Medizinische Fakultät in Montpellier

Großformatige Glasschwerter, gestapelte Fassadengläser

Die Universität in der französischen Mittelmeermetropole Montpellier blickt auf eine Geschichte bis ins 13. Jahrhundert zurück. Die medizinische Fakultät, die 1220 gegründet wurde, ist gar die älteste bestehende weltweit. Mit einem imposanten Neubau wendet sich die faculté de médecine Richtung Zukunft: Entworfen vom französischen Architekten François Fontès, bietet das Gebäude auf sechs Etagen ausreichend Platz für die Institute diverser Fachbereiche.

Die einzelnen Glasscheiben der Fassade sind gestapelt, das Eigengewicht wird in die Fußpunkte geleitet.
Die tragende Struktur der Ganzglasfassade bilden Glasschwerter, welche zwischen Boden und Decke über die gesamte Fassadenhöhe spannen.
In die Glasschwerter einlaminiert wurden jeweils fünf Titan-Fittings, über welche die statische Kopplung zwischen Fassadenverglasung und Glasschwert gewährleistet wird.

Eine übergreifende, konkave Glasfassade markiert das Foyer entlang der Avenue du Doyen Gaston. Der Neubau umfasst insgesamt 11.440 Quadratmeter. Im Erdgeschoss und weiteren drei Etagen befinden sich die Verwaltung, Unterrichtsräume und Hörsäle. Die beiden obersten Etagen sind der Praxis vorbehalten, mit der Simulationslernplattform Anatomy Lab, einem Forschungsraum für medizinische Robotik sowie Ausbildungsräumen für medizinische Pädagogik und Pflege.

Ganzglasfassade für tiefe Einblicke
Leitidee des Architekten war es, die Tradition und Exzellenz der Fakultät zum Ausdruck zu bringen. Dabei spielt die rahmenlose, 780 Quadratmeter große Ganzglasfassade eine entscheidende Rolle. Die Dimensionen von 12,7 Metern in der Höhe und 65 Metern in der Breite sorgen für viel Transparenz und gewähren tiefen Einblick in den Gebäudekorpus, der mit zahlreichen Säulen knochengleich durchzogen ist.

Glasschwerter im Großformat

Die tragende Struktur der Schaufassade bilden Glasschwerter, welche zwischen Boden und Decke über die gesamte Fassadenhöhe spannen. Die Maximalabmessung der als Verbundsicherheitsverglasung ausgebildeten Elemente beträgt 0,7 x 12,7 Meter; es handelt sich um 4-fach-Laminat aus 10 mm teilvorgespanntem Glas (Weißglas). Als Zwischenschicht dient SGP-Folie in einer Stärke von 1,52 mm. Jedes Glasschwert wurde mit jeweils fünf Titan-Fittings ausgebildet; hierzu wurden die inneren Glasschichten der Glasschwerter lokal ausgespart und die Einbauteile über die SGP-Zwischenschicht in den Schichtaufbau einlaminiert. Die Titan-Fittings haben Abmessungen von 230 x 50 x 21,52 mm. Die Anschlussteile an den Stirnseiten der Glasschwerter wurden mittels SG-Verklebung befestigt.

Die Fassadenverglasungen sind jeweils 3,80 x 2,80 m groß. Sie bestehen aus 2 x 12 mm Teilvorgespanntem Glas (Weißglas) mit 1,52 mm PVB als Zwischenschicht. Die Fassadengläser sind aufeinander gestapelt, sodass ihr Eigengewicht jeweils über 5 mm dicke Teflonklötze bis zum Fußpunkt durchgeleitet wird. Hingegen werden die Horizontallasten auf die Fassade über die Klemmhalter in die Titan-Fittings der Glasschwerter eingeleitet.

Statisches Wirkprinzip bei Erdbeben

Das statische System der Fassadenkonstruktion ist dahingehend optimiert, dass seismische Einwirkungen sicher in die Hauptstruktur abgetragen werden. Die seitliche Stabilität der schlanken Glasschwerter wird bei seismischer Beanspruchung planmäßig über ein Seil- und Stabsystem zwischen den einzelnen Glasschwertern gewährleistet. Zur Sicherstellung dieses Wirkungsprinzips erfolgten aufwendige Belastungsprüfungen.

Bautafel

Architektur: François Fontes, Montpellier
Projektbeteiligte:
BET Verdier, Montpellier (Tragwerksplanung Primärtragwerk); Bellapart, Olot (Fachplanung und Tragwerksplanung Fassade sowie Fassadenbau); Sedak, Gersthofen (Produktion Glasschwerter)
Bauherrschaft: 
Medizinische Fakultät, Universität Montpellier
Fertigstellung:
2017
Standort: 
641 Avenue du Doyen Gaston Giraud, 34090 Montpellier
Bildnachweis: Bellapart, Olot; Sedak, Gersthofen

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