Messwarte in Schwedt

Virtueller Himmel, digitale Fenster, DALI-gesteuerte Arbeitsplatzbeleuchtung

Fortschreitende Energieeinsparungen und die verstärkte Nutzung von erneuerbaren Quellen tragen dazu bei, dass der Verbrauch an Ölfertigprodukten in Deutschland insgesamt rückläufig ist. Dennoch liegt der Anteil von Erdöl am Primärenergieverbrauch in der BRD noch bei rund einem Drittel. Damit dieser fossile Energieträger beispielsweise als Benzin, Diesel oder Kerosin verwendbar ist, muss er raffiniert werden. Zwölf Millionen Tonnen Rohöl werden jährlich in der Raffinerie Petrolchemie und Kraftstoffe (PCK) nördlich vom brandenburgischen Schwedt verarbeitet. Rund 13 Quadratkilometer umfasst das Betriebsgelände mit den Anlagen und Gebäuden. Neues Herzstück ist die zentrale Messwarte, die das zu klein gewordene alte Kontrollzentrum ersetzt. Die Generalplanung für den Neubau oblag Obermeyer Planen + Beraten.

Der Kontrollraum ist mit sechs Fahrständen, die durch entspiegelte Glaswände voneinander getrennt sind, ausgestattet und umfasst 25 Bedienplätze mit Monitoren und Großbildwänden
Das von Obermeyer Planen + Beraten entworfene Gebäude muss hohen Sicherheitsanforderungen genügen, es ist druckfest und explosionsgeschützt ausgelegt und als fensterloser Bunker ausgeführt
Den geschlossenen Raum ohne Tageslichteinfall in einen angenehmen, konzentrationsfördernden Arbeitsplatz zu verwandeln, übernahmen die Planer von Lichtvision Design

In dem eingeschossigen, unscheinbaren Bau auf rechteckigem Grundriss befindet sich die Schaltzentrale. Von diesem 1.015 Quadratmeter großen Raum aus wird die gesamte Prozesskette rund um die Uhr überwacht und gesteuert – vom Eingang des Rohöls mittels Pipeline über die Schritte in den Produktionsanlagen bis hin zum auszuliefernden Produkt. Die gesamte bauliche Lösung ist auf sehr hohe Sicherheitsansprüche ausgelegt: Das Gebäude ist druckfest und explosionsgeschützt und daher als fensterloser Bunker ausgeführt. Neben speziell bewehrten bis zu 45 Zentimeter starken Außenwänden schützen 12 Zentimeter dicke, gasdichte Stahltüren die Mitarbeiter, damit die Anlagen im Fall einer Explosion sicher heruntergefahren werden können.

Der Kontrollraum ist mit sechs Fahrständen bestückt, die durch entspiegelte Glaswände voneinander getrennt sind und jeweils über vier beziehungsweise fünf Bedienplätze verfügen. Insgesamt wird die Anlage von 25 Bedienplätzen über 78 Monitore und Großbildwände mit 100 Displays gesteuert.

Elektro / Technische Gebäudeausstattung

Hohe Sicherheitsanforderungen gelten auch für die technische Ausrüstung, die darauf ausgelegt ist, auch in kritischen Fällen eine sichere Anlagensteuerung zu gewährleisten. Einrichtungen wie Alarmierungsanlagen, Brandfrüherkennungs- und Gaslöschanlagen sowie eine Raumluft- und Klimatechnik mit permanenter Überdruckhaltung, explosionsgeschützten Zu- und Fortluftöffnungen waren von Planungsbeginn an zu integrieren. Auch im Erdreich geführte Medieneinführungen wurden in der Ausführung druckfest gefordert.

An eine netzwerkunabhängige Echtzeit-Schaltzentrale sind alle Rechner mit Tastatur, Maus, Monitor und Soundkarte sowie Kameras und TV-Receiver über die Hardwarekomponenten des gewählten Mulitikonsolensystems angeschlossen. Alle Signale der darzustellenden Computer laufen hier gleichzeitig zusammen und werden in Echtzeit auf einzelne Großbildschirme und Monitore verteilt. Die Software liefert eine grafische Bedienoberfläche, über die die Steuerung auf den Großbildschirmen und Monitoren erfolgt. Geht ein Alarm ein, ergänzt eine spezielle proaktive Beleuchtung der Leitwartenarbeitsplätze und Großbildwände das akustische Warnsignal, sodass die Messwartenfahrer schnellstmöglich reagieren können. Das Alarmlicht ist vom Monitoringsystem ansteuerbar und kann bei einer eingehenden Fehlermeldung blinken oder die Farbe wechseln.

Beleuchtung
Den geschlossenen Raum ohne Tageslichteinfall in einen angenehmen, konzentrationsfördernden Arbeitsplatz zu verwandeln, war eine herausfordernde Aufgabe. Die Planer von Lichtvision Design entwickelten dafür ein Konzept, das an mehreren Punkten ansetzt.

Der zentrale Bereich des Raums wird von einer rund 110 Quadratmeter großen, erdnussförmigen Lichtdecke überspannt. Ein virtueller Himmel simuliert mithilfe einer LED-Deckenbeleuchtung das aktuelle Wetter. Die Lichtdecke ist mit LED-RGB-Kacheln bestückt, jedes Pixel einer Kachel ist einzeln ansteuerbar. Damit lassen sich dynamische Änderungen von Wetterzuständen darstellen: vorüberziehende Wolken, Dämmerung oder Nacht. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut für Arbeit und Organisation (IAO) wurden Vorgaben für die Lichtszenen als Wetterverläufe entwickelt. Definiert wurde die Bandbreite, in der sich zu den unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten die Helligkeit und Farbtemperatur bewegt, dabei ändert sich der Anblick des künstlichen Himmels stetig. Die Wetterzustände werden über einen parametrisierten digitalen Himmel von einem Videoserver in Echtzeit erzeugt. Die Overlay-Funktion des leistungsstarken Servers ermöglicht es des Weiteren, dass in unregelmäßigen Abständen kleine Ereignisse erscheinen, wie beispielsweise Kondensstreifen, ein Heißluftballon oder Vögel. Für besondere Anlässe können das Firmenlogo eingespielt werden oder Luftballons virtuell auffliegen.

Eine weitere Maßnahme gegen die räumliche Abgeschlossenheit sind fünf digitale Fenster, die einen vermeintlichen Ausblick gewähren. Am Ende von einigen Sichtachsen im Raum sind dafür an den Außenwänden große Bildschirme hochkant montiert. Auf den Monitoren wird jeweils der Livestream einer Webcam wiedergegeben. Die Mitarbeiter können sehen, was in Blickrichtung draußen geschieht.

Die Außenwände werden zudem umlaufend mit Wandflutern beleuchtet. Jeder Arbeitsplatz wird über zwei Pendelleuchten ausgeleuchtet. Die befinden sich zwischen den Plätzen, sodass die Arbeitsflächen jeweils von links und rechts beleuchtet werden. Der Direktanteil kann individuell eingestellt werden, der indirekte Anteil der Leuchten wird teamweise gesteuert. Hierfür ist die Pendelleuchte in drei DALI-Gruppen aufgeteilt: Der direkte Anteil für den rechten und den linken Arbeitsplatz sowie den Indirektanteil. Die Leuchten sind mit DALI-Treibern bestückt. Die Steuerung der Beleuchtung erfolgt zentral über einen KNX-Backbone. Die Farbtemperatur des Direktanteils beträgt 3.000 Kelvin, der des Indirektanteils 4.000 Kelvin. -jb

Bautafel

Architekten: Obermeyer Planen + Beraten, München
Projektbeteiligte: Lichtvision Design, Berlin, und Fraunhofer Institut für Arbeit und Organisation IAO, Stuttgart (Lichtplanung); Obermeyer Planen + Beraten, München (Elektroplanung); Jungmann Systemtechnik JST, Buxtehude (Inneneinrichtung und technische Ausstattung)
Bauherr: PCK Raffinerie, Schwedt
Fertigstellung: 2016
Standort: Passower Chaussee 111, 16303 Schwedt/Oder
Bildnachweis: Lichtvision, Berlin; Oliver Voigt

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