste das Design vor dessen Einbau entsprechend angepasst werden. Auf diese Weise entstand ein Gebäude aus alten Fenstern, Holz und Fliesen, in dem sich die Menschen aus der Umgebung heute gerne treffen.

In geschlossenem Zustand erscheint die Noorderparkbar als bodenständige, kompakte Holzbox mit einem kleineren, leichten Aufsatz: Ihre Außenhaut besteht aus dunklen Holzelementen mit diagonalen Leisten, die im aufgesetzten, oberen Teil mit lichten Abständen befestigt wurden, so dass sich Ausblicke in den Himmel und die benachbarten Baumkronen eröffnen.

Ist die Kaffeebar geöffnet, verwandelt sich ihre kompakte Hülle in rundum offen stehende Tore, hinter denen eine Terrasse, eine zweite Fassade aus verschieden großen Fenstern und die Sanitäreinrichtungen zum Vorschein kommen. Der aufliegende Baukörper dient als Überdachung der Terrasse, die tagsüber einladend geöffneten Holztore schützen die Bar nachts vor Vandalismus.

Das Tragwerk des Gebäudes besteht aus drei Containern, die ursprünglich für ein temporäres Krankenhaus vorgesehen waren. Ein Container beherbergt die Bar und zwei öffentliche Toiletten, der zweite bildet die angrenzende Terrasse, der dritte ist als Überdachung darüber gesetzt. Die Hüllen der drei Container wurden entfernt und durch andere Materialien ersetzt. Nach eigenen Angaben verbaute das Architekten- und Designerteam dabei 42 Fenster, mehrere Tausend Meter Holz sowie keramische Fliesen in Grün und Weiß und verwendete 55 Liter Farbe. Die Abholung und der Transport der Materialien erfolgten mit einem gebrauchten Laster – dem ersten aus dem Internet ersteigerten Objekt.

Jeder Baustoff hat seine eigene Geschichte: So war das Holz für die Innenwände der Bar ursprünglich zu einem riesigen Transportcontainer zusammengefügt, in dem eine Maschine zur Befüllung von Milchtüten von China in die Niederlande verschifft wurde. Das Holz für die Fassaden hingegen stammt von einem ehemaligen Betrieb für Betonschalungen. Seine einheitlich dunkle Farbe wurde durch eine alte japanische Technik erzielt, bei der die Hölzer angekohlt und damit witterungsbeständig gemacht werden. -cr

Bautafel

Architekten: Bureau SLA mit Designstudio Overtreders W, Amsterdam
Projektbeteiligte:  Peter van Assche, Reinder Bakker, Hester van Dijk, Mathijs Cremers, Jorrit Vijn, Sara Postkart, Ronna Gardner, Jiri Masek, Ninja Zurheide, Monique Philippo, Freiwillige und rund 80 Angestellte von Marktplaats (Entwurf und Baumittelbeschaffung); Pensera, Amsterdam/NL (Tragwerk); Bureau SLA, Overtreders W und Jorrit Vijn, Amsterdam/NL (Bauausführung); Ymere Housing Corporation, Amsterdam, Ebay und Teile der Bevölkerung (Finanzierung)
Bauherr: Bureau SLA & Overtreders W, Amsterdam
Fertigstellung: 2012
Standort: Noorderpark, Eingang am Wingerdweg 185, Amsterdam-Noord
Bildnachweis: Jeroen Musch, Amsterdam

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