Mauerstein aus Harnstoff

Upcycling besonderer Art

Vor einiger Zeit berichteten wir an dieser Stelle bereits über einen Ziegelstein aus Kuhdung (siehe Tipps zum Thema) – es dürfte daher weder besonders überraschen noch schockieren, dass es nun auch Ziegel aus menschlichem Urin gibt. Das Konzept der Verwendung von Harnstoff zur Herstellung von Ziegelsteinen wurde bereits vor einigen Jahren in den Vereinigten Staaten unter Verwendung synthetischer Lösungen getestet. Suzanne Lambert, Studentin an der Universität Kapstadt, ging jedoch noch einen Schritt weiter: Sie verwendete für ihre Ziegel zum ersten Mal menschlichen Urin – und verwandelte damit ein reines Abfallprodukt zu einer wertvollen Ressource.

Die Urin-Ziegel werden abfallfrei durch einen natürlichen Prozess namens mikrobielle Karbonatfällung (microbial carbonate precipitation) hergestellt.

„Gezüchtete“ Ziegel

Die Urin-Ziegel werden abfallfrei durch einen natürlichen Prozess namens mikrobielle Karbonatfällung (microbial carbonate precipitation) hergestellt. Der Prozess ähnelt der Entstehung von Muscheln. Der Urin wird mit losem Sand und einem bestimmten Bakterium zusammengefügt, das das Enzym Urease produziert. Dieses spaltet den Harnstoff im Urin auf und produziert durch eine komplexe chemische Reaktion Kalziumkarbonat, also Kalkstein. Bei diesem Prozess kann der Sand in jede beliebige Form zementiert werden, so wie im Falle des Ziegels in einen Quader.

Die Festigkeit kann den Bedürfnissen der Kunden angepasst werden: Je mehr Zeit man den Bakterien gibt, den Ziegel entstehen zu lassen, desto fester wird er. Somit kann er laut den Forschern die gleiche Festigkeit erreichen wie ein herkömmlicher Kalksteinziegel – und das umweltschonender als im Ofen gebrannte Mauersteine.

Urin als wertvolle Ressource

Denn darin liegt der wohl größte Vorteil der Urin-Ziegel: Sie können innerhalb weniger Tage bei Raumtemperatur trocknen. Wohingegen herkömmliche Mauersteine bei Temperaturen weit über 1.000 Grad Celsius gebrannt werden müssen, was große Mengen an Kohlendioxid freisetzt. Bei der Herstellung des Urin-Ziegels fallen zudem als Nebenprodukt Stickstoff und Kalium an, die für die Düngung eingesetzt werden können. Somit entsteht ein zu hundert Prozent abfall- und emissionsfreier Kreislauf.

Projekte wie diese haben noch gegen den „Ekelfaktor“ der Verbraucher zu kämpfen. Denn die Ziegel riechen zunächst, da als eines der Nebenprodukte des Prozesses Ammoniak entsteht. Dieser Geruch verflüchtigt sich allerdings innerhalb von zwei Tagen während der Trocknung. Und unsere Ressourcenverschwendung erfordert einen Paradigmenwechsel: Abfallprodukte müssen als potenzielle Ressource neu gedacht werden.

Forschung: University of Cape Town (UCT)

Tipps zum Thema

News/​Produkte

Fliesen aus Kuhdung

News/​Produkte

Mauerstein aus Hanf und Kalk

News/​Produkte

Mauerziegel aus dem Drucker

Kontakt Redaktion Baunetz Wissen: wissen@baunetz.de
Baunetz Wissen Mauerwerk sponsored by:
KS-ORIGINAL GmbH
Entenfangweg 15
30419 Hannover
www.ks-original.de