Lilienthal-Centrum in Stölln

Rot eingefärbter Stampfbeton

Das brandenburgische Dorf Stölln, zwischen Rathenow und Neustadt an der Dosse gelegen, ist eng mit der Fliegerei verbunden. Hier hatte der Luftfahrtpionier Otto Lilienthal seinen Übungsplatz auf dem Gollenberg – und hier starb er auch. Am 9. August 1896 stürzt er bei einer Flugübung ab und erliegt einen Tag später seinen schweren Verletzungen. Ein jetzt eröffnetes Besucherzentrum soll das Erbe Lilienthals bewahren sowie die Möglichkeit bieten, Technik- und Kulturgeschichte der Fliegerei an ihrer historischen Stätte zu begreifen.

Der obere Dachrand wurde aus besonders verdichtetem Stampfbeton mit abgeschrägter Oberfläche ausgeführt
Die äußere Hülle besteht aus Stampfbeton, die innere aus hellem Sichtbeton
Das sanierte Bestandsgebäude

Das Lilienthal-Centrum Stölln, kurz LCS, befindet sich in zwei restaurierten Backsteingebäuden einer ehemaligen Ziegelbrennerei aus dem Jahre 1843 sowie in einem angrenzenden Neubau. Mit der Planung von Umbau und Erweiterung wurde das Berliner Architekturbüro Abelmann Vielain Pock (ABV) beauftragt. Sie entschieden sich dafür, den Erweiterungsbau auf den Grundmauern eines abgerissenen Gebäudes in direkter Verlängerung an die vorhandene Brennerei zu errichten, womit dessen Kubatur feststand. Seine äußere Hülle ist zurückhaltend gestaltet: Mit ihrem Werkstattcharakter soll die Fassade die Experimentierfreudigkeit des Erfinders und Forschers zum Ausdruck bringen und alle Aufmerksamkeit auf die Flugobjekte im Inneren des Hauses lenken.

Die Ausstellung konzipierte und gestaltete der Berliner Donald Becker. Er gliederte das langgestreckte Museumsgebäude in vier Abschnitte: Im Mittelteil des Bestandsgebäudes den Rundgang beginnend, gelangen die Besucher zunächst ins Avarium, dem Vogelhaus, mit zahlreichen Abbildungen von fliegenden Vögeln. Weiter geht es in die Werkstatt mit 15 Nachbauten von Lilienthals filigranen Flugapparaten. Dem Fabrikanten und Finanzier Gustav Lilienthal, dem Bruder von Otto, ist der dritte große Ausstellungsbereich Zwei Brüder gewidmet. Vorbei an einem Café und einem Shop kommen die Besucher anschließend in den klar strukturierten Neubau zum Ende der Ausstellung. Im Raum der Fliegerei informieren interaktive Installationen über die wichtigsten Erfindungen im Bereich des Fliegens: vom chinesischen Drachenflug über Heißluftballons und Lilienthals Flugversuche bis hin zu Apollo 11, dem Mensch auf dem Mond. Zwei große Fluggeräte schweben eindrucksvoll zwischen den hellen Betonwänden.

Die Planungszeit für das rund 2,2 Millionen Euro teure Lilienthal-Centrum betrug zehn Jahre, die Bauzeit anderthalb. Finanziert wurde es aus Fördermitteln der EU und des Landes.

Beton
Als Material für den Anbau entschieden sich die Architekten für Stampfbeton, der in farblicher Anlehnung an das rote Mauerwerk der ehemaligen Ziegelei ebenfalls rot eingefärbt wurde. Stampfbeton setzt sich aus einem Gemisch von Natursteinen und Zement zusammen und lässt sich mit den entsprechenden Schalungen in jeder beliebigen Form herstellen. Das Material gehört zu den unbewehrten Betonen, die durch Stampfen verdichtet werden. Aus diesem Grund werden nur Gemische mit einer steifen Konsistenz verwendet. Eine zu verdichtende Betonschicht sollte eine Dicke von 15 cm nicht überschreiten.

Die zweischalige Wandkonstruktion des Ausstellungszentrums besteht aus einer 25 cm dicken tragenden Innenwand aus hellem Sichtbeton, einer Dämmung und der äußeren Schicht aus 15 cm starkem Stampfbeton, der mit roten Farbpigmenten versetzt wurde. Zur Herstellung der Außenhülle wurde der sehr trockene Beton schichtenweise um das Gebäude herum in die Brettschalung eingebracht. Bei der Wahl der Schalung stand ebenfalls die Struktur des Mauerwerks Pate: die Höhe eines Brettes entspricht genau der eines Ziegelsteins. Die horizontale Struktur der Fassade basiert jedoch auf der Schichtung des jeweils abgebundenen Betons, die sich Schicht für Schicht auf der Außenhaut abzeichnet. Im Vergleich zu flüssigerem Beton bzw. bei Verwendung einer glatten Schalung ist die Oberfläche von Stampfbeton poröser und offener, was ebenfalls gut mit dem historischen Mauerwerk korrespondiert. Der obere Dachrand vor dem dahinterliegenden Flachdach wurde aus besonders verdichtetem Stampfbeton mit abgeschrägter Oberfläche ausgeführt.

Während der Bauzeit wurde das gesamte Gebäude mit Folien geschützt, die um das Gerüst gehängt wurden, da nicht ausgehärteter Stampfbeton sehr empfindlich ist in Bezug auf Ausblühungen.

Bautafel

Architekten: Abelmann, Vielain, Pock Architekten, Berlin
Projektbeteiligte: Donald Becker, Berlin (Ausstellungsgestaltung); Gottschalk Baudenkmalpflege, Friesack (Fassadensanierung Bestand)
Bauherr: Otto-Lilienthal-Verein Stölln
Standort: Otto-Lilienthal-Straße 50, 14728 Gollenberg, OT Stölln
Fertigstellung: 2010

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