Mehrfamilienhaus Eisberg in Berlin

Kristalliner Hybrid

Ein Mehrfamilienhaus in Holz-Hybrid-Bauweise mit dem Namen Eisberg besetzt seit kurzem eine schmale Baulücke im Berliner Stadtteil Moabit. Das Niedrigenergiehaus schließt die Blockrandbebauung und zeigt sich zur Straße hin mit einer kristallin anmutenden Fassade. Konträr dazu ist die Hofseite gestaltet, die auf maximale Offenheit setzt. Geplant wurde der Mietwohnungsbau vom Berliner Büro Rundzwei Architekten, das 2018 mit dem Korkenzieherhaus, einem Einfamilienhaus mit Splitlevels und Kork-Fassade (siehe Objekte zum Thema), Aufsehen erregte.

Sind die perforierten Klappläden geschlossen, scheint sich das Fassadenmaterial flächenbündig über die Fenster zu ziehen.
Die Fassade wirkt auch aufgrund des fehlenden Dachüberhangs monolithisch.
Der Eingang ist in der Fassade zurückversetzt.

Jeder Quadratmeter zählt

Wegen des knapp bemessenen Baugrunds strebten die Architekten eine bestmögliche Ausnutzung an: Auf einer Grundfläche von etwa 100 Quadratmetern entstanden elf barrierearme Wohnungen auf sieben Geschossen. Der Grundriss ist dabei komplexer, als die zur Straße hin weitgehend achsensymmetrisch gestaltete Fassade vermuten lässt.

An Brandwände darf laut Bauordnung auf ganzer Fläche angebaut werden – um die größtmögliche Nutzfläche zu erreichen, nahm das Planungsteam dieses Recht in Anspruch. Die zwei angrenzenden Bestandsbauten sind allerdings verschieden tief. Die unterschiedlichen Gebäudefluchten werden durch den Neubau zusammengeführt, sodass der Grundriss nicht rechteckig, sondern leicht keilförmig ausfällt. Durch einen Dreieckserker auf der Straßenseite und das Verschieben des Treppenkerns nach außen auf der Hofseite ließ sich zusätzliche Wohnfläche hinzugewinnen.

Analog zur Auskragung des Erkers ist der Eingangsbereich zurückversetzt. Die Assoziation mit dem namensgebenden Eisberg wird nicht nur durch die kantigen Formen, sondern auch durch das im Randbereich geneigte Dach unterstrichen, das ohne Überhang an die Fassade anschließt und im gleichen Material ausgeführt ist.

So viel Holz und Vorfertigung wie möglich

Der Bau ist weitgehend als Holzskelettbau mit Vollholzdecken, Außenwandelementen in Holztafelbauweise und Holzstützen ausgeführt, es finden sich jedoch auch Kalksandstein- und Stahlbetonwände sowie Stahlstützen. Wenn möglich wurden Holzfertigteile eingesetzt, um den Bauablauf zu beschleunigen und aufwendige Ausbauarbeiten zu vermeiden.

Im Erdgeschoss und in den Regelgeschossen befinden sich neun Zwei-Zimmer-Wohnungen mit je 55 Quadratmetern Nutzfläche. Koch-, Ess- und Wohnbereiche sind in offenen Räumen zusammengefasst und von der Nord- zur Südfassade durchgesteckt. Im fünften und sechsten Obergeschoss sind zwei Maisonette-Wohnungen mit jeweils 96 Quadratmetern Nutzfläche angeordnet. Hier hat der zum Hof hin orientierte Koch-, Ess- und Wohnbereich doppelte Raumhöhe.

Die feuchtigkeitsabsorbierenden Holz- und Kalkputzoberflächen im Inneren sind offenporig und tragen so zur natürlichen Klimatisierung der Raumluft bei. Statt aufwendiger Bodenbeläge findet man in den Wohnungen Sichtestrichböden mit Fußbodenheizungen. Die Decken und die Dachinnenseite sind mit Fichtenholz bekleidet. Bis auf die Böden und den Putz sind fast alle verwendeten Bauteile laut Planungsteam nur mechanisch befestigt, um das Zerlegen und das Recycling der Materialien zu erleichtern.

Sonnenschutz: Perforierte Klappläden und Überkopfverschattungen

Die Straßenfassade gibt sich monolithisch: Die Fenster sind in vier Achsen angeordnet, der Sicht- und Sonnenschutz fügt sich im geschlossenen Zustand flächenbündig in die Außenhaut ein. Die als Klappläden gestalteten Elemente sind wie die Fassade in gewelltem Aluminiumblech ausgeführt, das in diesen Bereichen allerdings perforiert wurde. Dadurch lassen die Läden auch im geschlossenen Zustand Tageslicht herein und das Hinausschauen ist möglich. Umgekehrt wird der Einblick von außen verwehrt.

Die Südfassade öffnet sich mit bodentiefen Fenstertüren zum Hof hin. Das offene Treppenhaus mit Fahrstuhl ist in eine gerüstartige Konstruktion aus Plattformen und willkürlich angeordneten, weißen Stahlrohren integriert, das über die gesamte Gebäudelänge vor dem Wohnhaus sitzt und auch die tiefen Balkone vor den Obergeschossen miteinschließt. Die Struktur wirkt auf den ersten Blick wie ein Laubengang-Regal, allerdings sind die Ebenen nicht durchgängig miteinander verbunden.

Die Balkone dienen durch ihre Tiefe als wirkungsvolle Überkopfverschattung. Besonders in den Sommermonaten, wenn die Sonne höher steht, verhindern sie zu hohe solare Einträge durch die großen Fensterflächen. Das flach einfallende Sonnenlicht der tiefer stehenden Wintersonne darf hingegen teils direkt einfallen. -sr

Bautafel

Architektur: Rundzwei Architekten, Berlin
Projekteam: Luca Di Carlo, Marc Dufour-Feronce, Johann Göhler, Miriam Lopez, Andreas Reeg, Matthias Rühl
Projektbeteiligte: ifb Frohloff Staffa Kühl Ecker Beratende Ingenieure, Berlin (Tragwerksplanung); Energieberater Land Brandenburg, Brandenburg (KfW-Energieberatung); Andreas Zill, Berlin (Bodengutachten); ITV Ingenieur-Team Versorgungstechnik, Berlin (Gebäudetechnik); Planungsbüro Oliver Kautz, Berlin (Elektroplanung); ZRS Architekten und Ingenieure, Berlin (Bauleitung)
Bauherr
: Privat
Standort: Wilhelmshavener Straße 66, 10551 Berlin
Fertigstellung: 2020
Bildnachweis: Gui Rebelo, Berlin / Rundzwei Architekten, Berlin

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