Museum De Lakenhal in Leiden

„Gewebte“ Fassade aus zweifach gebrannten Formsteinen

Schon viele Hände wirkten an den Bauten, die das stadthistorische Museum De Lakenhal in der südholländischen Backsteinstadt Leiden beherbergen. Nun wurde das historische Ensemble von den Architekturbüros Happel Cornelisse Verhoeven und Julian Harrap saniert und um einen dritten Teil erweitert. Entstanden ist ein expressiver Backstein-Neubau, der sich mit dem sorgsam restaurierten Bestand verzahnt.

Mit seiner hoch aufragenden, hellen Backsteinfassade, aus der sich straßenseitig vier spitze Erker entfalten ist der Neubau der Protagonist des Projektes.
Für den Neubau am Lammermakt wurde aus handgefertigten Formsteinen ein weiches Fassadenrelief erzeugt, welches an gewebtes Textil erinnert.
Die Mauerziegel wurde nach dem ersten Brennvorgang in einem zweiten, sauerstoffarmen Brennvorgang erneut gebrannt, durch den sie ihre gelb-graue Farbe erhielten.

Verwachsene Struktur

Bevor der Bau ab 1874 als Museum für Kunst und Stadtgeschichte genutzt wurde, diente die 1641 vom Stadtarchitekten Arent van s’Gravesande geplante Lakenhal, zu Deutsch „Tücherhalle“, als zentraler Handelsplatz für sämtliche Arten von Stoffen. Händler kamen per Boot vor die Pforten des Gebäudes und luden ihre Waren im großen Vorhof des palastartigen Hauses ab, bevor sie nach eingehender Qualitätskontrolle in die Räume der Lakenhal weiterverteilt wurden. Mit der Umnutzung zum Museum erfuhr der Bau 1890 und 1921 zwei erhebliche Vergrößerungen. Durch vielerlei weitere Umbauten entstand ein komplexes Gefüge aus nahezu labyrinthartigen Gängen, welche die Besucherinnen und Besucher stets auf neue Irrwege durch die verschiedenen Gebäudeteile lockten. Eine der Hauptaufgaben der jüngsten Sanierung bestand also auch darin, die kompliziert verwachsenen Gebäude klarer zu strukturieren. Dazu wurde unter anderem ein ehemaliger Lichthof, der Achterplaets, zu einem zentralen Knotenpunkt umgebaut.

Ein neuer Protagonist

Gleichzeitig fügten die Architekten mit dem Van-Stijn-Gebäude dem Bestand aber noch ein weiteres Puzzlestück hinzu. Die dritte Erweiterung des Museums, in dem sich eine Ausstellungshalle, Büros, das Archiv sowie eine Bibliothek befinden, liegt im Norden des Komplexes gegenüber des Lammermarktes, einem öffentlichen Platz, der für Veranstaltungen wie zum Beispiel die Feier zum „Fest des Königs“ genutzt wird. Mit seiner hoch aufragenden, hellen Backsteinfassade, aus der sich straßenseitig vier spitze Erker entfalten ist der Neubau der Protagonist des Projektes. Es ist das höchste Volumen des Ensembles und setzt sich auch durch seine markante Kubatur von den umliegenden Weberhäusern ab. Wie auf den Kopf gestellte Satteldachhäuser verzahnen sich die zickzack-förmigen Erker mit dem Sockelgeschoss, das durch zwei unterschiedlich dimensionierte Rundbogenfenster und ein großes Tor – den Personaleingang – gegliedert wird. Neu hinzugekommen sind außerdem mehrere sehr schmale Volumina an der Westseite, die die Lücke zwischen den Bestandsbauten und den Nachbarhäusern füllen, und in denen unter anderem ein Museumscafé untergebracht ist.

Während die älteren Gebäude aus einem rötlichen Bentheimer Sandstein errichtet wurden, wurde für die Fassaden des Van-Stijn-Gebäudes ein Backstein verwendet, der durch einen speziellen Brennvorgang entsteht. Der Mauerziegel wird nach dem ersten Brennvorgang in einem zweiten, sauerstoffarmen Brennvorgang erneut gebrannt. Durch diesen zweiten Brennvorgang erhält er seine gelb-graue Farbe, die sich deutlich vom Bestand abhebt und doch mit dem Bentheimer Standstein harmoniert.

Gewebte Ziegelfassade

Für die Fassadensprache des neuen Museumstraktes orientierten sich die Architekten an den großen Textilfabriken, die zum Ende des 19. Jahrhunderts um den Lammermarkt entstanden. „Das waren pragmatische Backsteingebäude, aber mit einer stolzen Präsenz und feinen Details. Man könnte sogar sagen, dass das eine architecture parlante war, die mit den Mustern der Ziegelsteine auf die gewebten Strukturen der Stoffe verweisen wollte.“, erklärt Floris Cornelisse. Für die Hauptseite des Neubaus sollte ein weiches Fassadenrelief erzeugt werden, welches ebenfalls an gewebtes Textil erinnert. Insgesamt wurden dreizehn Formsteine in von Hand geformten Verfahren entwickelt. An einer Steinseite wurden die zwei Ecken der Formsteine jeweils um dreißig Grad abgeschnitten, sodass sie wie kleine Häuser mit Satteldächern aussehen. Zur Anwendung kamen sie im Sockelgeschoss gen Lammermarkt und zwischen den Erkern. Um alle Steine passgenau übereinander zu vermauern, wurden im Abstand von jeweils vierzig Zentimetern Drähte vertikal über die gesamte Fassade gespannt – eine Herausforderung für die Maurer. Die Erker und die Verblendmauerwerksflächen der anderen Fassaden sind im mittleren Läuferverband mit Normsteinen ausgeführt, zwischen den Fensterreihen der Geschosse sind die Steinreihen jeweils in die Vertikale gedreht.

Die Außenwände des Neubaus wurden als zweischaliges Mauerwerk umgesetzt. Die tragende Schicht besteht aus 15 cm starken Kalksandsteinen, darauf folgt eine 14 cm dicke Schicht Mineralwolle, die Verblender haben die Maße 10,5 x 10,5 x 6,5 bzw. 22,0 cm. Eine Ausnahme bildet die straßenseitige Außenwand mit den Erkern, welche aus vorfabriziertem Stahlbeton realisiert wurde. -lw

Bautafel

Architektur: Happel Cornelisse Verhoeven Architecten, Rotterdam und Julian Harrap Architects, London
Projektbeteiligte: IBB Kondor, Oegstgeest; Koninklijke Woudenberg, Ameide (Bauunternehmer); Van Rossum Raadegevende Ingenieurs, Amsterdam (Konstruktion); Arup, Amsterdam (Gebäudetechnik); Petersen Tegel, Broager (Ziegelhersteller)
Bauherr/in: Gemeinde Leiden
Fertigstellung: 2019
Standort: Oude Singel 32, 2312 RA Leiden, Niederlande
Bildnachweis: Karin Borghouts, Kalmthout; Happel Cornelisse Verhoeven Architecten, Rotterdam

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