Musikprobengebäude in Gelsenkirchen

Umnutzung einer Steinkohlenzeche

Die Steinkohlenzeche namens Consolidation 3/4/9 im Gelsenkirchener Stadtteil Bismarck war erst 1958 um einen Förderturm erweitert worden. Mithilfe dieser Industrieanlagen waren Bergleute über 1000 m tief in den Schacht zur Bergung der Flöze eingefahren. Die schweren und robusten Vorrichtungen und die entsprechend wuchtigen Bauteile spiegeln sich in der Betonbauweise des verklinkerten Turmes wider: Große Räder leiteten weithin sichtbar die Kraft einer enormen Antriebsmaschine weiter, die sich im Inneren des geschlossenen Schachthauses befand.

Die alte Schwungscheibe des großen Elektroantriebsmotors bildet das "Herz des Hauses".
Das Fluchttreppenhaus neben dem großen Förderschacht wurde mit Streckmetall verkleidet -   Frei Luftzufuhr war notwendig wegen der eventuell aus dem Schacht aufsteigenden Methangase
Zum "Roten Platz" hin ist das Gebäude großzügig geöffnet: weithin leuchtet die Rocklobby mit dem Schwungrad im Hintergrund.

Mit dem bereits in den 80er Jahren eingeläuteten Zechensterben verlor auch diese Anlage ihre Rentabilität und wurde 1997 endgültig stillgelegt. Doch die alten Industriebauten üben eine starke Anziehungskraft und Signalwirkung aus, da sie das Leben im Ruhrgebiet über Jahrzehnte bestimmten. Das Kulturreferat der Stadt Gelsenkirchen schrieb einen Wettbewerb aus, mit dem Ziel den Bau in ein Musikprobenzentrum umzuwandeln. Die Architekten Herfried Langer und Markus Wüllner - firmierend unter dem Namen Tor 5 - erhielten den ersten Preis für eine Lösung, die dem Gebäude seine vormalige Wirkung und signethafte Gestalt beließ.

Modernisierungsarbeiten
Sie versuchten nicht - entgegen der geforderten Wettbewerbsbedingungen - die 40 Musikprobenräume vollständig in das vorhandene Gebäude einzuplanen, dann hätte das gesamte alte Innenleben weichen müssen.
Durch eine Aufstockung des Schachtgebäudes um zwei weitere Geschosse auf gesamt sechs Ebenen, gelang es ihnen, die alte Maschinenhalle mit dem martialischen Schwungrad weitgehend zu erhalten und den Entwurfsansatz so entscheidend zu entkrampfen.

Um in der Raumaufteilung die geforderten Grundrissflächen bestmöglich unterzubringen, wurde das Gebäude in großen Teilen entkernt und als so genanntes "Haus im Haus" neu errichtet. Diese Entscheidung barg zwei Vorteile, zum einen konnte die innere Wand (die eigentliche, raumhüllende Außenwand) in Beton mit einer Termin beschleunigenden Kletterschalung errichtet werden und zum zweiten konnte der Zwischenraum als Installationsraum für die zum Teil recht aufwändige Gebäudetechnik genutzt werden.

Eine andere Herangehensweise - eher im Sinne der Denkmalpflege - zeichnet die unteren Geschosse aus. Hier befindet sich die "Rocklobby", ein zweigeschossiges Foyer mit der großen Schwungscheibe als imaginäres Zentrum des Ganzen und nebenan zusätzlich noch eine kleine Studiobühne und ein hauseigener Club. In diesen halböffentlichen Räumen sollen die Musiker ihre ersten Bühnenerfahrungen und den Kontakt zu den Musikliebhabern finden. Dies drückt sich auch in der Fassade aus: eine zweigeschossige Verglasung macht die vorher verborgene Maschine jetzt auch im Außenraum sichtbar und bildet gleichzeitig ein Fenster zum davor liegenden, sogenannten "Roten Platz".

Bautafel

Architekten: Tor5 Architekten, Bochum
Projektbeteiligte: Herfried Langer, Markus Wüllner, Bernd Göttert, Nicole Heynen, Jörg Wappelhorst, Martin Kolander (Mitarbeiter); Sondermann + Möller, Beratende Ingenieure, Dorsten (Tragwerksplanung, Brandschutz); Rainer Pohlenz, Aachen (Bauphysik, Raumakustik); Globoplan Ingenieurgesellschaft mbH, Bochum (Technische Gebäudeausrüstung)
Bauherr: Stadt Gelsenkirchen
Fertigstellung: 2006
Standort: Consol Schacht 4 in Gelsenkirchen-Bismarck
Bildnachweis: Archiv der Architekten

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