Mobile Polizeiwache in Hannover

Durchwurfhemmende Folien und Knaufzylinder

Wachpolizisten haben es meist nicht leicht: Bei Wind und Wetter stehen sie vor Konsulaten und Botschaftsresidenzen, um diese zu beschützen. Einige Städte stellen den Beamten provisorische Unterstände zur Verfügung, die zumindest ein wenig Schutz vor der Witterung bieten. In Berlin werden dazu gern ausrangierte Telefonzellen genutzt, die grün umlackiert, eine Art Camping-Sitz (ohne Polster) beherbergen. Etwas größer, aber bestimmt nicht viel komfortabler, war der alte VW-Bus, der 18 (!) Jahre vor dem türkischen Generalkonsulat in der Nordstadt von Hannover stand.

Hochwertig und mobil, schnell und kostengünstig hergestellt
Ansichten
Schnitte und Grundriss

Fünf Jahre lang ging der Architekt Tev Wilhelmsen vom Hannoveraner Büro Gesamtkonzept daran vorbei, bis er sich schließlich der Polizisten erbarmte und zusammen mit seinem Partner Tim Frede der zuständigen Polizei-Direktion vorschlug, eine mobile Wache zu entwerfen. Zu ihrer Überraschung willigte die Polizei sofort ein, und so wurde nach einjähriger Planungs- und Bauzeit das acht Quadratmeter große Wachhäuschen in Benutzung genommen. Zuvor hatten die Architekten in enger Absprache mit den Nutzern ein Anforderungsprofil für den Bau entwickelt: Er sollte hochwertig und mobil sein, sich schnell und kostengünstig herstellen lassen und außerdem einen offenen und transparenten Arbeitsplatz für die Polizeibeamten bieten.

Bei der baulichen Umsetzung griff man auf Altbewährtes zurück: Als Tragstruktur kam ein herkömmlicher Container-Rahmenbau zum Einsatz, der auch bei anderen temporären Bauten wie z. B. Baustellenbüros verwendet wird. Dämmung und Hinterlüftung der vorgehängten Fassade sorgen für ein Raumklima, welches ohne große Klimatisierung auskommt. Als Fassadenmaterial wählten die Planer High-Pressure-Laminat-Platten (HPL), die sich farblich dem Rot-Braun-Ton der gegenüberliegenden Christuskirche annähern. Der Innenraum wird über bodentiefe Fenstern belichtet.

Mittels vier Montageösen, die sich hinter vier Klappen auf dem Dach verbergen, lässt sich der Bau anheben und per Lkw an einen anderen Ort verbringen. Nach Fertigstellung sind alle zufrieden: „Die Polizeiwache sorgt nicht nur für eine deutliche Verbesserung der Aufenthaltsqualität, sondern bietet nun auch ein modernes äußeres Erscheinungsbild, das sich gut in die stadträumliche und architektonische Situation in der Nähe der Christuskirche einpasst“, meinen die Architekten – und wir finden das auch.

Sicherheit
Sieht man einmal von der durchwurfhemmenden Folie ab, die noch auf die Fenster aufgebracht werden soll, ist der technische Aspekt des Sicherheitskonzeptes eher gering. Die Folie soll auch nur der geringsten Widerstandsklasse A 1 entsprechen, die eine Zerstörung der Scheibe zwar erheblich erschwert, nicht aber verhindert. Da die mobile Polizeiwache zudem an 365 Tagen im Jahr besetzt ist und die Tür aus diesem Grund nie abgesperrt werden muss, beschränkt sich die Schließtechnik auf einen Türdrücker mit Knaufzylinder, der sich nur von außen mit einem Schlüssel öffnen lässt.

Der Sicherheitsschwerpunkt lag stattdessen auf der Planung der Fassadenöffnungen und den sich daraus ergebenden Sichtbezügen. Vom Innenraum müssen die Beamten das zu überwachende Konsulat vollständig im Blick behalten können. Gleichzeitig sollen sie nicht wie auf dem Präsentierteller sitzen. Statt nun eine von außen nicht einsehbare Verglasung zu verwenden, die den gewünschten Eindruck von Offenheit und Transparenz zunichte gemacht hätte, wurden die Fenster an den Längsseiten in Form von Sichtschlitzen ausgebildet. Sie erlauben einen uneingeschränkten Blick nach außen.

Auf den Schmalseiten sind die Öffnungen kleiner ausgefallen. Hinter einer liegt eine nicht einsehbare Sitznische, gegenüber das sogenannte Kontaktfenster. Wie an einem Kiosk können sich hier die Bürger an die Wachpolizisten im Innern des Containers wenden. Um den notwendigen Sicherheitsabstand zu gewährleisten, ist die Fensterbrüstung in Form eines Tresens ausgebildet, der als 60 cm breite Barriere dient.

Bautafel

Architekten: Gesamtkonzept Architekten, Hannover
Projektbeteiligte: Graeff, Mannheim (Containerbau)
Bauherr: Polizeidirektion Nordstadt, Hannover
Fertigstellung: 2011
Standort: In einer Parkbucht an der Christuskirche, 30167 Hannover
Bildnachweis: Nils Günther, Hannover und Gesamtkonzept Architekten, Hannover

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